Soviel wurde und wird immer noch über die Pflanze geschrieben, daß selbst die Eifrigsten unter uns gar nicht erst die Hoffnung zu hegen brauchen, alles lesen zu können. Dies ist aber auch nicht nötig, da das Gebäude an Überlieferungen, das um die Alraune errichtet wurde, seit ungefähr 1700 keine wesentlich neuen Züge mehr angenommen hat. Jede Bearbeitung des Materials in der Neuzeit kann deshalb nur ein, wie zu hoffen bleibt, kritischer Überblick sein; dies scheint aber niemanden zu stören, da heutzutage mehr denn je über die Alraune geschrieben wird.
So wie die Leute Interesse an der Alraune finden, so interessieren sie sich auch für das große Meeresungeheuer, Atlantis, El Dorado und die Prophezeiungen des Nostradamus - alte Geschichten, die einem so vertraut sind, daß man sie sich immer wieder im Schlaf erzählt, und die man trotzdem nicht vergessen möchte.
Gemeinsam ist diesen Immergrüngewächsen der Populargeschichte: sie bilden die Verschmelzungen sehr alter Mythen und beinhalten Gesichtspunkte einer vergangenen Wirklichkeit, die vielleicht irgendwann einmal wiederkehren wird, so zum Beispiel den Kampf des Menschen gegen wilde Ungeheuer, seine Flucht vor Naturkatastrophen usw., oder aber sie betonen die fundamentalen Aspekte menschlichen Glaubens und Hoffens:das Streben nach Glück und Erfolg und die Fähigkeit, die Zukunft vorauszusagen. Was wir in unserem Mythenschatz horten, ist keinesfalls vom Zufall bestimmt, und der Grund, weshalb auch eine so vergleichsweise harmlose medizinische Pflanze wie die Alraune darin zu finden ist, liegt darin, daß man sie im Laufe der Zeit in Volkserzählungen mit so viel Mysterium umgab, daß sie mehr und mehr nicht nur für die mächtigste, sondern auch für die gefährlichste aller Zauberpflanzen. gehalten wurde. Und so kam es, daß sie innerhalb der wundersamen Welt der Pflanzen das Geheimnisvolle und Lockende schlechthin verkörperte.
Die verschiedenen Mandragora-Arten, die alle die Alkabide Skopolamin und Hyoscyamin enthalten, waren ursprünglich in den Ländern des östlichen Mittelmeerraumes beheimatet; dort sind sie auch heute noch sehr häufig anzutreffen, vor allem auf brachliegenden Feldern und Schuttplätzen.(1) Sogar die alten Perser und Ägypter kannten schon die Heilkräfte der gelben oder rotgoldenen Beeren und vor allem der Wurzel, und es ist sicher, daß beide Teile der Pflanze als Aphrodisiaka verwendet wurden. Stücke der Mandragora-Wurzel, die höchstwahrscheinlich als Liebes-Glücksbringer getragen wurden, wurden zusammen mit anderen Grabbeigaben in den königlichen Grabkammern in den Pyramiden gefunden, und die Alraune wird, (zusammen mit ungefähr 700 anderen medizinischen Pflanzen) im berühmten Papyrus Ebers aus der Zeit von 1700 - 1600 v.Chr. besprochen.(2)
In der Bibel werden die Früchte der Mandragora zweimal erwähnt(3); einmal in der Genesis XXX, 14-16, als Rahel Ruben, dem Sohn Leas, die Mandragorafrüchte wegnimmt, um damit ihre Unfruchtbarkeit zu heilen, und ein andermal im Lied Salomon VII, 11-13, als die liebliche, junge Sulamit, die häufiger als irgendein anderes weibliches Wesen von der Dichtkunst besungen wurde, ihren Geliebten einlädt, mit ihr hinaus in die Natur zu gehen. Dort, wo die Alraunen ihren Duft verströmen, schenkt sie ihm dann ihre Liebe; es liegt dabei eindeutig in ihrer Absicht, daß die Alraunen ihr einen besonders feurigen Liebhaber bescheren sollen.
