Hier gibt es ziemlich viel Numerologie rund um Aleister Crowley und seine Gleichsetzungen von antiken Göttern in sein satanistisches System. Interessannt sind die satanischen Hintergründe der Scientology und der Nazis und Hitler, desgleichen viel Hintergründe für den interessierten Illuminatus (Wilson/Shea) – Leser, der hiermit ein paar Anspielungen mehr verstehen sollte. Aleister Crowley, geboren am 12. Oktober 1875, verarmt und heroinsüchtig gestorben am 1. Dezember 1947 (seine letzten Worte sollen gewesen sein: "I am perplexed"), hat am 8. April 1904 in Kairo die Offenbarung seines aggressiven "Schutzengels" Aiwass (oder Aiwaz), "Ministers des Horus" empfangen: den Text des "Liber AL vel legis", das Gesetzbuch des neuen Äons, in dem das jüdisch-christliche Gesetz ("des Osiris") nicht mehr gilt. Im "Liber Al" heißt es:" Mit meinem Falkenkopf pick' ich nach Jesu Augen, während er am Kreuz hängt. Ich klatsche meine Schwingen in Mohameds Gesicht und blende ihn. Mit meinen Klauen reiß' ich das Fleisch des Inders und des Buddhisten, Mongolen und Din heraus. Bahlasti! Ompheda! Ich speie auf euren verkommenen Glauben. Laß die unverletzte (mit "unverletzt" ist "nicht defloriert" gemeint! ) Maria auf dem Rad zerissen werden: ihretwegen laßt alle keuschen Frauen gänzlich verachtet sein unter euch."(II,51-55)
Kern der individualanarchistischen und nitzeanischen "Force and Fire"-Religion Crowleys ist Erleuchtung, Bewußtwerden der Göttlichkeit des Menschen mit Hilfe sexualyogischer und sexualmagischer Handlungen: Im VIII. Ordensgrad werden Anbetung des "Heiligen Pharaohs" (des Vertreters der lebensspendenden Sonne) und rituelle Masturbation geübt, der IX° verehrt die große Göttin" in der Vulva (d. h., er befleißigt sich des Hetero-Koitus nach Art des Tantra), während der XI° im homosexuellen Koitus die speziellen satanischen ("verkehrten") Mysterien des männlichen Anus (der "drei unteren Lotusse" Sphinkter, Prostata und Glans Penis) feiert und daraus religiöse Befriedigung gewinnt. Eine US-amerikanische Richtung der Crowleyanity, geleitet von Kenneth Grant, führt die homosexuellen Praktiken des XI° auf einen peinlichen Interpretationsfehler Crowleys zurück und hat sie durch den Sexualverkehr mit einer Menstruierenden (ein Mondritual) ersetzt, den Crowley neben anderen Varianten wie dem Hetero-Koitus "per vas nefandum" (=anal) auch für sehr wichtig gehalten hat. Mit dem Auschluß der Homosexualität (den andere Gruppen nicht mitmachen) geht allerdings ein wichtiger Faktor des modernen Satanismus verloren. Aleister Crowley, ein schwarzer Romantiker,schöpfte ungeniert aus allen religiösen, magischen, mystischen, kabbalistischen, rosenkreuzerischen, alchimistischen, templerischen und freimaurerischen Traditionen, die er in theosophischer Manier zu einem großen System von "Korrespondenzen" verband. Auch propagierte er die rituelle Verwendung der bewußtseinserweiternder Drogen (Meskalin). Das von Aiwass (=Satan) übermittelte "Gesetz" schreibt nur eine einzige Norm vor, die des Rabelais: "Thelema! Tu, was du willst" – was gar nicht so einfach ist, denn zuvor muß man wissen, was man will. "Thelema" war dann der Name von Crowleys Klostergründungsversuch (1920-1923)
Nach Mailänder ist der Gral "die heilige Erlösungskraft", die den Seelenfrieden schon in dieser Welt finden läßt, "obgleich man in die Burg des Grals erst nach dem Tod kommen kann". Den Gralsmythos aber führt er auf die "uralte heidnische Symbolisierung aufeinanderfolgenden Jahreszeiten bzw. der beiden Hälften des Jahres" zurück, "welche durch die Sommersonnenwende geschieden sind": In Ägypten "erliegt Osiris, der Sonnengott, seinem neidischen feindseligen Bruder Typhon", in der "phönizischen Sage" wird Adonis auf der Jagd von einem Eber getötet, "und aus den niederrieselnden Blutstropfen des geliebten Leichnams, den die trauernde Aphrodite in ihren Armen hält, entsprießen Anemonen und Veilchen". Die griechische Persephone, Repräsentantin der Vegetation, wird von Pluto, dem Beherrscher des Totenreiches, gewaltsam entführt. "Das Blut aller dieser Götter und Helden (auch die Tränen der Freya, Isis, Eos usw.) ist köstliches wundertätiges Blut. Man kann es einfach Licht, Weisheit, Erkenntniskraft nennen." Das Christentum aber machte "das wundertätige Blut zum Blut des enthaupteten Johannes des Täufers und erhob die Schüssel, auf welcher das Haupt des Johannes lag, als man es der Herodias brachte, zur Quelle alles Segens und Überflusses, welche die schöpferische Kraftfülle der Natur um die schönste Zeit des Jahres über die Erde ausgießt". Die Kirche feiert die Sommersonnenwende als Fest des heiligen Johannes des Täufers am 24. Juni. Analog zur Schüssel mit dem Blut des Täufers wurde dann der Kelch des letzten Abendmahles, in dem Joseph von Arimathia bei der Kreuzigung Jesu dessen Blut auffing (sanguis realis = sang réal = san gréal), zum "Heiligen Gral". "In der ältesten Form der Sage "war dieses aber "nur als ein Stein, ein Kostbares Kleinod von wunderbarem Glanze und unschätzbarem Wert gedacht, das seinem Besitzer die höchsten Güter des Lebens verlieh (Stein der Weisen)". Soweit Philipp Mailänder.
Tatsächlich hat erst Chrétiens de Troyes (gest. 1190) in seiner unvollendet gebliebenen Gralsdichtung den Gral mit dem Blut Christi in Verbindung gebracht – wohl weil sein Mäzen, Graf Philipp von Flandern, eine Heilig-Blut-Reliquie geerbt hatte. Wolfram von Eschenbach übte daran Kritik. Nach Wolfram ist die Gralsgeschichte überirdischen Ursprungs: Ein jüdischer Astrologe namens Flagetanis hat sie in den Sternen gelesen und in arabischer Sprache aufgeschrieben. Möglicherweise verbirgt sich hinter Flegetanis der Mystiker und Alchimist Thabit Ben Quorah, der 826-901 in Bagdad gelebt hat. Oder es handelt sich bei ihm einfach um den "Hüter" der Planetenspähre des Merkur, mit arabischem Namen "Felek-Thani", also um den Gott der Weisheit.
"Kyot, der Provencale", ein Kenner der Kabbala, der Magie und der Alchimie, fand Flegetanius' Manuskript angeblich "im Staub von Toledo" und entzifferte es mit Hilfe der Erleuchtung, welche ihm die gnostische Geisttaufe gebracht hatte. Auf Kyot beruft sich Wolfram von Eschenbach (gest. 1220). Flegetanis stammte, so lesen wir bei Wolfram, mütterlicherseits von "König Salomo" ab, sein Vater war jedoch ein "Anbeter des Kalbes". Das verweist auf syrisch-palästinensische Tradition. Zur Zeit der alten babylonischen Kultur lag der Frühlingsanfangspunkt im Stier. Regentin des Sternbildes Taurus ist Aphrodite, deren lunarer Aspekt die stierköpfige Selene ist. Das Sternbild "Stier" ist ein symbol geistiger Zeugungskraft (am Anfang der jährlichen Regenperiode) – mit den sieben Sternen der Hyaden (Regensterne) an seinem Kopf, das sind die Nymphen die Dionysos erzogen haben. Von Anatolien im siebten Jahrtausend (am Euphrat vielleicht früher) bis zum mioischen Kreta und noch später war der Stier (als Shiva, Dionysos, Osiris, Baal, Zeus) der männliche Gott kat'exochen, der jugendlöiche Geliebte der Großen Göttin. Das goldene Stierkalb führte die Juden aus Ägypten, dem Haus der Knechtschaft. Heute noch tragen die "Vollkommenen" der libanesischen Drusenreligion kleine Silber- und Goldkälber in silbernen Schatullen bei sich. Innen hohl, werden diese Idole bei religiösen Zusammenkünften mit weißen Rosinen gefüttert. Die Trockenfrüchte kommen zerquetscht hinten wieder heraus, und die anwesenden Gläubigen kommunizieren das Mus. Allerdings stehen die Drusen diesen Kälbern ambivalent gegenüber: Angeblich verfluchen sie die kleinen Metalltiere auch als Sinnbilder des Teufels (als Nachkommen des stierköpfigen Moloch, in dessen Innern ein Feuer loderte, in dem Kinder verbrannt wurden?). Das Stierkalb spendet Wohltaten, ähnlich wie das die überfließende Schale der Luna und das Füllhorn der Fortuna (patriarchalisch denunziert als die Büchse der Pandora) tun. In der indischen Dichtung enthält der Mondbecher die psychedelische Flüssigkeit "Soma", den Göttertank der Brahmanen, der häufig mit dem männlichen Sperma identifiziert wird.
