„Man gelangt durch eben die Dinge in den Himmel, die auch in die Hölle führen können“ Kularnava Tantra
Vorwort: Obwohl noch sehr jung, zeigt die Bewegung der Chaosmagick bereits heute bemerkenswerte Fortschritte in Hinblick auf die pragmatische Magie, losgelöst von den dogmenbehafteten Vorstellungen mittelalterlicher Orden, welche auch heute noch bestehen und verzweifelt versuchen das neue Äon, das Äon völliger Freiheit aufzuhalten, oder sich gegebenenfalls anzupassen, was bei der veralteten Symbolik, sowie der Weltsicht keine Aussicht auf Erfolg haben dürfte.
Immer noch wird versucht die am Okkulten Interessierten mit massentauglichen Theorien von Welten voller Dämonen zu ködern, dabei wird die Magie zum Mysterium, welches nur durch totale Ergebenheit seinen Ranghöheren gegenüber ergründet werden kann. Selbst in diesen Zeiten, in denen wir den Wissenschaften hinterherhinken, erachten es viele Logen nicht für nötig, ihre Regeln in Einklang mit den Regeln der Naturwissenschaften zu bringen. In dunklen Kammern, umgeben von schwarzen Kerzen werden da Rituale abgehalten, wie sie schon seit Jahrhunderten gängig sind. Sich mit der Symbolik vergangener Zeiten zu identifizieren fällt jedoch ungleich schwerer und macht die Notwendigkeit eines zeitgemäßen, ja sogar von dem Wandel der Zeit - und damit der Gebräuche - unabhängig praktizierbaren Magiesystems deutlich. Hierbei stellt die Chaosmagick eine fortschrittliche Alternative zu gängigen Systemen dar. Jeder, der an einer magischen Laufbahn interessiert ist, auch wenn man bisher andere Systeme bevorzugt haben mag, wird sich mit dem System der Chaosmagick identifizieren können, denn was hier betrieben wird, ist kompromisslose Magie, deren Symbole aus dem Praktizierenden selbst kommen und keinerlei vorgefertigten Schablonen entnommen sind. Und selbst, wer auf den Gebrauch von Magie gänzlich verzichten möchte, wird eine ausgereiftes philosophisches System vorfinden, das jeden auf seinem Weg der Selbsterkenntnis einhergehen mit der Selbstbefreiung ein gutes Stück weiterbringen kann.
Auf die Details und die Vorteile soll in folgendem Artikel eingegangen werden, wobei wir uns nicht nur mit der Magie an sich, sondern auch mit dem Weltbild und dem Lebensweg eines Chaosmagiers auseinandersetzen wollen. Bewußt außen vorgelassen wurde der historische Teil, wie die Geschichte des IOT[1] (Illuminates of Thanateros), oder das Leben einzelner Persönlichkeiten wie Pete Carroll[2]. Die Gründe hierfür sind einerseits, dass die Chaosmagick und seine Anhänger aktiv erst seit den 70´er Jahren als Gemeinschaft bestehen und andererseits wollen wir uns nicht mit einem Personenkult aufhalten, sondern die Essenz dieser Gemeinschaften, den Grund für ihr Bestehen beleuchten.
Diese Artikelreihe wird für die Interessierten geschrieben, die bisher nur wenig Kontakt mit dem Phänomen der Chaosmagick hatten, jeglicher Fachterminus wird ausführlich beschrieben, so dass Verständnisprobleme nicht auftauchen dürften.
1.Teil: Das Weltbild der Chaosmagick
Um das Weltbild des Chaos verstehen zu können muss man sich darüber klar werden, dass die Chaosmagick keine Religion im herkömmlichen Sinne monotheistischer Institutionen wie das Christentum oder gar einer polytheistischen Glaubensgemeinschaft gemäß der des alten Roms, ist. Im Vordergrund steht keine göttliche, spirituelle Macht, nach deren Weisheiten man sein Leben ausrichten müsste, ebensowenig glaubt man an eine höhere Macht, die einem ein Ziel vorgibt, welches zu erreichen den einzigen Weg zur Erleuchtung darstellt. Man lehnt die Unterwerfung vor jeglichen Mächten gänzlich ab, nicht nur in spiritueller Form, sondern auch in den Orden des Chaos, wie dem IOT, werden Grade nicht als Vormachtstellung missbraucht, sondern sind ein direkter Spiegel der magischen Fähigkeiten jedes Einzelnen.
Um bei der Ordensstruktur zu bleiben: wer denkt, es handle sich beim IOT um eine Sekte, der irrt gewaltig. Da das höchste Ziel, die freie Entfaltung des Individuums gilt, sind die Strukturen im IOT auch auf ein, zur Verwaltung notwendiges Minimum beschränkt, Offenheit wird großgeschrieben und das Einzige, was verschwiegen werden darf, ist die Identität der eigenen Person. "Die höchste Form der Forderung, die ein Mitglied dem anderen stellen kann, ist die Bitte". Ich denke dieser Leitsatz des IOT spricht für sich selbst...
Das Chaos: Die Definition des Chaos in Hinblick auf die Realität dürfte den meisten als ein Zustand völliger Unordnung bekannt sein. Man stellt sich darunter eine völlig willkürliche Anordnung von Materie vor - strukturlos, sich jeder Kategorisierung durch Attribute wie Form, Farbe, Aggregatzustand und Dichte entziehend. Anderen ist der Begriff "Chaos" auch als ein Zustand der Materie bekannt, deren einzelne Bestandteile durchaus beschrieben werden können, deren Anordnung als Gesamtheit jedoch abermals völlig willkürlich ohne jeden Sinn und Zweck zu bestehen scheint.
Beide Sichtweisen liegen teilweise richtig, wenn wir diese Definitionen auf das Weltbild der Chaosmagick übertragen. Jedoch müssen einige wichtige Unterschiede gemacht werden. Das Chaos ist die Urkraft, eine nicht zu beschreibende Masse, weder Energie, noch Materie, eine Verbindung aus allem und dies völlig willkürlich, das Produkt aller Möglichkeiten, die jemals existiert Haben und existieren werden.
Viele Menschen, die einmal in Berührung mit dem reinen Chaos kamen, beschreiben dieses als "Gott", geben diesem oft auch irrtümlicherweise menschliche Züge, bzw. Emotionen, was jedoch falsch ist, da das Chaos sich jeglicher von Menschen begreifbarer Definition entzieht, und von unserem Standpunkt aus wohl als "neutrale Kraft" bewertet werden kann.
Bereits Ovid[3] beschreibt in seinem Werk "Metamorphosen" wie die Erde aus der Urkraft, dem Chaos geformt wurde . Die Chaosmagick macht hier einen kleinen aber wichtigen Unterschied. Während nach der Definition des Ovid, das Chaos alles geschaffen hat, was existiert, so ist es der kleine Splitter ursprünglicher Chaoskraft, der in jedem Lebewesen als Seele innewohnt, welcher der Existenz das Leben einhauchte. Somit ist die Welt, wie wir sie kennen nicht völlig losgelöst vom Chaos, sondern nur ein Spiegel, durch den wir uns selbst betrachten. Da unser Fassungsvermögen leider sehr begrenzt ist, musste eine materielle Welt geschaffen werden um unser Bewusstsein nicht zu überfordern. Die Welt, wie wir sie kennen ist also nur eine Illusion, geschaffen von unserem Kia[4]. Ob es der Zufall war, der diese Insel der Materie aus dem Chaos hervorbrachte wird wohl nie geklärt werden, dann dazu müsste man das Chaos erklären können, es verstehen, definitionsgemäß eine unmögliche Aufgabe.