In der Antike macht der griechische Arzt Theophrast (ca. 370-328 v. Chr.) deutlich klar, daß die Alraune keine gewöhnliche Pflanze ist. Bevor er darauf eingeht, daß die Wurzel unter anderem sowohl als Schlafmittel als auch als Aphrodisiakum benutzt wird, erläutert er, ohne jedoch selbst daran zu glauben, die Vorkehrungen, die von den Wurzelschneidern beim Sammeln der Pflanzen getroffen werden müssen.(4) Zuerst müsse man mit einem Messer drei Kreise um die Pflanze herum in die Erde ziehen. So dann könne man, das Gesicht westwärts gewendet, zuerst den oberen Teil der Wurzel abschneiden, daraufhin weitere Teile der Wurzel freilegen; bevor jedoch das letzte Stück freigeschnitten werden dürfe, müsse man um die Pflanze herumtanzen und dabei so viel, wie das Gedächtnis nur hergibt, aus den Mysterien der Liebe rezitieren. Ein dänischer Wissenschaftler kommentierte diese Textpassage mit der Bemerkung, daß die Absicht hierbei vor allem sei, so viele Unanständigkeiten wie nur möglich herzusagen(5) - was auch recht plausibel klingt, da ja hinreichend bekannt ist, daß Dämonen es mit der Angst zu tun bekommen ünd verschwinden, sobald man sich ihnen gegenüber nur unflätig genug verhält.
Selbst Pythagoras (geb. ca. 582 v. Chr.) soll angeblich von der Alraune gesagt haben, daß sie antrophomorph sei, das heißt, einem menschlichen Wesen gleiche(6), und mit ein wenig Phantäsie kann man auch wirklich ein kleines menschliches Wesen oder eine Puppe in ihr sehen. Bei Beschreibungen in den ältesten griechischen Medizinbüchern interessieren sich die Autoren noch fast ausschließlich für die Verwendungsmöglichkeit der Alraune in der Heilkunde. Erst in der Zeit des griechischen Imperiums wurden auch Einzelheiten über ihre gefährlichen Wirkungen und magischen Kräfte hinzugefügt. So wird uns durch Flavius Josephus, dem jüdischen General, Diplomaten und Geschichtsschreiber, der ca. 95 n.Chr. in Rom sein Leben aushauchte, berichtet, daß in einem Tal in der Nähe des Toten Meeres eine wundersame Pflanze wächst, die nachts ein leuchtendes, rotes Licht ausstrahlt.(7) Es sei schwierig, sich ihr zu nähern, da sie sich sofort zurückzöge, sobald sie bemerke, daß jemand versuche, an sie heranzugelangen. Wenn es einem jedoch gelänge, sie mit Urin oder Menstruationsblut zu übergießen, bleibe sie stehen. Direkte Berührung der Pflanze bringe zwar Lebensgefahr, dennoch bestehe die Möglichkeit, sie aus der Erde herauszulösen. Dazu müsse man vorsichtig um sie herumgraben, bis nur noch das äußerste Ende der Wurzel in der Erde stecke; daraufhin solle man einen Hund an der Wurzel festbinden und sich entfernen.
Wenn nun der Hund versuche, seinem Herrn zu folgen, reiße er die Wurzel aus dem Erdreich, erliege jedoch unmittelbar darauf dem Tod, stellvertretend als Opfer für seinen Herrn, der nun gefahrlos von der kostbaren Pflanze Besitz ergreifen könne. Das Verfahren sei zwar kompliziert, aber immerhin Mühe und Kosten eines Hundes wert, da die Pflanze die Fähigkeit besäße, Dämonen auszutreiben; die träten nämlich panikartig die Flucht an, sobald die Wurzel auch nur in die Nähe der besessenen Menschen gebracht würde.
Nicht ganz unbegründet ist auch die Behauptung Josephus, daß die Pflanze in der Dunkelheit leuchte. Unter bestimmten Wetterbedingungen kann es vorkommen, daß sich kleine chemische Teilchen aus dem Nachttau und der Oberfläche der Beeren miteinander verbinden und einen schwachen Lichtschimmer erzeugen. Ein ähnliches Phänomen kann man in warmen, nördlichen Sommernächten bei Blaubeeren beobachten.
Einige Generationen später fügte Aelian neue Einzelheiten in das bisherige Bild ein(8): Die Mandragora ist tagsüber unsichtbar, weil sie sich zwischen anderen Pflanzen versteckt. Nachts scheint sie jedoch wie ein Stern in der Dunkelheit, und man kann deshalb die Stelle, an der sie wächst, kennzeichnen und somit am nächsten Tag mit Sicherheit sagen, welche Pflanze die Alraune ist, selbst wenn sie haargenau wie ihr unschuldiger Nachbar aussieht. Sodann bindet man einen hungrigen Hund an der Wurzel fest und entfernt sich, nachdem man noch ein wohlriechendes Stück gebratenes Fleisch knapp außer dessen Reichweite plaziert hat. Das hungrige Tier wird daraufhin hastig versuchen, an das Fleisch zu gelangen, muß jedoch in dem Augenblick sterben, in dem es die Alraune aus der Erde reißt. Seine Leiche sollte am ehemaligen Standort der Pflanze begraben werden und eine Beerdigungszeremonie zu Ehren des Tieres stattfinden, das ja sein Leben dafür geopfert hatte, daß sein Herr in den Besitz der Alraune gelangen konnte.