In Persienwurde der horizontal liegende Neumond mit dem Aschenlicht des vollen Mondes als Sonne in der Mondschale gedeutet – das heilige Symbol der Parsen. Nach Wolfram von Eschenbach ist der Gral jedoch ein Stein aus der Krone bzw. von der Stirn Luzifers, den dieser bei seinem Sturz aus dem Himmel verloren hat. Der in den Abgrund gefallene Luzifer ist bekanntlich die Venus, die zur Nacht- und Todesgöttin Hekate, dem sogenannten "höllischen Luzifer" geworden ist. In seiner Rolle als "Gefallene" hält das Sternbild "Virgo die Konstellation "Crater" in der Hand, das Mischgefäß des Backschos-Dionysos. So ist der Gral auch verwandt mit den diversen Hexenkesseln, in denen nicht nur Gifte und heilende Tränke, allerlei Suppen und Speisen gekocht wurden, sondern auch Menschen, damit sie wieder ihre Jugendkraft erlangen (siehe den magischen Kessel der korinthischen Medea). Sie stehen für Vagina und Uterus. Über verschiedene keltische Kessel berichtete der Oberbarde Hanes Taliesin (d. i. der mit der "strahlenden Stirn"). Den Kessel der Unterwelt hat König Artus geraubt. Er ist mit Perlen (dem Sinnbild der Gnosis und des ewigen Lebens) geschmückt und dient der Weissagung und dem Gottesurteil: "Er kocht keinem Feigling Speise, auch nicht einem Wortbrüchigen. Ein glänzendes Schwert wird zu ihm erhoben." Das Schwert ist eine späte Version der heiligen Lanze, durch die der phallische Aspekt Gottes dargestellt wird. In der keltischen Sage von Peronnik kommen ein Goldbecken mit Gralseigenschaften und eine diamantische Lanze vor: die "unerbittliche Lanze". In altirischen Legenden gibt es ebenfalls sowohl todbringende als auch heilende Lanzen in Verbindung mit Gefäßen, in denen sich Blut (Opferblut, Blut von Feinden, das monatliche Blut der Frau) mit Feuer gemischt befindet.
Wolfram behauptete,der Gralsstein sei von jenen Engeln zur Erde gebracht worden, die im großen Streit zwischen "Luzifer und Trinitas" neutral geblieben sind, die also das Wissen um die ursprüngliche Einheit der Gegensätze bewahrt haben. Diese Einheit wurde auch durch denandrogynen "Baphomet" der Templer und den alchimistischen "Rebis" dargestellt. "Rebis" ist dien aus Mercurius uns Sulphur zusammengesetzte doppelköpfige "Res bina". Dieser "Stein der Weisen" soll von Engeln in die Obhut der Tempelritter übergegangen sein. Durch die Kraft des Gralssteines verbrennt sich (so Wolfram) der Vogel Phönix selbst, um danach wieder jerjüngt aufzuerstehen. Der Quecksilbrige, wie ein Trickster agierende, bnisexuelle Mercurius, Sohn der Venus (Quecksilber entströmt dem Krater der Aphrodite) und "Salz" des Saturn, ist der "spiritus seminalis" (Samengeist), die befruchtende delphische Pythonschlange, das Herz des Mikrokosmos.
Und Sulphur ("ignis occultus in Mercurio") ist sein männliches Prinzip, das in der Alchimie des 17. Jahrhunderts als Teufel ("diabolus") bezeichnet wurde. Mercurius gilt als Zwillingsdrache, der sich wie der Phönix verbrennt und (wie Gott in den "Contes del Graal" des Chrétien de Troyes) seine Mutter, d. h. letzlich sich selbst erzeugt. Er ist sowohl Prima als auch Ultima materia und der dazwischenliegende Entwicklungsprozeß, ein "Lapis" (Stein), der aus dem Anus kommt (also Scheiße), aber auch die Tinktur, mit deren Hilfe er sich zum "Lapis Philosorum" wandelt, zum Edelstein in der Krone des Adam Kadmon, zum Gott Pan, dem Chorführer der Sterne. Dann jedoch wendet sich (wie es in der "Tabula Smaragdina" heißt) seine vollkommene Kraft wieder der Erde zu. Deshalb besteht sein Symbol aus einem Kreis, dessen Mittelpunkt (die Erde bzw. deren "Salz", der Mensch) zugleich er ist. Laut C. G. Jung ("Der Geist Mercurius", in: "Symbolik des Geistes", 1948) stellt Mercurius "einerseits das Selbst, andereseits den Individuationsprozeß und, vermöge der Grenzenlosigkeit seiner Bestimmungen, auch das kollektive "Unbewußte" dar. Deshalb sei es gefährlich, meinte der Freud Schüler, diesen Geist (den er mit dem Archetypus "Wotan" identifizierte) "aus der Flasche" entkommen zu lassen. Im alchimistischen Laboratorium wird besagter Kreislauf durch ein Glasgefäß bewerkstelligt, das den darin befindlichen Flüssigkeiten eine dauernde Sublimation und Zrikulation ermöglicht.
Man nennt es den Pelikan. Diesem Vogel wird nachgesagt, daß er sich, um seine Jungen zu nähren, die Brust öffnet. Im Lancelot-Gral heißt die Verdichtung von Phönix und Pelikan "Serpillion" = Schlangenvogel. Er ist verwandt dem persichschen "Semenda". Gemeint ist damit der Mensch: Die Verbindung von Schlange und Vogel soll seine Fähigkeit veranschaulichen, psychosomatische Energien in geistige zu verwandeln. Gott sei zwar tot, erklärten mir dazu meine zwei Gewährsleute, aber nun gelt der Satz Crowleys: "Deus est homo-homo est Deus."
Die drei paracelsischen Prinzipien Sal (Salz), Sulphur (Schwefel) und Mercurius (Quecksilber) entsprechen den drei Gunas (Eigenschaften, Fäden der Weltenwebe) des dualistischen indischen Samkhya-Systems: Tamas (Finsternis, schwarze Farbe), Rajas (Leidenschaft, rot) und sattva (Güte, weiß).
Diese Kraftsubstanzen, Weltstoffenergien bilden laut Pancasikha die Prakriti (Urmaterie), aus deren Mischungen und Ungleichgewichten, ihrem "Streit" (und nicht aus dem untätigen Geist = Brahma) alle Dinge evolvieren: Auf den Tieren lastet die Finsternis, die Menschen stehen unter dem Bann der Leidenschaften, und bei den Göttern herrscht die Güte. Vor Beginn der Weltennacht kehren alle Wesen wieder in die Gleichgewichtslage der Urmaterie zurück. Bis dorthin verkörpert sich auch der "wandernde" psychische "Organismus" (Lingam) des Menschen nach jedem Tod neu. Des Yogin "Purusha" (sein wahres Selbst) hat sich aus diesen Bindungen gelöst und genießt absolut freies Für-sich-Sein (kaivalya). In der indischen Alchimie besteht das Lebenselixier (das die Tantriker bei der Chakrapuja rituell genießen) aus Ranjas (dem Menstruatiuonsblut) und Quecksilber (dem männlichen Sperma), deren Mischung bei den Anhängern des Tantra im rituellen Koitus erfolgt. Die Crowleyanity sieht im Salz (der Erde) bzw. dem indischen Tamas das "passive" Element Blut repräsentiert, im Sulphur (dem feurigen Rajas) den "aktiven" Samen.