Magie vs. Naturwissenschaften: Frühere magische Systeme wussten meist um den Umstand, dass sie in einer Zeit geboren wurden, in der viele Vorgänge der Natur nicht geklärt waren, Aberglaube herrschte vor und machte es leicht diese Vorgänge magisch zu erklären, wobei die Magie hier nicht als beweisbare Wissenschaft angesehen wurde, sondern als mystische Kunst, die einigen wenigen Auserwählten zustand. Damalige Meister hatten es leicht ihren Neophyten Systeme aufzutischen, die sie selbst nicht erklären Warum folgten damalige Jünger dann ihren Meistern, trotz offensichtlicher Mängel und Widersprüche?
Wie wir es heute noch vom Christentum kennen, wurden damalige Lehren äußerst dogmatisch ,d.h. als die einzig geltende Wahrheit dargestellt. Aufgrund der Gefahr, von den Mitgliedern der eigenen Gruppe verstoßen zu werden, wagten es nur wenige Persönlichkeiten, Zweifel an dogmatischen Lehren und Leitsätzen zu äußern (z.B. Gallilei). Die meisten Menschen nahmen einfach den Umstand hin, dass Dinge, die augenscheinlich nicht erklärbar waren, nur dem Geist weniger Auserwählter verständlich waren. Dies proklamierten auch damalige Magier, wobei man, wie im Christentum einen Schein von Allwissenheit aufrecht zu erhalten versuchte. Die Vorteile in diesem Vorgehen lagen auf der Hand: Wer gewisse Vorgänge und Phänomene nicht verstand, der war entweder zu dumm, oder nicht dazu auserwählt, die Geheimnisse des Göttlichen zu ergründen (Methodik des Christentums). Während man in der Kirche nun einfach nicht auserwählt war, versuchte man durch harte Arbeit sein Seelenheil zu erkaufen. Die Magie gab dem einfachen Mann, zuerst jedoch nur dem Gelehrten, die Möglichkeit aus diesem „gottgewollten“ Zustand zu entfliehen und sich durch allerlei Rituale zu einem Illuminaten[5] zu machen. Da die Magier den einfachen Menschen auch wirklich als allwissend erschienen, hatte man keinen Zweifel daran, dass das Beschreiten desselben Weges, den der Magier angeblich beschritten hatte, auch denselben Grad an „Erleuchtung“ herbeiführen würde.
Aus heutiger Sicht muss zugegeben werden, dass eben dieser blinde Glaube auch für den damaligen Erfolg praktizierender Magier verantwortlich war. Es gab einfach keinen Zweifel an den Worten der Meister, man akzeptierte widerspruchslos alle Dogmen und hatte damit einen vorzüglich funktionierenden Weg gefunden den sogenannten "psychischen Zensor" zu umgehen. Heutige magische Systeme haben mit der Schwierigkeit zu kämpfen, dass die Naturwissenschaften vieles erklärt haben, übersinnliche Phänomene können gar nicht stattfinden, die Regeln der Wissenschaften lassen dies – auf den ersten Blick - einfach nicht zu. Allerdings muss hier auch erwähnt werden das man in jüngster Zeit erhebliche Fortschritte machte, und auch die Wissenschaften das Funktionieren der Magie nicht mehr völlig abstreiten können.
Ein Beispiel hierfür ist die Relativitätstheorie, nach der hochverdichtete Energie gleich Masse - und somit Materie - ist, was das Funktionieren von in Gnosis[6] gebündelten Willenssätzen, oder einfach Zaubersprüchen erklären könnte. Allerdings bestehen auch heute noch unübersehbare Diskrepanzen zwischen dem magischen und dem naturwissenschaftlichen Weltbild. Beide beanspruchen die Wahrheit für sich, und es ist nicht abwegig, wenn man davon ausgeht, dass beide Sichten mit ihrem Weltbild recht haben. Woran mag es liegen, dass zwei sich widersprechende Wahrheiten existieren? Diese Komplementrarität tauchte zum ersten Mal im Welle - Teilchen - Dualismus auf. Elektronen haben die Eigenschaft Welle und Teilchen zugleich zu sein. Die daraus entstandene Quantenmechanik vereinigt diese Widersprüche, hebt sie jedoch nicht auf. Folgerichtig kann man annehmen, dass nicht nur hier zwei Wahrheiten existieren, auch das Prinzip Geist - Körper vereinigt zwei Wahrheiten, hebt ihre Gegensätze jedoch nicht auf.
Es sollte und muss Ziel moderner magischer Systeme sein, Widersprüche zu vereinen oder gänzlich aufzuheben, um ein Gelingen der Magie überhaupt möglich zu machen. "Magie ist die Wissenschaft und die Kunst, Wechsel in Übereinstimmung mit dem Willen zu bewirken". Crowley[7] formulierte mit diesem Satz absolut zutreffend das Wirkungsprinzip der Magie. Soll ein magisches Experiment gelingen, so muss der Probant jeglichen Zweifel an seinem Gelingen ausschalten. Dies wird um so schwieriger je mehr Widersprüche zwischen dem in der Schule gelehrten naturwissenschaftlichen Weltbild und dem magischen Weltbild zu Zweifeln führen und den Willen zu einem gescheiterten Wunsch verkommen lassen.
Der IOT und alle verwandten chaosmagischen Gruppen haben sich dieser schwierigen Aufgabe angenommen, Schritt für Schritt sollen Widersprüche beseitigt werden. Das Endziel dem man sich nähern muss ist eine völlige Integrierung der Magie in den Alltag, eine Verständlichkeit der Magie, wie sie heute beispielsweise der Schwerkraft eigen ist.
Paradigmata: Wenn man einen versierten Chaosmagier nach seiner Religion, seiner Weltsicht und seiner Berufung fragt, so wird man vermutlich alle Antworten bekommen, die man sich vorstellen kann. Trifft man ihn ein par Jahre später, so ist es nahezu unmöglich dieselbe Antwort wie letztes Mal zu erhalten. Das Chaos ist nicht begreifbar, ohne Form, und so wird sich auch jeder Chaosmagier dagegen sträuben in gesellschaftliche, religiöse oder politische Formen gezwängt zu werden. Von Zeit zu Zeit kann man sich dazu entschließen eine bestimmte Einstellung anzunehmen, um deren Beweggründe zu verstehen, seine Vor- und Nachteile auszuloten. Spätestens nach einigen Jahren jedoch wird wieder auf eine andere Weltsicht umgeschaltet, denn in der begrenzten Zeit, die man in einer Inkarnation hat, werden möglichst viele Perspektiven versucht zu erforschen. Dies kann einem bei der nächsten Reinkarnation durchaus von Hilfe sein, weil es, profan formuliert, die Zeit spart, die damit verschwendet wird, immer gleiche Fehler, zweimal zu machen. Dieses oft amüsante Spiel nennt man in chaoistischen Kreisen "Paradigmenwechsel" und dieser ist auch die einzige Definition, die man über die Weltsicht eines Chaosmagiers treffen könnte. Das Ziel dieser Paradigmenwechsel ist es, völlig losgelöst von jedweden Dogmen arbeiten zu können, man hat die größte Möglichkeit zur absoluten Freiheit, wenn man sich selbst auf nichts versteift. So ist diese Einstellung der magischen Arbeit nur von Vorteil, denn man muss keine Regeln und keine Grenzen beachten, die man hätte, würde man einer bestimmten Sicht der Dinge nachlaufen. Diese völlige Freiheit lässt sich, kurzgefasst, darin erklären, dass man zu gegebenem Anlass das Paradigmata wählt, welches einem zum Erreichen seiner Ziele am geeignetsten scheint, danach wird es wieder verworfen und durch ein anderes ersetzt, welches den nachfolgenden Zielen zuträglich ist. "Nichts ist wahr, alles ist möglich!", so lautet der Grundsatz der Chaosmagick, es gibt keine Diskussionen über richtig oder falsch, nur das Ergebnis zählt, und dabei ist es egal, mit welchen Mitteln es erreicht wurde.