An anderer Stelle steht geschrieben, daß der Hund nicht unbedingt sterben müsse; nur wenn er den ersten der vorher erwähnten Kreise um die Pflanze betrat, war sein Schicksal besiegelt. Nicht allzu lange sollte jedoch den Hunden diese Gnadenfrist beschieden sein, da es nämlich bald hieß. daß die Alraune jedesmal, wenn sie ausgerissen wurde, einen solch markerschütternden Schrei von sich gab, daß jeder, der ihn hörte, vor lauter Entsetzen sterben mußte. Von da an wurden nur noch schwarze Hunde dazu verwendet, sie aus der Erde zu ziehen. Diese standen ja schon von Anfang an unter einem schlechten Stern, da ihnen der Schöpfer wohl kaum eine so unheilverkündende Farbe gegeben hätte, wenn sie nicht bösartige Tiere gewesen wären, die sehr wohl verdienten zu sterben.
Mit der Zeit geriet die Alraune selbst mehr und mehr in den Ruf, ein bösartiges Lebewesen zu sein, da ihre Gestalt der menschlichen sehr ähnlich war. Wie es im einzelnen zu dieser Auffassung kam, ist nicht bekannt. Ein Beitrag dazu mag wohl die Legende von Jasons Drachenmenschen gewesen sein; die wichtigste Quelle bildet jedoch eine Geschichte aus frühchristlicher Zeit. Aus dieser geht hervor, daß die Alraune ursprünglich eine Vorstudie für den späteren Menschen gewesen sei, die jedoch von Gott wieder verworfen wurde, nachdem er Adam aus dem roten Erdreich des Paradieses geschaffen hatte(9). Und der Grund, weshalb die Pflanze so selten zu finden sei, liege darin, daß sie es immer noch bevorzuge, in der Nähe des Gartens Eden zu wachsen, der weit weg, auf der Spitze eines mächtigen Berges irgendwo in unbekannten Landen des Ostens liegt.(10)
Diese interessante Erzählung konnte die Menschen nördlich der Alpen jedoch nicht davon abhalten, die Mandragorapflanze in ihren Gärten anzupflanzen. Neue Überlieferungen verbanden sich mit ihr, vor allem in deutschen Gebieten, einige der alten wurden als Aberglauben abgetan und gerieten in Vergessenheit; vielleicht wurden sie zuvor aber noch niedergeschrieben und blieben auf diese Weise bis in unsere Zeit erhalten. Eine grundlegende Neuerung im Volksglauben stellte die Auffassung dar, daß die Alraune, die inzwischen auch unter dem Namen Galgenmännchen und Drachenpuppe(11) bekannt war, nur am Fuße eines Galgens wachsen könne und dort wiederum nur an der Stelle hervorsprieße, an ,der die Erde vom Urin oder vom Sperma eines Gehängten benetzt wurde. Gleichzeitig wurde jedoch betont, daß nicht etwa das Getröpfel eines jeden hergelaufenen Galgenvogels die Kraft besäße, eine Alraune zu produzieren. Vielmehr mußte der Gehängte ein Mensch gewesen sein, den die Dänen als (wörtlich übersetzt) reinen Jüngling bezeichneten, was im Deutschen ungefähr mit Erzgauner wiederzugeben wäre; dieser Erzgauner hatte seine Diebesnatur schon im Mutterleib erworben und nie etwas anderes als Stehlen gekannt.(12)
Wie alles, was mit Verbrechen, Folter und Tod zu tun hat, rankt sich auch um eine Hinrichtungsstätte Rätsel und Entsetzen. Und so war es auch nicht unbedingt jedermanns Geschmack, sich zum Galgenhügel hinauszuwagen, um die Alraune aus demselben Erdreich auszugraben, das auch die faulenden Überreste von Schurken beherbergte, die entweder gehängt, geköpft oder auf dem Streckbrett zu Tode gefoltert worden waren. Den meisten Leuten, die in den Besitz einer Alraune gelangen wollten, wäre es wohl deshalb lieber gewesen, sie käuflich zu erwerben. Eine neue Mandragora kostete eine Menge Geld, was aber in Anbetracht ihrer Herkunft und der ihr zugeschriebenen Eigenschaften nicht weiter verwunderlich ist. Sie machte ihren Besitzer unverwundbar im Kampf und sicherte ihm absolute Treffsicherheit beim Gebrauch der Waffen. Sie befreite ihn von allen Leiden und erwies sich vor allem gegenüber jenen als besonders wirkungsvoll, die er auf dem Schlachtfeld der Liebe erobert hatte. Sie half ihm, verborgene Schätze zu entdecken, so daß er schnell reich wurde, bei seinen Mitmenschen hohes Ansehen genoß und erfolgreich in der Liebe war, da ja keine Frau der zwingenden Macht der Alraune widerstehen konnte.