In den "Secret Instructions" für den IX° schrieb Aleister Crowley über die Eucharistie: "Die Substanz des Sakraments wird das Lebenselixier selbst sein. Es wird Eins sein und nicht Zwei; weder männlich noch weiblich, weder fest noch flüssig. Es wird alle Möglichkeiten enthalten, und ohne es könnte es keine Möglichkeit geben. Es ist das Feuer des Prometheus in der gut gepflegten Lampe der Vesta; es ist das Kneph" (die Logos- Schlange!) "der Priester von Memphis, die Sonnenscheibe in den Armen von Kephra" (= die käferköpfige Mitternachtsgottheit) "und die um das Ei gewundene Schlange. Frage unsere Brüder, die Alchemisten, und die Adepten des Rosenkreuzes. Die erste Antwort: Es ist nichts als der Löwe mit seinem geronnenen Blut, und der "Gluten" des Weißen Adlers; es ist der Ozean, in dem Sonne und Mond gebadet haben. Die anderen Antworten: es ist der Tau auf der Rose, die das Kreuz verborgen hat. Frage nach den Alten: sie antworten, daß der älteste Gott Saturn ist. Sei vorsichtig, damit du nicht getäuscht wirst! Gesegnet sei der, welcher uns das Arcanum Arcanorum enthüllt hat! Dieses ist der Aufgelöste Stein, das Lebens-Elixier, die Universalmedizin, die Tinktur, das trinkbare Gold. Nimm einen Athanor und eine Cucurbite, und bereite einen Flacon für diesen Wein des heiligen Geistes. Du benötigst auch eine Flamme für die Destillation. Im Athanor ist der Löwe, in der Cucurbite dein Adler. Wende zuerst mäßige Hitze an, die zuletzt zu voller Flamme anwächst, bis der Löwe überspringt. Gieße dein Destillat unmittelbar darauf in den dafür vorbereiteten Flacon." Diese "Meßopfer" wird in der Kapelle nach einer Stunde der Anbetung am Altar und Gotteslob "in Strophe und Antistrophe" schweigend dargebracht, und das Elixier wird vollständig konsumiert. Dabei soll der ganze Wille ohne Schwanken auf den besonderen Zweck der Operation gerichtet sein. Statt dessen kann man auch vertrauen, daß einem Gott die benötigten Güter zuteilt. Das ist zwar der "nobelste", aber auch der gefährlichste Weg, bei dem man "Profanation" riskiert und für sich "Verdammungessen und trinken" kann.
Unter den alchimistischen Geräten Athanor und Cucurbite versteht Crowley den Lingam und die Yoni. Das Blut des roten Löwen ist das männliche (schlangenähnliche) Sperma, und die "Gluten" des Mensrtuum, bzw. des Weißen Adlers bedeuten die Vaginalflüssigkeiten. Bloße Vermischung beider (von Salz und Sulphur, Tamas und Rajas, Nuit und Hadit) ergibt nur prima materia. Werden sie aber "under Will" (mit konzentrierter Willensanstrengung) "explosionsartig" vereinigt, so "transmutiert" die Urmaterie zum Lebenselixier (bzw. Stein der Weisen oder "dritten Auge", d. i. der Lingam, den Shiva zwischen den Augen trägt), zu Mercurius, der selbst die Essenz des Willens (die Quinta essentia) ist.
Der alchimistische Prozeß gipfelt in der Geburt des Nuit-Hadit-Kindes Ra-Hoor-Khuit (Horus), des unsterblichen Bewußtseins. In diesem Zusammenhang kann Mercurius auch als die "Feuerschlange", d. h. Kundalini-Shakti betrachtet werden, die im "Kalamos", dem Rohr des Merkur-Stabes (Hermes-Zepters), aufgestiegen ist. Bei allen diesen komplizierten "Korrespondenzen" ist zu beachten, daß "die" Kundalini in der satanistischen Konzeption Crowleys im Gegensatz zur indischen Auffassung männlichen Charakter besitzt. Ihr Ziel ist die Vereinigung mit Nuit (die hier die Stelledes indischen Shiva einnimmt). Selbst die meditierende Frau imaginiert die in ihr aufsteigende Kundalini als Phallós (was eine interessante Parallele in der Psychoanalyse Béla Grundbergers hat, wo der Phallós zum Schrecken der Feministinnen die psychosomatische Integrität auch der Frau symbolisiert). Im "Liber AL vel Legis" (II; 26) sagt Hadit von sich: "Ich bin die Geheime Schlange, zusammengerollt, im Begriff zu springen: in meinen Windungen ist Freude. Wenn ich mein Haupt erhebe, sind ich und meine Nuit eins. Wenn ich mein Haupt senke und Gift speie, dann ist es Entzücken der erde und ich und die Erde sind eins."
Nach Crowley sind damit die zwei Grundtypen der "Orgia of Magick" beschrieben: der "mystisch-yogische" Weg der Vereinigung mit dem Geist und der im engeren Sinn magische der Vereinigung mit der Materie. Vor allem von letzterem Weg spricht Hadit in AL II, 22, 23: "Ich bin die Schlange, die Wissen und Wonne gibt und glänzenden Ruhm, und die Herzen der Menschen mit Trunkenheit in Bewegung bringt. Um mich zu verehren nehmt Wein und fremde Drogen, die ich meinem Propheten nennen werden, und berauscht euch daran! Sie werden euch keinerlei Schaden zufügen. Eine Lüge ist diese Dummheit gegen das Selbst. Das Zurschaustellen von Unschuld ist eine Lüge. Sei energisch, o Mensch! Giere, genieße alle sinnlichen und entzückenden Dinge: Fürchte nicht, daß irgendein Gott dich deshalb verleugnet. Ich bin allein: Da ist kein Gott, wo ich bin."
Der goldenen Heroldstab des Götterboten Hermes (Merkur), das Kerykeion", bzw. der "Caduceus", war ursprünglich ein einfacher Hirten- und Zauberstab. Im "HermeticOrder of the Golden Dawn" stellte er die Weltachse mit den drei hebräischen "Buchstabenmüttern" dar: An der Basis befindet sich das Mem (für das Element Wasser), im Mittelabschnitt das Aleph (für das verbindende Element Luft, das schnelle Dahineilen Merkurs) und an der Spitze (dem Ziel des "Botenganges") prangt der dreizackige Buchstabe Shin ( für das Element Feuer und den Heiligen Geist). Bekannter ist die andere Version: das geflügelte und von zwei Schlangen unwundene Zepter. Makrokosmisch gesehen ist dieser Merkurstab der mit Hilfe zweier Schnüre in Schwung gebrachte Feuerbohrer, durch den das Zentralfeuer des Weltalls entfacht und erhalten wird. Mikrokosmisch aber symbolisiert der Caduceus die menschliche Wirbelsäule, genauer die in der Meditation imgainierte Sushumna, die links und rechts von Ida und Pingala begleitet wird. Sie verbinden die Hoden des Mannes mit seinen (Sonne und Mond darstellenden) Augen. Die Aktivierung dieser bioelektrischen »Nadis« (= Kanäle) läßt die Kundalini-Shakti (die Grundkraft des Lebens) von ihrer Ruhelage über dem Sakral-Ganglion (dem Muladhara-Chakra) über das Prostata-Ganglion {Svadhisthana-Chakra) durch die Sushumna (die mittlere Röhre) immer weiter dem Kopf .zu aufsteigen, zum Ajna-Chakra, dem nach innen schauenden "dritten Auge" (in der Meditationspraxis ist dies der Konvergenzpunkt der Blickrichtungen beider Augen), bis zur Schädeldecke, dem tausendblättrigen Sahasrara-Lotus, wo sich die bei der Weltentstehung von Shiva getrennte Shakti wieder mit diesem vereinigt (die Feuerkraft der Kundalini vermischt sich mit den Gehirnsekreten zum Elixier der Unsterblichkeit). Was eine Auflösung der Maya, der weltlichen Illusion, eine Vorwegnahme der Rückgängigmachung der Schöpfung bedeutet (Shiva ist der Zerstörer!). Daher der Name dieses Weges: Laya-Yoga (d. i. Auflösungs-Yoga). Das »dritte Auge« kann auch mit der Zirbeldrüse gleichgesetzt werden. Diese entspricht dem psychedelischen Narthex-Zapfen an der Spitze des Thyrsos, des Stabes von Dionysos.