Lachen über das Absurdum "Welt": Ein wesentlicher Bestandteil des chaoistischen Weltbildes ist das Lachen in Verbindung mit dem Sarkasmus und dem Zynismus. Die ganze Welt wird als eine einzige Absurdität verstanden, und egal welches Weltbild man sich ansieht wird einem nach längerer Betrachtung bewusst, wie absurd und unverständlich diese Sicht doch ist. Man lacht über alles, denn das Lachen ist die einzige Emotion, die keinen dualistischen Gegensatz hat, wie die Trauer in Verbindung mit der Freude. Nun könnte man dagegenhalten, dass das Weinen der Gegensatz des Lachens ist, doch das Weinen stellt nur eine unterentwickelte Form des Lachens dar, die Säuglingen dazu dient Hilfe zu rufen. Ist man sich über die Absurdität des Universums und seiner Bewohner bewusst geworden, gibt es keinen Grund mehr zu weinen, man kann über alle Dinge lachen, alles ist belustigend denn das Universum ist der einzige Witz, der sich selbst erzählt. Ein strebsamer Chaosmagier wird versuchen in jeder Lebenslage zu lachen, anfangs mag so mancher Versuch gequält und wie Selbstbetrug wirken, doch kann ich jedem versichern, dass diese Einstellung mit der Zeit zu größerer Befreiung führt als ständig kindliche Schutzmechanismen zu verwenden.
Um es esoterisch zu formulieren: Wer negativ denkt, der wird auch negative Eigenschaften anziehen, er manipuliert die Wahrscheinlichkeit zugunsten von destruktiven Erfahrungen. Das Weinen dürfte unumstritten zu dieser Kategorie gehören. Wer nun über alles belustigt ist, sozusagen „über den Dingen steht“ der wird auch die Möglichkeit haben, sich nicht in selbstzerstörerische Impulse menschlicher Gefühlsabgründe zu stürzen, sondern alles von einem distanzierten Punkt aus zu betrachten, die Dinge somit überblicken zu können, seit jeher Voraussetzung für konstruktive Verhaltensmuster.
Kia: Der Begriff „Dualität“ dürfte wohl jedem geläufig sein. Es gibt das Gute nur, weil es auf der anderen Seite das Böse gibt, Freude und Leid, Liebe und Hass, nicht zuletzt auch Leben und Tod. Der denkende Verstand hat die Eigenschaft, alles, was ihm widerfährt, in zwei Seiten zu zersplittern, da sein eigenes Wesen dualistisch ist. Ebenso scheint es mit Wille und Wahrnehmung zu sein. Wer etwas wahrnimmt, der mag diese Realität gar nicht wahrnehmen wollen, und wer etwas wahrnehmen will, der kann keine Garantie gegeben werden, das er dies auch wahrnehmen wird. Und genau hier scheidet sich die Definition in das alltägliche „wollen“, welches einem Wunsch näher kommt, und den „magischen Willen“ der eine Tatsache als unumstößlich betrachtet, keine Zweifel an ihrem Bestehen hat und Erfolgsgeheimnis jedes gelungenen Zaubers ist. „KIA“, wie es in Magierkreisen genannt wird, vereinigt die beiden Begriffe „Wille“ und „Wahrnehmung“. Andere Bezeichnungen für Kia sind sowohl Geist, als auch Seele. Da das Kia Bestandteil des Chaos ist, und dem Verstand somit keinen Anker der Definition gibt, nach welchem man es beschreiben könnte, kann es auch nicht gesucht, oder unmittelbar erfahren werden.
Manchmal ist es möglich, Kia durch Ekstase oder Inspiration zu erfahren, der Orgasmus ist ein blendendes Beispiel für die mittelbare Nähe zum Kia.
Wer das Kia sucht, ist zum Scheitern verurteilt. Zum einen deswegen, weil man es, wie oben beschrieben, nicht beschreiben kann, zum anderen, weil die Welt der Menschheit auf dualen Erfahrungen aufbaut, und somit nicht ursachen- sondern wirkungsorientiert denkt. Dies liegt daran, dass unser Verstand bzw. unsere Gedanken zu dem Zeitpunkt entstanden, als die erste Wirkung auf die erste Ursache, den Grund unserer Existenz, folgte. Somit ist, nebenbei bemerkt, auch unser Verstand nur eine Wirkung auf eine Ursache. Hat jemand einen Gedanken, so spiegeln sich in diesem alle Erfahrungen die derjenige jemals hatte, wider, kurzgesagt, er projeziert komplettes Ego, die Ballung aller Erfahrungen, in diese Idee. Das heißt, dass jegliche Idee, die man jemals hatte, ein Produkt aus allen Erfahrungen, die man bis dahin machte, ist.
Ein Grund(eine Ursache) jedoch besteht nicht aus Erfahrungen, er schafft diese, es ist unmöglich die Wirkung vor der Ursache zu erkennen.
Hier ein Beispiel aus der Wissenschaft, welches uns die Probleme und Einschränkungen unseres Verstandes vor Augen führt: Hat man den Zeitpunkt des Urknalls bis auf wenige Stellen hinter dem Komma bestimmen können, so bleibt uns der Grund hierfür jedoch wohl für immer verwehrt. Das Prinzip Ursache - Wirkung hat Gültigkeit, jedoch werden wir immer nur die Wirkungen messen können. Jegliche Forschung, welche aus Experimenten, Folgerungen über die Ursache angibt, kann nur einen Näherungswert angeben, d.h. die Wahrscheinlichkeit bestimmte Auswirkungen hervorzurufen, kann durch bestimmte Stoffe erhöht werden. Den ursprünglichen Grund für eine Auswirkung werden wir jedoch nie erfahren. Da das Kia der Grund unserer Existenz ist, ist es unmöglich es zu erfassen. Wird das Chaos oft als "Gott" bezeichnet, so gibt man dem Kia beizeiten die Bezeichnung "HGA"(Holy Guardian Angel). Wird "Gott" als spirituelle Kraft angesehen, die, behaftet mit menschlichen Eigenschaften, versucht die Geschicke der Welt zu beeinflussen, so wird der HGA oft als wahres Selbst, als wahrer Wille, oder höheres Selbst imaginiert. Es wird vielerorts versucht Kontakt mit diesem höheren Selbst aufzunehmen. Gelingt dieser Versuch, so hat man keinesfalls das Kia gefunden, vielmehr ist man einer aus Erwartungen und übersteigerten Wünschen entwachsenen Sinnestäuschung erlegen, die zwar recht positive Eigenschaften haben kann, mit dem Kia jedoch nichts zu tun haben.