Ein Glücksbringer, der all dies und noch mehr bewirken konnte, mußte natürlich mit der größtmöglichen Sorgfalt behandelt werden, andernfalls würde er wirkungslos oder sogar gefährlich. Der alte Haß gegen die Menschheit, aus der Gnade Gottes verdrängt worden zu sein, war ja immer noch in der Alraune wach. (Dieser Aberglaube schien auch völlig unbeeinflußt von der Tatsache weiterzuleben, daß die Mandragora der Galgenvögel wohl kaum viele Gemeinsamkeiten mit der des Gartens von Eden aufzuweisen hatte.) Eine neuerworbene, Mandragora sollte man zuerst in Wein baden und dann, in rote und weiße Seide gewickelt, mit einem schwarzen Samtumhang bedecken. Von nun an sollte sie an jedem Wochentag gebadet und gefüttert werden, wobei allerdings erhebliche Meinungsverschiedenheiten darüber bestanden, was die Mandragora zu essen bekommen sollte.
Die Mehrheit neigte zu der Ansicht, daß es genüge, wenn sie die Hostie bekäme, die man selbst, beim Gang zum Altar, absichtlich nicht hinuntergeschluckt hatte. Andere wiederum meinten, daß eine Portion Fastenspeichel genau das sei, was die Mandragora am liebsten mochte; das gebildete Volk wiederum beharrte auf der Ansicht, daß sie vor allem mit der roten Paradieserde gefüttert werden müsse, der ja sie selbst, ebenso wie ,wir und die gesamte Vielfalt der Schöpfung entstamme. Diese Auffassung ist jedoch wohl schwerlich in Einklang damit zu bringen, daß die Alchimisten des Mittelalters gerade deshalb so versessen auf die Alraune waren, weil angeblich nur sie diese einzigartige Erde enthielt, die sie bei der Herstellung des Steines des Weisen dringend als Katalysator benötigten.
Manchmal kam es vor, daß eine Drachenpuppe ihres Besitzers überdrüssig wurde, ganz gleich wie gut er sie behandelt hatte. In einem solchen Fall hörte sie einfach auf zu funktionieren, und dann war es besser, sie auf der Stelle zu verkaufen, weil sie sonst bösartig wurde und Unglück hervorrief. Darüber hinaus mußte wohl auch jedem, der sich eine Mandragora hielt, mit der Zeit unbehaglich zumute werden, da es ja eine gefährliche Sache ist, sich mehr Glück angeeignet zu haben, als einem eigentlich zusteht. Es bedeutet eine Sünde, weil es anderen notgedrungen Leid zufügen muß, da nur eine ganz bestimmte konstante Summe an Glück und Zufriedenheit in der Welt existiert: wen man sich also einer zuviel davon nimmt, wird ein anderer zuwenig davon haben. Eine Alraune wieder loszuwerden, konnte zu einem schwierigen Unterfangen ausarten, vor allem, wenn sie alt war und schon vielen Herren gedient hatte. Ihr ging es dabei wie Cyprianus - sie konnte nicht einfach weggegeben werden, sondern nur weit unter dem ursprünglichen Einkaufspreis wiederverkauft werden. Wenn ihr Preis dann bis zum Wert des geringsten Geldstückes, das im Reich existierte, gefallen war und kein neuer Käufer mehr für sie zu finden war, dann mußte sie, wenn ihr Besitzer verstarb, mit ihm ins Grab steigen. Am Tage des Jüngsten Gerichts würde sie dann Seite an Seite mit ihrem Besitzer vor Gott stehen und ihren Anteil am ewigen Leben fordern.