Die sieben Chakren (korrespondierend den sieben Planeten des Altertums) können in drei Gruppen angeordnet werden, jede angeführt von einem Lingam in der Yoni: die triebhafte, die psychische und die geistige Ebene. Durch diese drei läßt sich der tantrische Yogi von der im Geschlechtsverkehr erweckten Energie emportragen zur höchsten Spitze des Weltenbaumes, zur mit Sternen gefüllten Schale, deren Projektion in die Welt der niederen Materie die Schale der Sexualität ist. Das Geheimnis dieses Grals besteht darin, daß durch ihn höchste Ekstase und Erleuchtung (das »Große Er-wachen«) erlangt werden kann, wenn es gelingt, die sexuellen Kräfte nicht bloß zu verausgaben, sondern sie zu beherrschen. Dies sollen auch jene drei »Bußwerkzeuge« von Crowleys »Magick« demonstrieren, welche die drei mit den indischen Gunas und den Göttern des Neuen Äons identifizierten paracelsischen Prinzipien repräsentieren: die Kette (Salz); die Geißel (Sulphur) und der Dolch (Mercurius). Die Kette besteht aus 333 (die Zahl Choronzons!) nicht gehärteten Eisengliedern und wird vom Magier über seinen Nacken (den Platz der Sefira Daath) gehängt, da sie die umherschweifenden Gedanken binden soll. Die Anwendung der Geißel soll unsere träge Natur aufreizen, aber auch ungeordnete Regungen korrigieren. Sie besitzt einen Handgriff aus Eisen, dem Metall der Strenge, an dem neun bleibestückte Kupferdrähte befestigt sind. Kupfer ist das Metall der Liebe, Blei hingegen das disziplinierter Lebensführung. Und der Dolch (mit vergoldetem Griff und goldziselierter Stahlklinge) ist dazu bestimmt, die große »Hitze« durch Blutabnahme zu kalmieren und dem Magier jene Wunden beizufü-gen, aus denen Opferblut für den Heiligen Kelch gewonnen werden kann.
Meine beiden Gewährsleute behaupteten, daß der Kult der »Feuerschlange« eigentlich aus dem Innersten Afrikas stammt und daß im Vaudoux (Voodoo) noch einiges davon in verzerrter Form überlebt hat. Sie machten mich besonders auf den phallischen Eshu(Elegba), den »afrikanischen Merkur«, aufmerksam, der von den Kirchen dem christlichen Teufel gleichgesetzt worden ist. Tatsächlich ist Eshu der unberechenbare kosmische Trickster, das alle Schablonen und Schemata durchbrechende, grenzüberschreitende schöpferische Element, ein Meta-Prinzip, das zwar winzig klein erscheint, aber ungeheure Macht hat. Den "lieben Gott" nennen die christlichen Geistlichen »Olorun«, welches Wort, wie mir die zwei Alten sagten, in Wahrheit jenes durch den »Tod Gottes« hervorgerufene und sich zur Welt zerstrahlende »Nichts« bedeutet, dessen erste Manifestation auf dem kabbalistischen Baum die Sefira Kether (der afrikanische Gott Obatala = das »weiße Licht«) ist.
Abgesehen von den eher harmlosen tantrischen Riten, besitzt die Crowleyanity noch eine höchst wirksame Methode zur Befreiung des Geistes: die von Ida Nellidoff übernommene Formel der »Eroto-Comatose Lucidity«. Der zu diesem Weg entschlossene Magier läßt sich durch sexuelle Reizung so lange vom Schlaf abhalten, bis er sich in einem stabilen Zustand zwischen Schlafen und Wachen befindet. Dann vollzieht er den rituellen Koitus des IX°, bei dem ihn der Tod, der »mors justi«, ereilt. Auch im »Zos Kia Cultus« des surrealistischen Graphikers, zeitweiligen Freundes Aleister Crowleys und »satanischen Okkultisten« (so nannte ihn Mario Praz in seinem Buch »La carne, la morte e il diavolo nella letteratura romantica« 1930) Austin Osman Spare (1888-1956) hat die Verbindung von Tod und Sexualität große mystische und magische Bedeutung. Das Motto von »Zos« (= der Körper als Ganzes gesehen) ist »thane« (= der Tod), Spares vollständiger magischer Name daher »Zos vel Thanatos«. In »Earth Inferno« (1905) konstatierte der Künstler-Magier: »Death is All.« Wie in dieser dualistischen Welt des Leids die Nacht den Tag ablöst, so folgt schon aus grammatikalischen Gründen der Satz »Ich bin nicht« dem »Ich bin« (Spare in: »The Book of Pleasure, Self-Love. The Psychology of Ecstasy«, London 1913). Der Tod ist ein lebendiger, viele verfehlte Möglichkeiten enthaltender Alptraum des Lebens; die Wiederkehr des Verdrängten, daher auch die große Chance: Werden durch Vergehen (aller Einschränkungen), »an adventure in Will that translates into body«.
Die Trance in der sogenannten »Dead Posture« (einer Simulation des Todes), bei der alles Denken ausgeschaltet ist, enthemmt die Quelle der Sexualität, erlaubt es dem »inhärenten Traum«, sich zu verkörpern, und läßt uns sowohl die Identität unserer »thisness« mit der »thatness« aller sogenannten anderen als auch unser weder »This«- noch »That«-Sein erleben. Dieses mystische »Neither-Neither« einer absoluten Freiheit (die auch eine »Neue Sexualität« zur Folge hat) nannte Spare »Kia«. Es bedeutet reines Bewußtsein, Selbstliebe und die »Erfüllung des Glaubens«, d. h. des »eternal desire«: »Ich bin Gott und alle anderen Götter. Es sind meine Images. Ich schenkte mir selbst das Leben. Ich bin Millionen von erschaffenen/ausgeschiedenen Formen. Ich bin unbegreiflich, weil ich das Begreifbare mache. Ich stehe jenseits des Gesetzes.«
Dieser Zustand wird durch die magische Vereinigung von »Will, desire und belief« bzw. Wille und Imagination erreicht. Symbol des ersteren ist die (den Phallós aktivierende oder ihn repräsentierende) Hand, Symbol des letzteren das nach außen oder nach innen, auf die aus dem Es aufsteigenden Bilder bzw. die vom Magier gezeichneten Wunschsigillen oder »Buchstaben des Begehrens« schauende Auge (das auch das »untere Auge«, d. h. die Vagina vertritt). Die magischen Sigillen sind eine Spezialität Spares: Der betreffende Wunsch wird niedergeschrieben, wobei jedoch jeder Buchstabe des Alphabets nur einmal verwendet wird. Die verbleibenden Zeichen werden dann gra-phisch zu einem einzigen verdichtet, eben zu der Sigille. Während der sexualmagischen Handlung muß dieses Superzeichen als Zielpunkt des Willens visualisiert werden. Aus-schlaggebend für den Erfolg ist es, daß man dabei nicht an die Semantik der Sigille (den ihr zugrundeliegenden Wunsch) denkt.