Zusammenfassung: Wollen wir das chaosmagische Paradigmata nun zusammenfassend in wenigen Worten erklären, kristallisieren sich folgende Sätze heraus:
- Nichts ist wahr, alles ist möglich! - Die einzige Wahrheit ist, das es keine universelle Wahrheit gibt. - Das einzig beständige ist der Wandel. - Die Anzahl der Handlungsmöglichkeiten spiegelt den Grad der Befreiung wieder. - Sowohl Chaos, als auch Kia sind für unsere Begriffe wertneutral, sie verfolgen keine Ziele außer der Existenz. http://www.kerberos-online.de/static_Con...haos-kritik.htm
Der folgende Artikel ist das Einführungskapitels des Buchs »Techniques of Chaos Magic« von Joseph Max 555 aus Kalifornien. Wir danken dem Autor für die Abdruckgenehmigung und weisen darauf hin, daß das Copyright für diesen Artikel beim Autor liegt.
Deutsche Übersetzung: Vicky Gabriel
Von Hag & Hexe freigegeben für Boudicca's Bard
Der Begriff »Chaosmagie« beinhaltet oft den Widerhall von Drohung und Faszination zugleich. Wahrscheinlich ist allerdings die Annahme zutreffender, daß dies in der Absicht jener Menschen lag, die diesen Begriff prägten. Wie dem auch sei - es ist wichtig, zu bedenken, daß sich Gerald Gardner, als er seine Rekonstruktion des europäischen Heidentums in den fünfziger Jahren dieses Jahrhunderts herausbrachte und sie »Hexenkunst« nannte, desselben Effekts ebenso bewußt war wie der Wirkung, die dies auf seine Zeitgenossen haben würde. Nichts geht über den Ruch des »Verbotenen«, wenn man Menschen faszinieren will.
Um dem »bösen« Image zu begegnen, das dem Begriff der »Hexenkunst« anhängt, füllte Gardner seine Schöpfung mit »Sei brav«-Moralpredigten mit nur dürftiger Verbindung zum Hedonismus (»So lange es niemandem schadet, tue, was du willst«) und mit einem eingebauten System göttlicher Vergeltung für die Anwendung von »böser Magie« (das Gesetz der dreifachen Wiederkehr). Man könnte auch sagen, daß er nicht den Mut hatte, alles auf eine Karte zu setzen.
Das Etikett »Chaosmagie« leidet unter zwei der Sache selbst innewohnenden Nachteilen. Zum einen zieht die »Cyberpunk«-Assoziation dieses Begriffes dieselben menschenfeindlichen Typen an, die sich bereits zuvor aus ähnlichen Gründen zum Etikett »Satanismus« hingezogen fühlten. Für sie ist es sozusagen eine Art »Satanismus-Light«. Dieser Menschentypus pflegte die Begriffe »Hexe« oder »Hexer« (Warlock) zur Selbstbeschreibung zu verwenden, bevor der Begriff der Chaosmagie in Mode kam - »Chaosmagier« klingt doch viel cooler. Dieselben Leute, die einst umgekehrte Pentagramme auf ihre schwarzen Lederjacken gemalt haben und sich »Hexer« nannten, sind nun zu Chaossternen übergewechselt und bezeichnen sich statt dessen als »Chaosmagier«.
Der zweite (und weitaus bedeutendere) Nachteil besteht darin, daß der essentielle Grundgedanke der Chaos-Magie natürlicherweise jeder Beschreibung trotzt, da er aufgrund seiner Natur in höchstem Maße persönlich und experimentell ist. Sogar jene Menschen, welche die Ausübung der Chaos-Magie für sich in Anspruch nehmen, empfinden eine Definition derselben über ihr persönliches Modell hinaus als äußerst schwierig.
Chaosmagie ist gefährlich, ehrfurchteinflößend, von großem Potential und aus diesem Grund höchst verlockend. Es ist »Magick ohne Schranken«. Die Regeln bestehen darin, daß es keine Regeln gibt - abgesehen davon, alles zu erlernen, was für jeden persönlich funktioniert und es zur Umsetzung des eigenen Willens einzusetzen.
Die Kraft der Chaosmagie liegt in ihrer Rätselhaftigkeit und ihrer Faszination. Es gibt ebenso keine Möglichkeit einer genauen Beschreibung der Chaosmagie wie es möglich ist, das Tao zu definieren. »Was man beschreiben kann, ist nicht Tao«, wie schon der alte Weise sagte. In gewisser Weise vermute ich, das Chaosmagier die letztendliche »Geheimgesellschaft« darstellen, obwohl dies eher in der Natur dieser Magieform selbst liegt und weniger durch Eide oder Verordnungen von oben erzwungen wird.
Warum also wird dieser Weg als Chaosmagie bezeichnet? Nun, mehr aus allgemeiner Übereinstimmung denn aus irgend einem anderen Grund. Doch ich kann ein paar Stellungnahmen anbieten:
Zunächst gibt es da die zugrundeliegende Annahme, daß alles im Universum miteinander in Verbindung steht, da uns die Chaosmathematik zeigt, daß all jene Dinge, die uns zufällig und willkürlich erscheinen, in der Tat chaotisch sind und über eine höhere »Ordnung« verfügen, die nur von einem weit genug entwickelten Standpunkt aus wahrgenommen werden kann. Chaos führt zur Wirklichkeit selbst und im Besonderen zur Lebenskraft und somit der Neigung der Materie zu Intelligenzzuwachs.
Dem Oxford English Dictionary zufolge ist das Wort »Chaos« griechischen Ursprungs. Seine originale Bedeutung war »ein ungeheurer Abgrund oder eine solche Kluft, eine unergründliche Spalte, leerer Raum, unendliche Dunkelheit, der Urzustand des Universums«. In der modernen Sprache wurde dies zu folgenden Bedeutungen verfeinert: »die 'formlose Leere' der primordialen Materie, die 'große Tiefe' oder der 'große Abgrund', aus welchem sich der Kosmos oder die Struktur des Universums entwickelt haben.« Die volkstümliche Interpretation des Wortes als Synonym für »Unordnung« ist jüngeren Datums und stellt eine irregeleitete Entwicklung dar. Ordnung wie auch Unordnung sind in sich selbst Manifestationen des uranfänglichen Chaos. Die ursprüngliche Bedeutung hatte mehr mit dem gemein, was der Mystizismus des Ostens »Tao« nennt. Ich halte dies auf keinen Fall für einen Zufall.
Aus diesem Grund nennen wir Chaosisten diesen ursprünglichen Zusammenhang »Chaos«, statt »Gott« oder irgend einen anderen traditionellen Namen zu verwenden, um jeglichen anthropomorphischen Gedanken bei etwas zu beseitigen, das so vollständig un-menschlich ist, daß es sich dem Verständnis gänzlich entzieht - zumindest dem, welches mit intellektuellen Mitteln erreicht werden soll.
Ein anderer Grund für diese Bezeichnung besteht im Umstand, daß viele der Konzepte moderner Chaostheorie metaphysisch interpretierbar sind. Es ist zum Beispiel offensichtlich, daß viele okkulte Systeme eine ganze Reihe von Faktoren gemeinsam haben. In der Chaostheorie gibt es etwas, das wir einen »unbekannten Anziehungspunkt« nennen, welcher eine bestimmte Form jenes Zusammenhangs ist, der in einem turbulenten System entsteht. Ein gutes Beispiel dafür bietet ein Strudel; er entsteht sowohl in einer Luftströmung als auch in fließendem Wasser oder in Staubstürmen - in allem, vom Roten Fleck auf dem Jupiter bis im Ablaufwasser eines Badewannenabflusses. In magischen Begriffen gesprochen, wäre ein unbekannter Anziehungspunkt zum Beispiel astrale Projektion oder die entlang der Wirbelsäule ausgerichteten Energiezentren. Chaosmagier suchen nach solchen Gemeinsamkeiten anscheinend unterschiedlicher Systeme und verwenden sie als Anhaltspunkte für zugrundeliegende Faktoren, die ihres unbedeutenden Symbolismus beraubt direkte Verwendung finden können. Dies geschieht in der Absicht, die praktischen Techniken zu enthüllen, welche sich hinter der äußeren Fassade befinden.