Auf dem Höhepunkt des Alraunen-Glaubens im 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurden allmählich mehr und mehr Zweifel daran laut. John Gerard (1547-1607), dessen Kräuterbuch 1597 erschien, reibt seinen Lesern mit deutlicher Mißbilligung verschiedene abergläubische Ansichten über die Alraune unter die Nase und schließt mit der folgenden Ermahnung:
Dergleichen Träume und Altweibergeschichten sollt ihr fortan aus euren Büchern und eurer Erinnerung verbannen; denn so erfahret hiermit, daß deren alle und jeder einzelne Teil von ihnen falsch und höchst lügenhaft ist: denn ich selbst habe zusammen mit meinen Bediensteten viele ausgegraben, gepflanzt und verpflanzt und konnte dennoch niemals der Gestalt eines Mannes oder eines Weibes darin ansichtig werden, sondern sah eine Wurzel, die manchmal aus einem einzigen geraden Stück bestand, manchmal aus zweien und des öfteren sechs oder sieben Nebenwurzeln von der Hauptwurzel abzweigend, eben so wie es die Laune der Natur auch anderen Pflanzen zu bescheren pflegt. Indessen haben faule Müßiggänger, die nichts oder wenig anders tun, als Speis und Trank zu frönen, ein gut Teil ihrer Zeit dem Schnitzen der Zaunrübe gewidmet, der sie die Gestalt von Mann und Weib gaben: dieselbig trügerische Handlung begründet nun den falschen Glauben in dem einfach' und ungebildet' Volke, das jene dann beim Wort genommen und die Wurzel für ein echt' Alraun gehalten.(13)
Gerard war nicht der erste, der Einspruch erhob. Er bezieht sich auf Dr. William Turner, der schon 1551 im ersten Teil seines Kräuterbuches etwas Ähnliches gesagt hatte, außerdem war die menschliche Gestalt der AIraune schon 1526 in The grete herball in Abrede gestellt worden.(14) Aber drei englische Schwalben machen anscheinend immer noch keinen dänischen Sommer, und so war der Alraunen- Glaube in Dänemark (15) bis ins 18. Jahrhundert hinein fest verankert, als der Zyniker Holberg in seinem Hexene eller blinde Alarm? Apelone erklären läßt, daß wenn ein Hexenmeister einen Sohn zeugt, dann wird dieser die Gestalt einer Drachenpuppe annehmen, die später für die Mutter Geld herbeischaffen wird. Aber erst mit der Einführung der allgemeinen Schulpflicht begann der Glaube an die Alraunen-Sage allmählich auszusterben. Da und dort hält er sich noch bis zum heutigen Tage. Erst vor einigen Jahren übertrug das dänische Fernsehen ein Interview mit einem alten Mann aus Süd-Jütland, der todernst behauptete, daß einer seiner Nachbarn böse Zaubereien praktiziere und sogar so weit ginge, seine Alraune auf Leute anzusetzen, die er nicht leiden könne.
Es ist nicht sicher, ob die Mandragora je von dänischen Hexen angebaut wurde, jedoch wurden in Mittel-und Südeuropa sowohl ihre Früchte als auch ihre Wurzeln in Aphrodisiaka und Flugsalben verwendet. Es bestehen auch Zweifel, ob die Hexen des Südens immer wußten, daß dieDrachen-Puppe der Galgenhügel identisch war mit dieser wunderschönen kleinen Pflanze, die sie da gerade in Gebrauch hatten. In Dänemark gedeiht die Pflanze nur, wenn man ihr beim Anbau sehr viel Sorgfalt zukommen läßt. Die Samen sät man kurz nach der Beerenreife in leichen Sandboden. Ungefähr im August verpflanzt man dann die Pflanzen vorsichtig an einen geschützten, sonnigen und trockenen Ort, der im Herbst leicht mit Tannenzweigen abgedeckt wird. Was die Drachenpuppe anbelangt, so überlebt diese nur in der Comic-strip-Figur Mandrake, einer Schöpfung des amerikanischen Journalisten Lee Falk. Falks Mandrake ist ein mächtiger Zauberer, der seit 1934, dem Beginn der Serie, mir Narda, einer hübschen, aber naiven Blondine verlobt ist. Ihre Beziehung hat bis jetzt noch keine Früchte getragen.
Die Mandragora ist eine mehrjährige, stammlose Pflanze, die eine Höhe von 35 cm erreicht. Sie hat kurzgestielte, längliche-eiförmige, gezähnte Blätter. Die fleischige Wurzel wird bis zu 60 cm lang. Im Frühling erscheinen einzelne kleine, glockenförmige, weiße bis blauweiße gestielte Blüten. Daraus bilden sich die zuerst grünen dann gelbe bis orange kugelige Beeren-Früchte. Diese haben ein Durchmesser von 2-4 cm. Die Früchte haben im Reifezustand einen sehr aromatischen angenehmen Geruch. Während der Reifung der Früchte fangen die Blätter bereits an zu verwelken. In den Wintermonaten ist von der Alraune oberirdisch nichts zu sehen.