Im »normalen« täglichen Leben folgen die verschiedensten Moden und Meinungen aufeinander. Wer aber den »funambulatory way« Austin Osman Spares beschreitet, ver-sucht seine Neigung, die zeitliche Ordnung und die definierten Konzepte für real und wahr zu halten, durch betontes Nichtglauben und inhaltliches »Entleeren« der betreffenden Meinungen (sowie dadurch, daß er sich selbst begrifflicher Festlegungen enthält = sein Sperma zurückhält) zu überrumpeln. Mit Hilfe solcher Technik kann der Magier die ekstatische Vereinigung mit einer außerdimensionalen Wirklichkeit vollziehen, die Spare »Inbetweeness« nannte und die mit dem »Neither-Neither« von "Kia" identisch ist. Diese Wirklichkeit, die nichts und alles ist,.erlebt der Initiierte »direkt«, »hier«, »jetzt« und als »Selbst«. Spares »Neither-Neither« (er symbolisierte es als Lingam, der auf einem nach unten gerichteten Dreieck steht) emaniert ein »Tetragrammaton of relatives«, aus dem die zwei Geschlechter entstehen. Somit ent-spricht es dem »Ain«, dem »Auge Gottes« bzw. der Sefira Kether, wie sie von der Crowleyanity interpretiert wird. Die »Inbetweeness« ist kein für den Menschen unnatürlicher Zustand, im Gegenteil: Sein Ich ist doch in Wahrheit weder Subjekt noch Objekt, obwohl es immer wieder als das eine oder das andere in Erscheinung tritt, sondern schwebt gleichsam dazwischen (vgl. zu diesem Thema die »Metaphysik des Schwebens« von Walter Schulz, Pfullingen 1985).
Uns Europäern fällt es schwer, jene Speilaute hervorzubringen, die das Kamel von sich gibt. Aber im Hebräischen und Arabischen gibt es derartige Laute und Buchstaben: das Ain und (nur im Arabischen) das Gain. Das Schriftbild des Ain dürfte auf die Hieroglyphe für das Auge Gottes (des ägyptischen Gottes Horus) zurückgehen. Im Samaritanischen ist dieser Buchstabe ein nach unten weisendes leeres Dreieck (wie wir es als Symbol für die Vagina kennen), man kann ihn aber auch als leeren Kreis, also O schreiben. So gilt er als Sinnbild der Leere, des Nichts, der Unmanifestiertheit. Die Lautung dieses Halbvokals zeigt Destruktion und Disharmonie an. Tatsächlich ist »Ain« die hebräische Vokabel für das Auge, aber auch für die Quelle (als das Auge der Erde). Leere soll also die Quelle von allem sein. Leere, aus der das Licht strömt (so wie es eine Zehntausendstelsekunde nach dem »Urknall« bei 1013 Kelvingraden jenen Lichtozean der »Hadronenära« gegeben haben soll, dessen »Fall« aus dem statistischen Gleichgewicht einen Überhang der Materie bewirkte). In der Freimaurersymbolik findet man das Ain meist als Y geschrieben vor. Schon wegen seiner Hörner müßte es mit dem Teufel in Beziehung stehen. Das Sternbild des Steinbocks ist ihm zugeordnet, ein Sym-bol der Freiheit.
Den 22 hebräischen Buchstaben entsprechen die 22 Großen Arkanen des Tarot. Aleph (der Stierkopf), der erste Buchstabe, liegt jedoch in einem Bereich noch vor dem Schöpfungsakt: Die Bibel beginnt ja erst mit dem B (»Bereshith bara Elohim ...« = »Im Anfang schuf das göttliche Team die Himmel und die Erde«). Beth (der Name des Buchstabens B) ist das Haus, die Wohnstatt des Menschen. Da hier also Aleph als nullter Buchstabe gilt (im Tarot ist die 0 der »Narr« oder Trickster), wird Ain, der 16. Buchstabe im hebräischen Alphabet, als 15. gezählt, Der XV. Trumpf des Tarot heißt »Der Teufel«. In meinem Zigeuner-Tarot, das ich hin und wieder verwende, prangt auf dieser Karte jedoch der tatsächliche 15. Buchstabe Samekh. Das ist ein Band, dessen Enden sich zusammenschließen. Dieses "S" erinnert an das Surren, das eine gespannte Bogensaite beim Abschuß des Pfeils von sich gibt (dem Samekh entspricht das Sternbild Schütze), aber auch an das Zischen einer Schlange. Nun war ja der Teufel nicht immer im Tarot. Im ältesten, dem des italienischen Malers Andrea Mantegaa (1431-1506), gab es ihn überhaupt nicht, und im florentinischen Tarot war die XIV. Karte die des Teufels, und die XV. hieß »Die Hölle«. Erst in Venedig, Bologna, bei Actoine Court de Gebelin (1725-1784) und bei Eliphas Lévi (1810-1875) wurde die XV. zur Teufelskarte. Da in Crowleys »Book of Thoth« der Trumpf 0 ("Der Narr") mit dem Buchstaben Aleph korrespondiert, trägt Crowleys Teufelskarte das Zeichen Ain. Übrigens besitzen Yod und He, die Buchstaben des kurzen biblischen Gottesnamens Jah (sie stehen für das männliche Sperma und das weibliche »Fenster«) zusammen den Zahlenwert 15! Auf dem kabbalistischen Lebensbaum korrespondiert die XV. Tarotkarte »Der Teufel« mit dem 26. Pfad zwischen der Sefira Hod (die auf der linken Säule der »Strenge« plaziert ist) und der Sefira Tifereth (die an der mittleren, »Strenge« und »Gnade« ausgleichenden Stelle hängt). Der Pfad verläuft also »mitte-links«. Hod repräsentiert das (intellektuelle) Sternenlicht des Merkur, das in unsere Welt hinein strahlt, Tifereth das Sonnenlicht (die Bereicherung des IntelIekts durch Intuition). Da der Teufel »The Lord of the Gates of Matter and Child of the Forces of Times« ist (nach der Lehre des Golden Dawn), könnten unter diesen Auspizien Raum und Zeit als Illusion erkannt und überschritten werden. Genau umgekehrt freilich sah es der »Hermetic Order of the Golden Dawn« selbst. Für ihn bedeutet der 26. Pfad: The Sovereignty and Beauty of Material (and therefore false) splendour. Sol acting through Capricorn upon Mercury« (Die Souveränität und Schönheit des materiellen -und deshalb falschen - Glanzes. Die Sonne wirkt durch den Steinbock auf Merkur ein).
Im menschlichen Körper entspricht die Sefira Tifereth dem Herzen oder auch dem Sonnengeflecht. Bei den alten Griechen war die Kronostochter Hestia (die Göttin von Haus und Herdfeuer) auch Hüterin des Tierkreiszeichens Aigokeros ("Ziegengehörnter" = Steinbock), das die Ousia, die göttliche Ursubstanz, personifizierte. Im alten Babylon hieß dieses Sternzeichen »Ziegenfisch« (sumerisch SUHUR.MAS); denn es hatte den Oberkörper einer Ziege, den Leib einer Schlange und den Schwanz eines Fisches. Das merkwürdige Tier hauste im Zodiak des Jahres 2200 v.u.Z: im untersten Stockwerk des kosmischen Radkreuzes (das den Jahresablauf wiedergibt) beim Saturn, und zwar noch vor dem Wendepunkt der Wintersonne. Saturn, der »Herr« von Steinbock und Wassermann, ist niemand anderer als Satan, »the Sun in the South«. Eliphas Lévis XV. Tarot-Trumpf, der mit dem synthetischen »Baphomet - Bock von Mendes« eigentlich ein alchimistisches Emblem zeigt, prägte entscheidend das moderne Teufelsbild. Die Figur ist wie das angebliche Templeridol bisexuell (und hat Mann and Frau an der Kette). Auf der Stirn des Wesens prangte bei Lévi ein aufwärts gerichtetes Pentagramm., das erst später (von Waite) zum Satanszeichen umgedreht wurde. Eigentlich handelt es sich bei diesem Teufel um den Allgott Pan.