In kulturellen Begriffen gesprochen kann Chaosmagie als die Vorhut der Zeremonialmagie beschrieben werden. Im Gegensatz zu ihren Vorgängern bringt sie mehr Spontaneität mit sich und vermeidet eine strenge Rahmenstruktur aus Ritualen und Prozeduren. Ebenso erforscht sie die Techniken des Schamanismus und der Hexerei - Dinge, angesichts derer die meisten magischen Traditionen dazu neigen, sie hochnäsig als »unter ihrer Würde« zu betrachten. Chaosmagie wird von vielen modernen kulturellen Trends beeinflußt, hierzu gehören zum Beispiel Cyberpunk, Postmodernismus und Dekonstruktionismus. Sie versucht, viele der aktuellen Theorien aus Wissenschaft und Philosophie wie zum Beispiel die Quantenphysik, die Synchronizitätstheorie und - natürlich - die Chaostheorie einzubeziehen. Es gibt sogar Einflüsse aus der Geschichte des Okkultismus, wie beispielsweise durch Aleister Crowley, Austin Osman Spare, den Taoismus, den tibetischen Buddhismus, viele Formen des traditionellen Schamanismus und sogar durch bestimmte Autoren des Science-fiction und der Fantasy-Literatur.
Oder, um einen dieser Autoren - nämlich Peter Carroll - zu zitieren: »Wenn Sie eine Kurzdefinition haben möchten, der die meisten Chaosisten zuzustimmen geneigt wären, würde ich die folgende anbieten: Chaosisten akzeptieren üblicherweise den Meta-Glauben, daß der Glaube selbst nur ein Werkzeug zum Erreichen von Wirkungen darstellt; er ist kein Selbstzweck.«
Der Meta-Glaube ist ein wichtiges Konzept in der Chaosmagie. Dahinter steht der Gedanke, daß es sich beim Glauben um nicht mehr als einen psychologischen Geisteszustand handelt, obwohl er durchaus die Kraft hat, unsere eigene und manchmal auch die Realität anderer Menschen zu formen. Er ist das Mittel, nicht der Zweck; das Fahrzeug, aber nicht das Ziel.
In »The Theatre of Magick« schrieb Ray Sherwin: »Der Chaosmagier glaubt nicht im Sinne von Vertrauen. Er oder sie führt praktische Experimente durch, um zu ermitteln, ob den Postulaten, die er oder sie entweder selbst entwickelt oder von jemand anderem ausgeliehen hat, irgendein Wert innewohnt. Es ist eine Tatsache, daß wir uns um der Übereinstimmung willen alle gewisse organische Glaubensformen aneignen müssen. Sie alle glauben daran - zumindest die meiste Zeit über - daß der Stuhl, auf dem Sie gerade sitzen, real ist. Dies ist nicht unbedingt ein geistiger Vorgang, sondern eher ein instinktiver oder organischer, ohne welchen das Leben unmöglich wäre.« Diese Glaubensebene trifft nicht das, womit sich der Meta-Glaube beschäftigt, sondern hat eher mit der Ebene des Vertrauens zu tun.
Die Ausübung des Meta-Glaubens verleiht eine furchtbare Freiheit sowie eine ebenso furchtbare Verantwortung. Chaosmagisches Arbeiten umfaßt die vorübergehende Annahme eines zwanghaften Glaubenssystems, dessen magische Möglichkeiten es erlauben, einen bestimmten Effekt zu erreichen; dem folgt dann zur Vervollständigung der Arbeit die Aufgabe dieses Glaubens. Aufeinanderfolgende oder sogar einander widersprechende Glaubenssysteme werden je nach Wunsch oder Notwendigkeit angenommen. Um dies tun zu können ist es von übergeordneter Wichtigkeit, daß kein einzelner Glaubenskreis jemals als letztendlich wahr akzeptiert wird.
Diese Verweigerung jeglichen Absolutismus erklärt den unheilvoll bösen Ruf der Chaosmagie im modernen Okkultismus mehr als alle anderen Faktoren. In fast jedem früheren Fall eines Wiederauflebens okkulter Philosophie wurden deren »hohe moralische Maßstäbe« fanatisch ausgerufen - und zwar unabhängig von ihrem öffentlichen Ansehen. Gerald Gardner formulierte im Zuge seiner »Wiederbelebung« der Hexenkunst nahezu zweihundert moralische »Gesetze«, um die Aktivitäten seiner Anhänger zu lenken, welche bis auf den heutigen Tag mit dem Ziel, die Welt von ihrem Wohlwollen zu überzeugen, eine ewige Schlacht schlagen. Sogar Aleister Crowley und seine Nachfolger haben stapelweise Prosa fabriziert, um den Thelema-Grundsatz »Tue, was du willst soll sein das ganze Gesetz« als »höheres« moralisches Gesetz zu etablieren. Ob dies zutrifft oder nicht steht hier nicht zur Debatte. Chaosmagie umgeht diese Streitfrage gänzlich; es gibt kein Dogma, welches einem »gute« oder »gesunde« moralische Maßstäbe indoktriniert, bevor man mehr über die Einzelheiten der Arbeitsweise erfährt. Wer Chaosmagie praktiziert, muß selbst entscheiden, was letztendlich für ihn »gut« oder »böse« ist.
Als Ergebnis dessen hat Chaosmagie keinerlei Begrenzungen. Dies ist kein neues System oder ein Aufguß älterer Systeme oder irgend eines anderen, bereits existierenden Modells - es ist eine Einstellung, ein anderer Weg, die Kunst der Magie zu betrachten. Es ist auch nicht »neu«, da jeder frühere Adept, der jemals seinen eigenen ketzerischen Pfad verfolgt hat, tatsächlich dem Ruf des Chaos antwortete. Doch sowie aus irgend einem Pfad ein System erwächst, sowie heilige Bücher geschrieben und Rituale, Sitten und Moralformen für »die Anhänger« verordnet werden, hat es aufgehört, Chaosmagie zu sein. Sie bleibt dies nur, wenn wir stets auf diesem schmalen Grad weitergehen, auf welchem wir dem Fluß des Chaos begegnen.
Es ist allerdings nicht dasselbe wie schlicht und einfach nach allem zu greifen, was geschieht und unsere Phantasie beeindruckt. Auch die Vermischung und Verschmelzung von Teilen und Versatzstücken mehrerer verschiedener alter Rituale und Glaubensstrukturen zu einem »System« - auch wenn es ein persönliches ist - repräsentiert ebenfalls nicht die Chaosmagie. Eingeschlossener Glaube bleibt eingeschlossen. Es ist weitaus wichtiger, frei zu bleiben, um die Grenzen zu erweitern, als »korrekt« oder gar beständig zu sein. Chaosmagie stellt nicht nur einfach einen neuformulierten Mischmasch alter magischer Traditionen und im Trend liegender neuer Etikette dar.