Vorkommen
Die Alraune wächst vor allem auf steinigen Hängen im östlichen Mittelmeergebiet. Aber sie ist auch in Nordafrika, im Nahen Osten und bis zum Himalaya anzutreffen.
Geschichte
Seit dem Altertum ist die Alraune eine der wichtigsten Pflanzen für Hexenkünste und Magie. Ausserdem gehört sie zu den ältesten Arzneipflanzen überhaupt. Sie wird bereits im Alten Testament und in assyrischen Keilschrifttafeln erwähnt. Auch im Papyrus Ebers, der Heilschrift der alten Ägypter, werden zahlreiche Rezepte mit der Alraunenwurzel beschrieben. Dieses Papyrus Ebers entstand ca. 1700 v.Chr. Ausserdem war sie ein wichtiges Aphrodisiakum und Heilmittel gegen Unfruchtbarkeit. Wegen ihres Aussehen und der menschenähnlichen Form der Wurzel rankten sich allerlei Sagen um sie. Eine Sage besagt das wer eine Alraunenwurzel ausgräbt von den schrillen Schreien der Wurzel verrückt oder getötet wird. Deshalb waren für das Ausgraben eine Menge Vorsichtsmaßnahmen und Rituale notwendig. Eines besagt das man die Alraunenwurzel mit Hilfe eines schwarzen Hundes aus den Boden ziehen muss.
Drogen und Inhaltsstoffe
Die Droge der Alraune ist der Wurzelstock dieser wird als Mandragorae radix oder auch Radix Mandragorae bezeichnet. Sie enthält bis zu 0,6 % Alkaloide wie Atropin, Cuskhygrin, Hyoscyamin, Mandragorin, Scopolamin und Solandrin. Hyoscyamin und Scopolamin sind die Hauptbestandteile.
Eigenschaften und Wirkungen
Die Wurzel der Alraune wirkt stark beruhigend bis berauschend und halluzinogen. Die Halluzinationen können von einem trance ähnlichen Schlaf begleitet werden. Ausserdem hat sie eine schmerstillende und abführende Wirkung.
VORSICHT!! Die Alraune ist giftig !!
Bei hoher Überdosierung kann Tod durch Atemlähmung verursacht werden. Bei häufiger Anwendung innerhalb kurzer Zeiträume können bereits geringe Mengen eine größere Wirkung wie erwartet verursachen. Da der Wirkstoffgehalt stark schwanken kann sollte vorsichtig dosiert werden. Andere Nebenwirkungen sind Brechreiz, Übelkeit, stark erweitere Pupillen, Mundtrockenheit und eine Erhöhung des Herzschags.
Verwendung
Früher wurde die Alraune medizinisch als Schmerzmittel oder auch zur Betäubung bei Operationen verwendet. Ausserdem zur Behandlung von nervösen Beschwerden. Heute wird sie ausser in der Homöopathie kaum noch medizinisch oder volksmedizinisch genutzt. In der Homöopathie wird sie unter Anderem bei Blasenkrampf, Schlaflosigkeit und Schüttelähmung eingesetzt. Ausserdem erfolgreich bei der Rheuma-Behandlung. Die Wurzel dient auch als Glücksbringer und ist Bestandeil von magischen Ritualen. Sie ist Bestandteil verschiedener Hexen- und Flugsalben. Dazu wurden verschiedene Pflanzen mit Schmalz ausgekocht. Ausserdem ist sie eines der Hauptbestandteile von halluzinogen Hexengebräuen. Aus der Wurzel wurden früher auch Figuren geschnitzt, die dann wie Puppen gekleidet wurden und Glück bringen sollten.
Zubereitung
Zum Verräuchern.
Teebereitung mit einem halben Teelöffel der gemahlenen Wurzel auf ein halben Liter Wasser. Die Alraune kann auch zum Würzen von Bier und Weinansätzen verwendet werden. Dazu ungefähr 25g gemahlenener Wurzel über mehrere Wochen in einer Flasche Wein einlegen. Von diesem Alraunwein sollte man dann maximal 50 bis100 ml trinken.
Die Blätter oder die Wurzel kann geraucht werden..
VORSICHT bei der Dosierung! Der Wirkstoffgehalt kann wie bei allen Pflanzen stark schwanken!
Wohl die meisten und sicherlich auch die schauerlichsten Geschichten tanken sich um die Alraune - die Mandragora. Sie ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich um eine Pflanze eine geheimnisvolle Aura entwickelte. Die Legenden über diese lebens- und gleichzeitig todbringende Pflanze haben sich bis in unsere Zeit gehalten und boten Stoff für zahlreiche Bücher und Filme.