Das Geheimnis des Buchstabens Ain ist damit jedoch keineswegs ausgeschöpft. In ihren verschiedenen Phasen (Ain-Soph-Avr = 000, Ain-Soph = 00, Ain = 0) ist die Leere (wenn man will: der »Tod Gottes«) jener Grund, aus dem die Wurzeln des kabbalistischen Lebensbaumes genährt werden, die Quelle eines Lichtes, das sich zunächst als Gehirn des kosmischen Menschen manifestiert. Diese »Welt im Kopf« (die Ideenwelt) besteht aus der Trinität der Sefirot Kether, Chochma und Bina. Kether, die »Krone des Höch-sten«'; eine Konzentration von Ain, ist als solche ebenfalls 0, "nicht", hebräisch LA (Lamed-Aleph). Die zweite Sefira zeigt dieses LA seitenverkehrt als AL (ausgesprochen »EI«, das ist die Macht Gottes). AL ist primär Aleph (die beiden ersten Buchstaben des voll ausgeschriebenen Aleph). Der nächste dialektische Schritt ergibt wieder ein LA, das auf dem Lebensbaum als mütterliches Prinzip (die linke Sefira Bina) in Polarität (»Verneinung«) zum väterlichen AL (rechte Sefira Chochma) steht. LA ist hier primär Lamed (die beiden ersten Buchstaben des voll ausgeschriebenen Lamed). Unter dem obersten LA und seinen zwei Differenzierungen AL und LA klafft der Abyssos, der Abgrund zwischen der Welt der Ideen und dem (körperlich) Seienden.
Von den beiden Buchstaben des Wortes LA korrespondiert das Lamed mit dem VIII., also jenem Trumpf des Tarot, der im System des Golden Dawn »Strength« (Kraft) genannt wurde und eine Frau zeigt, die einen gezähmten Löwen an ihrer Hand führt. Dieses Tier meint das Zeichen des Löwen im »wiederhergestellten« Zodiak, d. h. so, wie er um 3275 v.u.Z. plaziert war. Damals stand der Sharru (= Regulus, der Königsstern), der hellste Stern des Löwen, am höchsten Punkt des Jahreskreises über dessen Mittelachse. Neujahr war der längste Tag und galt daher als Tag der Erschaffung des Kosmos. Die Löwenführerin, »Tochter des flammenden Schwertes«, kann als die Große Göttin (Shakti) der kosmischen Energie (des »Fohat« der Theosophie) verstanden werden und ihrer Vertreterin in jedem Menschen, der Kundalini. Im Besitz des Dichters William Butler Yeats (1865-1939), eines führenden Golden-Dawn-Magiers, befand sich ein Paket Tarot-Karten; auf deren Trumpf XI die Frau mit dem Löwen zu sehen und darunter die Bilderklärung »La Forza« zu lesen ist. Yeats besserte die Ziffer mit Bleistift auf VIII aus, denn als XI. Trumpf galt die zwischen der schwarzen und der weißen Säule mit Richtschwert und Waage thronende »Justice«.
Aleister Crowley aber vertauschte die beiden Karten: Im Tarot des O.T.O. trägt die XI. Große Arkane das astronomische Zeichen »Leo«, und ihr Bild zeigt eine nackte Frau, die auf dem mehrköpfigen apokalyptischen »Tier 666« reitet und den aufschäumenden, von Spermatozoen attackierten Heiligen Gral (die Vulva) emporhält. Der Schweif des Tieres endet in einem in die Sonnenscheibe eingezeichneten Leopardenkopf. Das aus dem Wasser (des Unbewußten und Pränatalen) gekommene »Tier 666« ist ja kein eigentlicher Löwe, sondern eine Kreuzung von Leo und Pardus (Panther), stellt also nicht die Tagessonne, sondern jenes Sonnendaimonion SVRATh (Suriel Sarhapanim) dar, dessen Aufgabe es ist, den Glanz dieses Gestirns auch bei Nacht zu bewahren. Die fünf Buchstaben von SVRATh bilden die Spitzen des nach unten gerichteten satanischen Pentagramms, d. h. des Kopfes jenes erdgeborenen Tieres, das laut Apg 13, 11 »zwei Hörner ähnlich dem Lamm hat, aber eine Sprache gleich dem Drachen führt« und »Pothos«, die fleischliche Liebe, symbolisiert. Denselben Kopf sahen die Alten am Himmel in der Gestirnskonstellation »Medusa« (Gorgo, hebräisch »Rosch HasSATAN« = Satanskopf), die den veränderlichen Stern Algol (Al Ghul = der Menschenfresser) enthält. Vor dem Medusenhaupt (der Vagina dentata) in der linken Hand des Sonnenheros Perseus erstarren (erigieren) die Männer. Der Name der O.T.O.Tarot-Karte XI ist »Lust«, der ihr entsprechende hebräische Buchstabe aber ist das Teth. Es bedeutet die Schlange (der Genesis), das Spermatozoon und die Kundalini und entspricht jenem 19. (Lust-Schlangen-)Pfad auf dem kabbalistischen Baum, der eine direkte (keine mittlere Sefira einbeziehende) Verbindung zwischen der linken Sefira Din oder Gebura (= Strenge oder Gericht) und der rechten Sefira Chessed (Gnade oder Liebe) herstellt und somit das Gesetz der Crowleyanity zum Ausdruck bringt: »Love under Will« strenge, ja »gnadenlose« Liebe.
Der mit dem Buchstaben Lamed bezeichnete 22. Pfad verläuft zwischen den Sefirot Gebura (Din) und Tifereth, verbindet also marsische »Strenge« mit der sonnenhaften Zentralsefira, die mit dem Phallus identifiziert wird und deren Name Pracht, Schönheit bedeutet. Ihr zweiter Name lautet Rachamin = Erbarmen. Auch fließen in Richtung Gebura und dann in den.22. Pfad starke magische Ströme von der zweiten Sefira Bina dern mütterlichen Prinzip LA. Da die zweite Sefira in der Planetensphäre von Saturn liegt, »herrscht« Lamed »in der Stunde des Saturn«, der Stunde Satans. Im System des Golden Dawn meinte der VIII. Trumpf des Tarot »Stärke, Unerschütterlichkeit. Aber Erbarmen mindert die Strenge und Härte, die Herrlichkeit von Kraft und Stärke. Jupiter wirkt durch den Löwen auf Mars ein.« Doch nach der Uminterpretation durch Crowley hat hier der Löwe nichts mehr verloren, er wurde durch die Waage ersetzt, die im XI. Trumpf des Golden Dawn für die Gerechtigkeit steht. »Justice« bedeutet »die strenge Unerbittlichkeit der Schönheit und der Souveränität. Mars wirkt durch die Waage auf die Sonne ein.« Crowley nannte diese (bei ihm VIII.) Große Arkane »Adjustment«, was auch heißen soll, daß Lamed »the kteís fullfilled by the Phallus« ist. Aleph aber korrespondiert mit der Tarot-Karte 0 (»The Fool«) und dem 11. Pfad zwischen Kether und Chochma, steht also (nach dem Golden Dawn) für das »Primum mobile, das durch die Luft auf den Zodiak wirkt« (ihn befruchtet). Laut Crowley bestreitet A, d. i. »the Naught in Thought (Parzival), Word (Harpocrates), and Action (Bacchus)«, damit den männlichen Anteil am Schöpferischen. Also repräsentiert das erste LA (in Kether) die Ekstase der vereinigten Co-Prinzipien Nuit und Hadit, die sich in ihrer Liebe zueinander verloren haben, während das zweite LA (in Bina) und das AL (in Chochma) Nuit und Hadit im Spannungs- bzw. Ruhezustand vor und nach der Vereinigung zeigen. Wie aber kann die Dynamik zwischen beiden charakterisiert werden?