So, wie Chaosmagie heute allgemein definiert wird, leitet sie sich von den Arbeiten Austin Osman Spares und Peter J. Carrolls her. Beide wiesen den größten Teil der traditionellen magischen Praxis als unnötig kompliziert, kulturell selbstgerecht und im allgemeinen unwirksam zurück; auch sahen sie die in diesen Kreisen geläufige Furcht vor den machtvollen, aber gefährlichen Techniken der Hexerei und des Schamanismus als hinderlich an. Ebenso waren beide der Ansicht, die traditionellen okkulten Lehren beschäftigten sich weitaus mehr mit der Vermittlung eines moralischen Systems als mit allem anderen, was aus diesen Systemen in der Tat Religionen mache. Spare zog als erster eine Verbindung zwischen Magie und dem zu seiner Zeit relativ neuen Bereich der Psychologie, womit er die okkulte Praxis von der Notwendigkeit einer religiösen Weltsicht befreite. Carroll gründete zusammen mit Sherwin die Illuminaten von Thanateros (IOT) und versuchte auch, die Konzepte der Chaostheorie und der Quantenmechanik in die Bereiche des Okkulten und Paranormalen mit einzubeziehen.
Dementsprechend ist die Chaosmagie vielleicht die erste Form der Zeremonialmagie, welche sich dem Gegenstand ihres Interesses nicht in der Art einer antiken Kunst nähert. Statt dessen wird Magie als etwas begriffen, mit dem man experimentieren und innerhalb dessen man Verbesserungen vornehmen kann. Praktischerweise geben alle anderen Systeme - sie werden ja schließlich nicht umsonst »Traditionen« genannt - vor, daß »die alten Meister« alle Geheimnisse der Magie bereits vor langer Zeit entdeckt hätten und wir armen modernen Menschen nur darauf hoffen könnten, wenigstens einen kleinen Schimmer der vergangenen Herrlichkeit zurückzuerobern. Diese antiquierte Einstellung hat die Entwicklung der magischen Künste seit dem Untergang Roms gelähmt.
Chaosmagie unterscheidet sich von den »Systemen« der Vergangenheit weiterhin durch ihren spezifischen Zugang. Sie sieht Ritualmagie eher als Psychodrama denn als echte Verehrung an und ähnelt als solche eher der Stanislavsky-Methode in der Schauspielkunst. Das primäre Ziel eines chaosmagischen Rituals besteht darin, einen mentalen Zustand zu schaffen, den wir als »Gnosis« bezeichnen. Der Begriff wird in diesem Fall ähnlich seiner Verwendung durch die Tantristen gebraucht, wo der umherschweifende Geist zum Kurzschluß gebracht wird, so daß die Absicht des Magiers in den Quantenfluß des Universums eingeprägt werden kann. Wie ein nach der Stanislavsky-Methode arbeitender Schauspieler trachtet der Chaosmagier danach, die Alltagswirklichkeit zu überlisten und jeglichen Zweifel aus seiner momentanen Realität auszuschließen. Um dies zu erreichen, bedient er/sie sich der Werkzeuge eines Schauspielers: Bühnenbild, Kostüme, Requisiten, Worte, Klänge und besonders dessen, was Stanislavsky die emotionale Erinnerung nennt. Jedes kraftvolle und verwandelnde Erlebnis kann genutzt werden, um diese emotionale Erinnerung anzuzapfen - das schließt Sex ebenso wie Schmerz, Verwirrung, Begeisterung, Abscheu und Ekstase ein, vor allem in einander widersprechenden Kombinationen.
Chaosmagier verwenden Sigille (magische Absichten, die in Form symbolischer Zeichen oder als Mantras wiedergegeben werden), rituelle Techniken jeden Ursprungs (vor allem ethnisch-ursprüngliche) und Artefakte jeder gewählten Kultur zur Formung eines magischen Raums, welcher eine vorübergehend autonome Zone darstellt, in der der Zustand der Gnosis erreicht werden kann. Gnosis ist die Tür zur wirkungsvollen Magie; im Augenblick der Zeitlosigkeit, im Zustand der magischen Trance bildet der Geist eine direkte Schnittstelle zur nichtkausalen Verbundenheit aller Dinge im Universum. Starke emotionale Reaktionen sind der am leichtesten zugängliche Schlüssel zur Gnosis; psycho-dramatische Rituale, die die emotionale Erinnerung zur Hervorbringung der gewünschten Reaktion verwenden, stellen die Hand dar, welche den Schlüssel hält.
Da ein Ritual traditionell eine Landkarte des Bewußtseins darstellt, kann es auch als Karte des neuen Pfades dienen, den man in seiner eigenen Psyche geschaffen hat. Festgelegte und beschriebene Rituale sind zusammen mit solchen Machwerken wie »Schattenbüchern«, »heiligen Büchern«, »Veröffentlichungen im Soundso-Magazin« und so weiter genau dafür geschaffen, den Magie Praktizierenden vor dem Chaos zu schützen. Kurz gesagt - es gibt immer Raum für neue chaosmagische Methoden, aber niemals für chaosmagische Systeme.
Philosophisch gesehen enthält die Chaosmagie Ähnlichkeiten mit dem Taoismus, die taoistische völlige Stille allerdings ausgenommen. Der Erfolg dieser Magieform hängt von der gänzlichen Selbstvernichtung ab und hat auf diese Weise viel mit der buddhistischen Nagarjuna- und der Madhyamaka-Schule sowie vielleicht in noch höherem Maße mit der Nyingmapa-Schule des tibetischen Buddhismus gemeinsam; eine Untersuchung der Chod-Rituale des tibetischen Buddhismus wird der Formulierung effektiver Chaosriten wertvolle Anhaltspunkte bieten. Die Auswirkungen eines Zen-Koans auf den schweifenden Geist vermitteln eine schwache Ahnung dessen, wonach ein Chaosmagier sucht.
Die Ausübung der Chaosmagie kann destabilisierende Wirkung haben, da sie zur Zerstörung des Glaubens geschaffen wurde. Ebenso wie die Anwendung psychedelischer Drogen ist sie in der Lage, die persönliche Realität drastisch zu verändern. Aus diesem Grund ist Chaosmagie nichts für empfindliche Menschen oder für jene, die sich vor dem fürchten, was in den Tiefen ihres Selbst lauert.
Dualistische Konzepte wie jenes der »weißen« und »schwarzen« Magie sind auf Chaosmagie nicht anwendbar - nicht einmal im Sinne guten oder bösen Handelns. Magie ist - ähnlich dem Elektromagnetismus - eine Kraft ohne innewohnende moralische Eigenschaften. Als Ergebnis dessen neigen Chaosmagier dazu, zum Extrem zu drängen und eher mittels der Bewegung von Pol zu Pol denn durch das Bestreben nach Mäßigkeit ein Gleichgewicht herzustellen. Peter Carroll schrieb in »Liber Null«: »Das Endresultat beider Wege ist wahrscheinlich nicht unähnlich, da sie sich auf eine Weise begegnen, die unmöglich zu beschreiben ist. Der sogenannte 'Weg der Mitte' oder auch Pfad des Wissens besteht im reinen Erwerb von Ideen aus zweiter Hand, ist eine Entschuldigung dafür, nichts von beidem zu tun und führt nirgendwo hin.« Die moralisch neutrale Chaosmagie ist wahrscheinlich nicht für jene Menschen geeignet, die sich noch keinen gut entwickelten Kodex persönlicher Ethik geschaffen haben. In der Tat würden sich die meisten - wenn auch nicht alle - Chaosmagier dann, wenn man ihnen die Pistole auf die Brust setzt, als »Schwarzmagier« bezeichnen, jedoch nicht auf eine Weise, wie dies von jenen definiert wird, die die dunkle Seite des Daseins als ausschließlich »böse« betrachten. Die Magie eines Chaosmagiers ist deswegen »schwarz«, weil sie sich mit dem Dunklen und Verborgenen beschäftigt.