Die Alraune, deren Wurzel mit viel Fantasie dem Körper eines Menschen ähnlich sieht, galt zeitweise als die mächtigste und gefährlichste aller Zauberpflanzen. Schon in den Kulturen der alten Ägypter und Perser war sie als Aphrodisiakum hoch geschätzt. Archäologen fanden sie als Grabbeigabe in den Pyramiden der Pharaonen von Ägypten. Auch in der Bibel ist sie beschrieben und der griechische Arzt Theophrast erklärte sie im vierten Jahrhundert v. Chr. zu einer ganz besonderen Pflanze, die sowohl in Liebesdingen wie auch als Schlafmittel eingesetzt werden kann.
Gefährliche Ernte
Standen in frühen Zeiten die medizinischen Wirkkräfte der Wurzel im Mittelpunkt, wurde sie in späteren Jahrhunderten mehr und mehr dämonisiert. Besonders geheimnisumwittert war die Ernte der Pflanze mit den menschlichen Zügen. Man glaubte, sie zöge sich zurück, sobald sich jemand an ihr zu schaffen mache. Viele >>Kundige<< rieten dringend davon ab, selbst Hand an die gefährlich Wurzel zu legen, da die Berührung mit Lebensgefahr verbunden sei. Um ohne Schaden in den Besitz der Alraune zu gelangen, gab es zahlreiche, heute skurril anmutende >>Ernteanleitungen<<. So konnte man z.B. die Pflanze durch Übergießen mit Urin oder Menstruationsblut überlisten. Eine andere Methode an die begehrte Pflanze zu gelangen, war, sie bis auf ein Stück vorsichtig auszugraben und dann einen Hund an die Wurzel festzubinden. Sobald sich dieser entfernte, an der Wurzel zerrte und sie heraus riss, würde sie einen todbringenden Schrei ausstoßen, aber >>nur<< den Hund damit treffen. Die Menschen nahmen all diese Mühen und Risiken auf sich, da die Alraune angeblich vermochte, Dämonen aus besessenen Menschen zu vertreiben. Eine andere Geschichte erzählt, dass die Alraune ein Entwurf gewesen sei, den Gott von den Menschen gemacht, aber wieder verworfen hätte, als er Adam erschuf. Es wurde behauptet, die Zauberpflanze wachse nur am Fuße eines Galgens, wenn die Erde dort mit Urin oder Sperma eines unschuldig Erhängten in Kontakt gekommen sei.
Machtvolle Wurzel
Unerschwinglich teuer wurde die Alraune, als man ihr die Eigenschaft andichtete, ihren Besitzer unverwundbar, zu einem perfekten Kämpfer, frei von körperlichen Beschwerden, wohlhabend und unwiderstehlich in Liebesdingen zu machen. Dementsprechend sorgsam und aufwändig waren auch die Anweisungen für ihre Behandlung. Entscheidend war die richtige Lage sowie die passende >>Ernährung<< der Alraune. Eine Unzahl von faszinierenden und gleichzeitig absurden Mythen rankt sich um die Mandragora. Viele davon haben sich bis ins 18. Jahrhundert gehalten. Heinrich Heine (1797-1856) etwa hat sich in >>Die romantische Schule<< wie folgt verewigt:
>>Diese Wurzel wächst unter dem Galgen, wo die zweideutigsten Tränen eines Gehängten geflossen sind. Sie gab einen entsetzlichen Schrei, als die schöne Isabella sie dort um Mitternacht aus dem Boden gerissen. Sie sah aus wie ein Zwerg, nur dass sie weder Augen, Mund noch Ohren hatte. Das liebe Mädchen pflanzte ihr ins Gesicht zwei schwarze Wacholderkerne und eine rote Hagebutte, woraus Augen und Mund entstanden. Nachher streute sie dem Männlein auch ein bisschen Hirse auf dem Kopf, welches als Haar, aber etwas struppig, in die Höhe wuchs. Sie wiegte das Missgeschöpf in ihren weißen Armen, wenn es wie ein Kind greinte; mit ihren holdseligen Rosenlippen küsste sie ihm das Hagebuttmaul ganz schief...<<
Die berühmteste aller Zauberpflanzen ist die Alraune, deren Wurzel recht deutlich eine Menschengestalt erkennen läßt. Diese Eigenschaft war der Anlaß, dieser Pflanze viele magische Eigenschaften zuzuweisen.