Nach der Gematria (= kabbalistische Rechnungsart) des Aiq Bekar (d. i. die sogenannte »Kabbala der neun Kammern«) besitzen AL und LA je den Zahlenwert 31. Die oberste sefirotische Trinität zählt demnach 93. »Also« muß die Dynamik zwischen LA und AL auch 31 betragen. Im Tarot ist 31 die Summe der »Schlüssel« XI (»Lust« mit dem Buchstaben Teth) und XX. Letztere Arkane heißt im O.T.O.-Tarot »The Aeon« (der Golden Dawn nannte diesen Trumpf »Judgment«, d. i. das Jüngste Gericht, zu dem der Engel mit der Posaune bläst) und trägt in beiden Systemen den Buchstaben Shin, die drei Feuerzungen des Heiligen Geistes. Die magische Bedeutung der Karte ist: »Der Geist des Urfeuers« (für Crowley das »Feuer« der ihm von Aiwass/AIWAZ ofenbarten »Force and Fire«-Religion des Neuen Äons). Die Zahlenwerte der beiden Buchstaben Sh (Shin) und T (Teth) ergeben zusammen 3I, die Zahl der gesuchten Dynamik, die zwischen AL und LA waltet. ShT ist die »Feuerschlange der Lust«, und LAShTAL (= 93) die Große Magische Formel des Neuen Äons des Falkengottes Horus. Denselben Zahlenwert haben die Paßworte der Crowleyanity Agape (Liebe) und Thelema (Wille). Ebenfalls zur Zahl 93 summieren sich die Buchstaben von AIWAZ, jener luziferisch-satanischen Intelligenz, die Crowley den »Liber AL vel legis« diktiert hat. Ja sogar der gnostische Gott IAO (der den kosmischen Prozeß repräsentiert) erhält den Wert 93, wenn man das O als Ain schreibt und IAO zwischen zwei hebräischen Vavs plaziert (= mit der Sonne umkleidet bzw. ins Hexagramm einschreibt, welches Gott und Mensch vereinigt). Die sich so ergebende Sequenz VIAOV oder FIAOF ist in der Crowleyanity die Spezialformel für die Selbstinitiation. Die Zahlenwerte der voll ausgeschriebenen Buchstaben Vav, Yod, Aleph, Ain, Vav summieren sich wie die von ShT zu 309, die Nummer des alten Gottes Set. Dieser dunkle Zwillingsbruder des Horus und Mörder des Osiris, diese Personifikation des Astrallichts ist besser bekannt unter dem Namen »Satan«.
Satan das "wüste Scheusal" Laut Crowley beten ihn, ShT bzw. ShT-N (= der arabische »Shaitan«), die Yezidi an, jene heute etwa 100000 Mitglieder zählende kurdische Religionsgemeinschaft, die zu den leider verfolgten Minderheiten auf dieser Erde gehört und diesen Vorwurf der Teufelsverehrung weit von sich weist. Crowley hatte an eine Verbindung zwischen AIWAZ und OIVZ (oder Zivo), einer seiner früheren Existenzen als Yezide, geglaubt: Die Buchstabenfolge »Yzid« hat denselben Zahlenwert wie LA, AL und ShT. Auch soll sich der Name der Yezidi auf die neunte Sefira Yesod (Yesod Olam = das Fundament der Welt) beziehen. In Yesod (der Sohar nennt diese Sefira »Joseph, der Gerechte«) strömen die Kräfte aller darüberliegenden Sefirot zusammen. So formen sie den Phallós des himmlischen Menschen. Im Koitus vereinigen sich Yesod und die zehnte Sefira Malchuth (die »untere« Schechina). Yesod wird auch mit dem Muladhara-Chakra identifiziert, der psychosomatischen Basis der Kundalini-Schlange, deren tantrisch-yogische Erweckung der Zweck des heterosexuellec IX°-Ritus des O.T.O. ist.
Um von Set zu Shaitan zu gelangen, mußte Crowley dem ShT ein Schluß-Nun anhängen, was einer Bedeutungsverstärkung gleichkommt. Denn Nun ist der Buchstabe des Skorpions, des Zodialkalzeichens für die fleischliche Zeugung. Als geistiger Gegenspieler und Ergänzung des Skorpions gilt in der Esoterik der Adler. Das »Haus des Todes und der Auferstehung« wird durch Skorpion + Adler = Phönix symbolisiert. Im kosmischen Menschen bezeichnet die »Zone des Skorpions« die Sexualorgane. Am Himmel werden Skorpion und Jungfrau durch die Waage auf Distanz und in Balance gehalten. Legt man jedoch die bekannten astronomischen Zeichen des phallisch bewehrten Skorpions und das der Jungfrau (dieses unterscheidet sich von ersterem nur durch die Vulva anstelle des »Giftstachels«) übereinander, so erhält man das satanisch nach unten gekehrte Shin des Heiligen Geistes (des Urfeuers) in Verbindung mit einem Symbol für die sexuelle Vereinigung.
ShTN = Shaitan besitzt den Zahlenwert 359, die Hälfte von 718. Diese Zahl bezieht sich auf die zweiseitige (2 x 359) ägyptische »Stele der Offenbarung«, die in der Crowleyanity verehrt wird. Über sie heißt es im »Liber AL vel legis« (III, 19): »That stele they shall call the Abomination of Desolation; count well its name ...!, & it shall be to you as 718« (»Jene Stele werden sie den Greuel der Verwüstung nennen; zähle gut ihren Namen, er wird für dich 718 sein«). Der biblische Ausdruck »Greuel der Verwüstung« meint teuflischen Götzendienst und stammt aus der Bibel, nämlich dem angeblich im sechsten Jh. v.u.Z. verfaßten Buch Daniel. Wahrscheinlich ist die Stelle Dan 11, 3l, in der dieser Ausdruck verwendet wird, aber 400 Jahre jünger, denn sie »prophezeit« ein Ereignis, das in 1 Mak 1, S4 geschildert wird. Während des sechsten syrischen Krieges (gegen Ägypten) ließ der Seleukide Antiochos IV. (Theos) »Epiphanes« am 6. Dezember 167 v.u.Z. auf dem großen Brandopferaltar des Jahwetempels zu Jerusalem einen Altar des olympischen Zeus errichten (parallel dazu kam auf den Berg Garizim eine Statue des Zeus Xenios). Daraufhin brach der makkabäische Aufstand los: Am 14. Dezember 164 weihte Judas Makkabaios den von diesem »verwüstenden Greuel« gereinigten Tempel neu ein. Die Erinnerung daran wird bis heute mit dem jüdischen Chanukka-Fest gefeiert. So sieht es jedenfalls die traditionelle Exegese. Es bleiben aber einige Fragen offen. Vielleicht handelte es sich bei dem aufgezwungenen fremden Gott gar nicht um den harmlosen hellenistischen Zeus, sondern um den kriegerischen Jupiter Capitolinus Maximus, den Antiochus in Rom kennen- und schätzengelernt hatte. Das »wüste Scheusal« heißt im Originaltext »Shiqqus Shomem«, was den damals weitverbreiteten phönizischen »Himmelsherrn« (dessen Begleiter Sonne und Mond sind) Baal Shamem meinen könnte. Die Baale galten stets als Jahwes Feinde. Jedenfalls befand sich dieser Stein des Anstoßes nicht wie üblich in einer Cella, sondern unter freiem Himmel als Aufsatz auf dem Brandopferaltar und stellte nach Dan. 9,27 den Verwüster »Meshomem auf dem Flügel der Greuelwesen (Shiqqus)« dar. Es könnten damit kosmische und ; astrale Gottheiten angesprochen sein, wie sie später unter den Namen Abrasax, Aion und IAO in der Gnosis so beliebt waren. Auf der »Stele der Offenbarung« trägt gleichsam die Sonnenscheibe Hadit die über die Erde gekrümmte Himmelsgöttin Nuit auf einem mächtigen Flügelpaar. Und der bibelfeste Crowley hatte seinen Spaß daran, die von ihm im Kairoer Boulak-Museum unter der Katalognummer 666 entdeckte Grabstele des Amun-Priesters Ankh-f-n-Khonsu aus der XXVI. ägyptischen Dynastie als den eigentlich gemeinten Adressaten der dunklen Danielstelle zu bezeichnen und sich mit der kulturschändenden Tat des aggressiven hellenistischen Herrschers zu identifizieren.