In den letzten Jahren hat sich die Magie in hohem Maße mit politischen Vorlieben verbunden. Die meisten Menschen verlangen eine Art Rahmen, in welchen sie ihre Meinungen und Vorlieben stellen können. Dies macht eine Mischung von Magie und Politik in einem solchen ganzheitlichen System sehr viel attraktiver, als es Politik alleine wäre. Die aufstrebenden magischen Systeme unserer Tage - wie zum Beispiel Thelema und das Neuheidentum - sind genau deswegen so beliebt, weil sie einen soziopolitischen Glauben mit der Anerkennung einer magischen Wirklichkeit verbinden; es verleiht ihren politischen Inhalten einen »höheren Zweck«. Auch Politik hat selbstverständlich rein gar nichts mit Chaosmagie zu tun. Politik ist die Kunst, andere Menschen dazu zu bringen, sich an einen bestimmten Satz von kulturellen Werten anzupassen (oder zumindest deren Vorherrschaft anzuerkennen). Chaosmagie entlarvt die Torheit von politischen Inhalten, indem sie uns zeigt, daß all unsere Anstrengungen, Ordnung in diese Dimension zu bringen, von außerordentlicher Tollkühnheit sind. Jeder Versuch, zu organisieren bedeutet das Bestreben nach einer Zunahme der Bestimmtheit des Daseins. Dies steht im Gegensatz zur Ethik der Chaosmagie. Lebenskraft ist spontan, ebenso wie die Evolution selbst. Keine politische oder soziale Bewegung ist jemals dem von ihrem Begründer dargelegten Kurs gefolgt; die Systeme haben sich entweder beinahe bis zu Unkenntlichkeit verändert oder sind verschwunden - Entwicklung oder Untergang.
Eine überpolitisierte soziale Gruppe ist jedoch in jedem Fall ausnahmslos gelähmt und unfähig, mit den schnellen Veränderungen des Bewußtseins, welche innerhalb der Gruppe auftreten können, fertig zu werden - besonders, wenn sich dieses Bewußtsein als Antwort auf magisch-spirituelle Betrachtungen entwickelt. Wie können wir von einem System, welches Magie und Politik miteinander in Verbindung bringt, etwas anderes als drastische Instabilität erwarten?
Auf ähnliche Weise können wir feststellen, daß Religion und Chaosmagie grundlegend unvereinbar sind; das eine begrenzt, während das andere befreit. Das eine erfordert, daß sich der Intellekt in einem verordneten, lächerlichen Glaubenssystem verbiegt, das andere übernimmt lächerliche Glaubenssysteme seiner eigenen Wahl und für seine eigenen Zwecke - und zerstört sie dann. Religion - und die meisten magischen Systeme sind und waren immer von essentiell religiöser Art - erfordert einen einzigen Satz an philosophischen Ideen, welcher für alle Menschen, alle Zeiten und alle Umstände gilt. Chaosmagie verlangt flexible persönliche Glaubensgrundsätze oder in anderen Worten: Meta-Glauben. Religion erfordert bestimmte Gedanken und Handlungsweisen, um als gut oder böse klassifizierbar zu sein; Chaosmagie versucht, jeden Aspekt des Daseins zu verstehen und einzuschließen.
Aus diesem Grund beschäftigt sich die Chaosmagie nicht mit derart amorphen mystischen Zielen wie der Suche nach dem Wahren Willen oder der Überquerung des letzten Abgrunds - zumindest nicht direkt. Wenn Sie die Göttin verehren oder mit Ihrem Heiligen Schutzengel kommunizieren wollen, schauen Sie sich besser woanders um; das moderne Neuheidentum bietet ein riesiges Buffet verschiedenster Verschmelzungen aus Religion und Magie - von Wicca bis Thelema, von der Weißen Bruderschaft des Lichts bis zur Kirche Satans. Das Ziel der Chaosmagie besteht in der Entwicklung praktischer magischer Techniken, die reale, dem Willen des Magiers entsprechende Veränderungen schaffen. Dies wird von äußeren materiellen Wirkungen nicht begrenzt, sondern enthält (und das ist vielleicht noch viel wichtiger) Tätigkeiten, die dafür erschaffen wurden, die Psyche des Magiers auf tiefgründige Weise zu verändern - jedoch auf eine Weise, die vom Magier selbst gewählt wurde oder die zu erforschen er beschlossen hat und nicht auf von außen verfügte Weise. Die Struktur der Chaosmagie - wenn man überhaupt von einer solchen sprechen kann - besteht in der Unstrukturiertheit. Sie ist absolut nichthierarchisch. Chaosmagie stellt magische Anarchie dar, aber im eigentlichen Sinne dieses Begriffs - sie ist eine Magie ohne Anführer.
Das Prinzip der Chaosmagie besteht darin, daß man alles Erwünschte auf jene Weise erleben kann, in der man dies tun möchte; das ist die chaosistische Auffassung des »Tue, was Du willst soll sein das ganze Gesetz«. Daher liegt es bei Ihnen, wo, wann und worauf Sie sich einlassen wollen.
Oder in Kürze: Chaosmagie ist eben Chaosmagie. Sie ist weder eine neue Religion noch nur ein neues magisches System. Es ist überhaupt kein System. Bitten Sie andere Menschen nicht, es für Sie in soziologischen, politischen oder religiösen Begriffen zu definieren. Obwohl diese Menschen vielleicht in der Lage sein könnten, ein sinnvolles Dogma zu konstruieren, wird es dennoch nichts mit dem Chaos zu tun haben.
Oder, wie es Louis Armstrong ausdrückte, als er nach der Natur des Jazz gefragt wurde: »Wenn ich es Ihnen erklären muß, werden Sie es so oder so nie verstehen!«
In Form des Chaos hat die Leere keine anderen Merkmale als sich selbst. Dies schafft die Schwierigkeiten bei der Beschreibung dieses Zustandes, denn es ist kein »es«. Die Chaosmagie stellt ein nichtdualistisches Tor dar, das selbst jene, die es »geschaffen« haben, verblüfft, da es von derartiger Multi-Verschiedenheit ist, daß seine Entwicklung immer in unvorhersagbare Richtungen fortschreitet. Chaosmagie wird immer unabhängig von einer einzigen Quelle wachsen. Niemand kann sie »lehren«. Oder um Austin Spare zu zitieren: »Alles, was ein Lehrer jemals tun kann, ist, dir deine eigene Herrlichkeit zu zeigen.«
Die Chaosmagie stellt eine Erweiterung jenseits unserer Realität und jenseits der Systeme der Traditionalisten dar. Wenn man unsicher ist, wie man vorgehen soll und über keinerlei magische Erfahrung verfügt, kann man sicher sein, in der Vielschichtigkeit und Vielseitigkeit traditioneller Pfade eine Mischung von Methoden zu finden, die zur Natur des Suchenden passen. Doch wenn man seine Fähigkeiten mit diesen geprüften und getesteten Systemen verfeinert hat, muß der nächste Schritt in der Leere und der notwendigen Entwicklung einer eigenen Methodologie bestehen - welche das Herz der Chaosmagie ist. Jegliche Beschreibung der Chaosmagie als einem »System« unterliegt jener Falle, in die Menschen immer dann stolpern, wenn sie etwas verbegrifflichen müssen.