Keinem anderen Gewächs wurde so viel Interesse und Beachtung geschenkt. Das liegt wohl auch daran, daß man sie im Laufe der Zeit in Volkserzählungen mit so viel Mysterium umgab, daß sie mehr und mehr nicht nur für die mächtigste, sondern auch für die gefährlichste aller Zauberpflanzen gehalten wurde.
Sie war ein sehr wirksamer Bestandteil von Hexensalben und -tränken. Man glaubt, daß die Hl. Johanna von Orleons ihre Siege über die Engländer einem Alraunenmännchen verdankte; auch Wallenstein, der große Kriegsheld, soll im Besitz eines solchen gewesen sein. Da stehen sie umher und staunen, vertrauen nicht dem hohen Fund; der eine faselt von Alraunen, Der andre von dem schwarzen Hund (aus: Johann Wolfgang von Goethe, Faust)
Alraunenmännchen waren äußerst schwer zu beschaffen. Wer sie mit bloßen Händen plückte, starb oder wurde verflucht, daher mußte die Wurzel von einem Hund ausgegraben werden! Beim Ausgraben der Wurzel stieß die Pflanze angeblich einen Schrei aus, der alle hörenden in den Wahnsinn trieb. Angeblich wuchs sie dort, wo Menschen gehängt wurden. Dieser kostbare Schatz wurde mit einem Hemd bekleidet in mit Samt und Siede ausgeschlagenen Kästchen aufbewahrt! Stets vererbte der Vater das kostbare Stück dem Sohn, der ihm dafür ein Stück Brot und ein Geldstück in den Sarg legen mußte.
Warum so ein Aufwand? Die Alraune verhalf dem glücklichen Besitzer angeblich zu Geld und Ehren, heilte (schon seit der Antike) Krankheiten, galt als potenzsteigerndes Mittel, half Frauen bei der Geburt, und schützte das Vieh vor dem Verhexen. Als Amulett getragen, half sie gegen Zauber und bei Verwundungen aller Art.
Sie ist eine der ältesten Arzneipflanzen. Im volkstümlichen Gebrauch wurde eine Tinktur aus Mandragorae radix gegen Magengeschwüre, Koliken, Asthma, Heufieber und Keuchhusten verwendet. Die schmerzstillende Substanz Scopolanum der Alraune wurde selbst vor gar nicht allzulanger Zeit noch vor allem in angelsächsischen Ländern zur Narkosevorbereitung eingesetzt.
Bei soviel Wunderkraft ist es kein Wunder, daß manch einer sein Geld machte, indem er falsche Alraunen verkaufte - häufig Zaunrüben, Siegwurz oder gelbe Rübenwurzeln!
In der von Harry-Potter-Welt ist die Alraune eine Zaubertrankpflanze die, wenn ihre komplizierte Zucht gelingt, gegen böse Zauber wirkt. Herz - Symbol fuer Liebespflanzen Die Früchte der Alraune waren der Liebesgöttin Aphrodite geweiht, die deshalb auch den Beinamen "Mandragoritis, Göttin der Alraune" trug. In der biblischen Erzählung hat das hebräische Wort, das wir mit Alraun übersetzen, die gleiche sprachliche Wurzel wie „lieben“. Daher wird der Alraune auch im Englischen als Liebesapfel genannt. Die Araber bezeichneten sie als Teufelsäpfel oder Satansfrucht, da sie die Begierde, die sie angeblich weckte, für böse hielten.
Nach Plimius d. Ä. war es die Alraunenwurzel, die Phaon trug, zu verdanken, daß Sappho sich in ihn verliebte.
Hildegard v. Bingen beschreibt ausführlich die magischen, angeblich die Erotik stimulierenden Kräfte, die sie mit Einfluß des Teufels in Zusammenhang bringt.
Nach alten Volksglauben soll die Frucht der Alraune, als Liebesapfel bezeichnet, einen Mann verleiten, ich zu verlieben, wenn man ihm diese an St. Agnes-Abend (20.1.) überreicht.
Als Rauchwerk (Blätter) ist die Alraune stark enthemmend.
Mandragora officinarum Samen
Machiavelli, der italienische Staatsmann und Schriftsteller (1469 - 1527) schrieb eine ebenso anstößige wie heitere Komödie "Mandragora", in der die Alraunwurzel und ihre damalige Rolle im Leben der Völker ihre Rolle hat. Shakespeare erwähnte die Alraune in einigen seienr Stücke...
Die klügsten Waldgeister sind die Alräunchen, langbärtige Männchen mit kurzen Beinen, Ein fingerlanges Greisengeschlecht. Woher sie stammen, man weiß es nicht recht, (Heinrich Heine, Waldeinsamkeit)