Teufel und Titanen
Um die Tour d'horizon durch die Satansvariationen Altmeister Crowleys abzuschließen, müssen noch einmal die Titanen ins Spiel gebracht werden. Daß Crowley die Titanen, vor allem der Titan kat'exochen Prometheus sympathisch waren, ist nicht verwunderlich. Hat Prometheus doch in seinem »Zauberstab« (dem Phallós) das von ihm im Himmel gestohlene Feuer zur Erde herabgebracht und es den Menschen ge-schenkt. Wie konnte er aber numerologisch in Crowleys kabbalistisches System gebracht werden? Wenn man das griechische Wort »Titan« bzw. »Titên« (Homer nennt die Titanen in der Ilias »Titênes theoì«; die etymologischen Ableitungen von Tites = »Rächer« oder teino-titaino = »spannen, stemmen« sind alle zweifelhaft) TEITAN schreibt, so erhält man einen Zahlenwert 666, das ist die Zahl »eines Menschen«, der »großen Bestie« der Apokalypse (300 + 5 + 10 + 300 + 1 + 50 = 666). Zum richtigen Satan wird der Teitan aber erst durch die Behauptung, dieses Wort sei nichts anderes als die »chaldäische Form« des arabischen Wortes »Shaitan« (dessen »sumerische« Urform »Set« gewesen sein soll). Zu diesen Spekulationen ist Aleister Crowley wohl durch die Lektüre des 1916 erstmals publizierten Werkes des Klerikers Alexander Hislop »The Two Babylons, or the Papal Worship proved to be the Worship of Nimrod and his Wife« gebracht worden. Darin wird diese Interpretation der Zahl 666. auf den hl. Ire-näus im 2. Jahrhundert zurückgeführt, den Hislop mit dem Hinweis verteidigt, das hebräische Shin (oder Sin) verwandle sich im »Chaldäischen« (wir nennen es heute »aramäisch«) oft in ein »t«. »Sheitan« aber sei »der richtige Name, mit dem Satan seit unvordenklicher Zeit von den Teufelsanbetern Kurdistans angerufen worden ist; und von Armenien und Kurdistan kam dieser in die chaldäischen Mysterien integrierte Teufelskult westwärts nach Kleinasien, und danach zu den Etruskern und nach Rom«.
Nach Hislop war Teitan im »Chaldäischen System« niemand anderer als der Drache Typhon, der mit dem bösen Gott Set identisch ist. Hesiods Bericht über die Titanen, die »Söhne des Himmels« (i. e. des Uranos), zeige, daß sie von ihrem Vater verflucht und in die Hölle hinabgeworfen worden sind, was offensichtlich eine Dublette der biblischen Geschichte vom Sturz des Teufels und seiner Engel sei. Daher könne man, meinte Hislop, nicht nur Set mit dem Satan gleichsetzen, sondern auch Kronos (Saturn), den Anführer der Titanen. Diese Theorie könnte auch hinter einer sonderbaren Namengebung in Ron Hubbards Scientology stecken. Hubbard, der (wie schon gesagt) einmal magischer Mitarbeiter von Jack Parsons, einem prominenten Anhänger Aleister Crowleys in den USA, gewesen ist, nannte dasjenige im Men-schen, »das sich bewußt ist, daß es bewußt ist«, oder jene Identität, »die das Individuum ist«, den »Thetan«. Dieser kann durch die dianetischen und scientologischen Methoden so weit dekonditioniert (von traumatisierenden Bildern befreit) werden, daß er als sogenannter »Clear« »wissentlich und willentlich Ursache über mentale Masse, mentalen Raum und mentale Zeit sein kann«. Was (mit einer gewissen Einseitigkeit) den esoterischen Vorstellungen der Crowleyanity über das Satanische im Menschen entspricht. Bemerkenswerterweise fehlt beim Gründer der Scientology die im O.T.O. selbstverständliche sexuelle Symbolik. Hubbard berief sich bezüglich seines »Thetan« auf den griechischen Buchstaben Theta, welcher »Geist« bedeuten soll, während sich Crowley traditionellerweise (ich meine die im Golden Dawn gesammelten Traditionen) des hebräischen Alphabets bediente, wo der Buchstabe Shin (Sin), mit dem auch das Wort Satan beginnt, für den »Geist« steht. Der hebräische Buchstabe Teth aber ist die Lustschlange. Beide zusammen (ShT) ergeben den Shaitan.
Das Theta ist der achte Buchstabe des griechischen Alphabets, was nicht ganz unwichtig ist. Denn in der Gnosis gilt die »Ogdoas« als eine ambivalente Zone zwischen dem Reich der sieben bösen Archonten (den Beherrschern der damals bekannten Planeten) und dem Lichtreich der Freiheit. Der gefährliche Skorpion befindet sich (vom Widder an gerechnet) an achter Stelle im Tierkreis, und die apokalyptische 666 ist die »Dreieckszahl« von 8, was heißen soll, die Summe der Zahlen von 1 bis 36 = 666 und 36 (die mystische Zahl der achten Sefira Hod/Merkur) = die Summe der Zahlen von 1 bis 8. Für Ptolemaios war 8 die Venuszahl, denn acht Jahre braucht dieser Planet, um dem Tierkreis sein Pentagramm einzuschreiben.
In der crowleyanischen Neugnosis, die bestimmend ist für den modernen Satanismus, wird der »Teufel« schließlich zur Gottheit des Universums schlechthin erhoben: Shaitan = 359 und Crowleys Offenbarungsdämon Aiwass (oder die Formel Abrahadabra) = 418 ergeben zusammengezählt 777, die Zahl des Gottes Pan. Otto Karrer machte es sich also in der (Apg 13, 18 kommentierenden) Fußnote seiner beliebten römisch-katholischen Übersetzung des »Neuen Testäments« etwas zu leicht, wenn er zur Zahl 666 bemerkte: »Das Symbol der verkürzten, zu kurz gekommenen >Göttlichkeit< (denn das wahrhaft Göttliche wäre durch lauter Sieben versinnbildlicht).« 777 ist nicht nur die eben genannte Zusammenfassung von Shaitan und Aiwass sowie die Ziffer für alle Pfade und Kraftzonen des kabbalistischen Baumes, sondern auch die Zahl für die »Welt der Kelipot«, also der bösen Mächte. 777 symbolisiert das Empyreum bzw. den Äther ebenso wie den Baphomet der Templer und den Pfau der Yeziden. Multipliziert man die Zahlen der Venus und ihrer Taube (7 x 111), so ergibt dies 777. Die Differenz zwischen 666 und 777, die Zahl 111 also, bedeutet aber auch »dichte Finsternis«. Und schließlich besitzt der »Dagon« aus Lovecrafts Cthulhu-Mythos und Robert Temples »The Sirius Mystery« (1976) ebenfalls den Zahlenwert 777. Dieser amphibische Fischfang- und Ackerbaugott der Philister hieß in Berossos' »Babylonischen Geschichten« (3. Jahrhundert v. u. Z.) noch Odakon, kam aus dem Erythräischen Meer und begründete die babylonische Kultur. Robert Temple machte aus ihm einen Außerirdischen, der im Sirius-System daheim ist. Sirius aber gilt in der Crowleyanity als Set = Satan.
Aleister Crowleys ursprünglicher 777, der arkadische Hirtengott Pan, Sohn des Hermes, Begleiter des Dionysos, der in den orphischen Hymnen besungen wurde, ist ein Gott der Selbstbefriedigung, in die ihn Papa Hermes eingeweiht hatte: Als »Pan solutoris« (wie ihn Pausanias nannte) war er verantwortlich für das Lösen sexueller Hemmungen und Spannungen. Bekannt nicht nur als Masturbator, sondern auch als Frauen- und Knabenficker, verschmähte er jedoch auch Geißen und Nymphen nicht. In hellenistischer Zeit avancierte er zum Allgott. Pan ist das Urbild des »guten Hirten« - die Darstellungen Jesu mit dem Lamm, aber auch die des bockfüßigen Teufels variieren nur diese Konzeption. Im »christlichen« Humanismus der Renaissance war die Figur Pans sehr beliebt. Deshalb »entlarvte« der Hexenspezialist Jean Bodin (»De la Demonomanie ou des sorciers«, 1582) in seinen scharfen Attacken gegen die pantheistischen Thesen Picos della Mirandola Pan als den eigentlichen Satan des europäischea Teufels- und Hexenkultes in der Nachfolge der alten libertinistischen Gnosis. Jene nackte Frau, die auf dem »Tier 666« der Arkane XI (»Lust«) reitet und den Heiligen Gral emporhält, stellt die »Große Hure Babalon« dar. So lautet in der Crowleyanity auch der Amtstitel jener »Priesterin«, die im Ritus IX° als Shakti fungiert. Man sagt »Babalon« und nicht (wie die Stadt in der Bibel genannt wird) »Babylon«, weil ersteres Wort den Zahlenwert 156 besitzt, das ist die Nummer für »Zion«, den heiligen Berg der Initiation, und (nach Dr. John Dee) für die »Stadt der Pyramiden unter der Nacht von Pan«...