Die Chaosmagie verwendet Konzepte wie den postmodernen Dekonstruktionismus zum Studium des Okkulten und hat hierbei einige bemerkenswerte Einsichten gewonnen, insbesondere den Gedanken, daß alle magischen Systeme soziologisch ableitbar und kulturell befangen sind. In ihnen allen liegt dieser »unbekannte Anziehungspunkt«, den man aus dem Morast des archaischen Symbolismus gewinnen und der von einem schlauen Magier eingesetzt werden kann.
Diese neue Weise, die Kunst der Magie auszuüben, ist soweit als möglich frei von jeglichem moralischen Dogma und ein Weg, welcher sich ausschließlich an den Notwendigkeiten persönlicher Entdeckungen orientiert. Da die Praxis der Chaosmagie zum Ziel hat, den begrenzten dualistischen Zugang zur Magie, welcher die Traditionen bisher gekennzeichnet hat und uns an die Vergangenheit fesselt, anzupassen und dann zu übertreffen, ist sie aufgrund ihrer Natur jenseits unseres Verständnisses sowie jenseits unserer Fähigkeit vorherzusagen, in welche Richtung sie sich entwickeln wird.
Doch die Schnittstelle der Angelegenheit ist das Chaos, und aufgrund allgemeiner Übereinstimmung nennt sich diese Angelegenheit »Chaosmagie«.
Die Chaosmagie ist eine sehr junge Bewegung in der Magie und entstand etwa um 1960 herum. Nach dem Tod Crowleys kam es in England dazu, dass immer mehr Menschen sich ohne eine bindende Tradition oder Loge mit Magie befassten – wesentlich dazu bei trugen die Werke Crowleys und Bardons, die es erlaubten auch ohne Loge Magie zu erlernen. Um 1980 entstand der Begriff Chaosmagie, geprägt von Peter Carroll der für Chaosmagier sehr wichtig ist. Carroll lehnte sich bei der Chaosmagie aber an Fantasyromane an und nicht an bestehende magische Traditionen. Auch das Symbol der Chaosmagie - die Chaossphäre (siehe Bild) ist aus dem Fantasy Bereich entnommen und hat keine magische Bedeutung, stellt aber gut die "Zerrissenheit" oder auch Vielfalt der Chaosmagie dar. Oder, auf physikalische Kräfte bezogen, zeigt es, dass durch die vielen entgegen gesetzten Richtungen in die der Magier seine Kraft wendet, keinerlei vorankommen zustande kommt. Es sei denn durch Expansion (Erweiterung der Grenzen, Grundgedanke der Chaosmagie) oder durch Spezialisierung auf ähnliche Richtungen. Letztere Methode ist von vielen Chaosmagiern bevorzugt, die sich auf spezielle Gebiete der Magie spezialisieren.
Die Chaosmagie lehnt es ab sich an feste Strukturen und Weltanschauungen (Paradigmen) zu binden. Es ist nicht ungewöhnlich für einen Chaosmagier mehrere Systeme zu verwenden. Etwa Runenmagie kombiniert mit Yoga, Daoismus und indianischem Schamanismus. Jeder Chaosmagier hat also seine eigene Weltanschauung (Paradigma) und praktiziert viele Systeme um so schneller zu Ergebnissen zu kommen.
Die Chaosmagie ist auch nicht organisiert sondern besteht aus Individuen deren Anschauungen sich grundlegend voneinander Unterscheiden können. Natürlich findet man auch bei den einzelnen Yogis oder Hermetikern grosse Unterschiede, aber das Grundlegende Paradigma ist das selbe. Diese gemeinsame Basis ist bei Chaosmagiern nicht gegeben. Man müsste sagen die grundlegende Gemeinsamkeit der Chaosmagier ist, keine grundlegenden Gemeinsamkeiten zu haben.
Manche Chaosmagier lassen auch wissenschaftliche Forschungen und Erkenntnisse in ihre Studien einfliessen.
In der Chaosmagie wird gern der Begriff Gnosis statt Trance verwendet so gibt es etwa Erregungsgnosis und Dämpfungsgnosis. Ist aber nichts anderes wie Trance.
Für die Chaosmagie sind alle Glaubenssysteme nur Werkzeuge zum Erfolg, keine bindenden Strukturen. Da die Hermetik auch viele Systeme in sich vereint (etwa Tarot, Ritualmagie, Astrologie...) kann man gewisse Gemeinsamkeiten finden. Im Gegensatz zur Chaosmagie sieht die Hermetik die Weltanschauungen nicht als jederzeit austauschbar an sondern strebt danach das eigene Weltbild zu erweitern nicht hin und her zu wechseln wie man es gerade braucht. Inzwischen haben die meisten Chaosmagier aber erkannt, dass der ständige Paradigmenwechsel seine Probleme mit sich bringt und die anfänglichen Erfolge bald schwinden. Daher gehen immer mehr Chaosmagier zum hermetischen Ansatz über sich ein eigenes, umfassendes Paradigma zu basteln.
Die Chaosmagie bindet sich also weder an Götter, noch philosophische, magische oder andere Vorstellungen sondern agiert frei. Es gibt aber auch Ausnahmen welche ganz speziell mit diversen Göttern arbeiten die ähnliche Eigenschaften haben etwa Kali und Loki. "Ein offener Ofen bäckt kein Brot" und "Kohle wird nur durch enormen Druck und Hitze zum Diamanten" hält der Hermetiker der Moderne da dagegen. Nichtsdestotrotz sind einige Chaosmagier sehr erfolgreich und die sehr wirksame wie einfache Sigillenmagie entspringt der Chaosmagie.
Ein Chaosmagier ist oftmals in der magischen Welt recht gebildet - sucht er sich doch aus allen Systemen etwas heraus - und gleicht auch hier dem Hermetiker. Ein Chaosmagier mag auch Hermetik mit anderen Systemen gemischt betreiben.
Es gibt aber auch chaosmagische Orden, etwa die Illuminaten von Thanateros zu denen der auch sehr bekannte Chaosmagier Frater V.D. gehört. Mir scheint dieser Bund aber eher einem Arbeitskreis als einer echten Loge zu gleichen.
Im 21. Jahrhundert kann man jedoch eine deutlichere Annäherung zwischen Hermetik und Chaosmagie sehen. Die Hermetiker lassen immer öfter "unhermetische" Magiezweige wie etwa Runenmagie oder Schamanismus in ihre Praxis einfliessen und immer mehr Chaosmagier gestalten sich ein umfassendes Allgemeinparadigma. Die Grundgedanken sind aber zu verschieden als das es zu einer echten Einigung kommen könnte. Hermetik: Verdelelung durch feste Struktur und Druck wie bei einem Diamanten. Saturn / Widder & Steinbockprinzip (Steinbock - Tradition) Chaosmagie: Vorankommen durch Erweiterung des Horizontes und einreissen der Grenzen. Neptun / Wassermannprinzip - So gesehen hat die Chaosmagie im Zeitalter des Wassermannes in das wir nun eintreten sicherlich eine blühende Zukunft vor sich.
Zum Abschluss bleibt zu sagen, dass aufgrund der unterschiedlichen Paradigmen und mangelnder Struktur / Organisation der Begriff Chaos Magie gut gewählt ist. Man darf also keinesfalls Chaosmagier über einen Kamm scheren. Nirgendwo ist die Kluft zwischen gleichartigen Magiern grösser und in keiner anderen "Tradition" sind die Mitglieder unterschiedlicher. Man findet also sowohl Dilettanten als auch kompetente Magier in diesen Reihen, ganz chaotische und relativ geordnete Magier.