Eines Tages versammelten sich am Hofe Cheops alle Söhne um ihrem Vater mit wundersamen Zaubermärchen zu erfreuen. Prinz Chephren trat als erster vor und fing an folgende Geschichte zu erzählen:
Zur Zeit des Königs Nebka ließ seine Majestät in Memphis ein riesiges Fest veranstalten, zu dem alle wohlhabenden Bürger seines Landes eingeladen waren. Darunter war auch der Oberste Vorlesepriester Uba-oner. Seine Frau aber wollte nicht auf das Fest zu gehen und schickte lieber eine Dienerin zu einem Mann aus dem Volk, der ihr als Vorwand einen Kasten voller Kleider bringen sollte. Als der Mann mit den Kleidern kam, sagte sie dem Gartenaufseher er solle die Gartenlaube mit Getränken und Essen ausrüsten, und wenn er dies erledigt hat, solle er weggehen. Als dies geschehen war, ging sie mit dem Mann in die Laube, wo sie den ganzen Tag mit ihm verbrachte. Am Abend wollte der Mann im Teich baden und die Dienerin führte ihn hinab zum Wasser. Der Gartenaufseher beobachtete ihn und nahm sich vor alles Uba-oner zu erzählen. Als der nächste Morgen begann, eilte der Gartenaufseher zu seinem Herrn und berichtete ihm alles, was er gesehen hatte. "Hole mir meine (Zauberbücher und -geräte in dem Kasten) aus Ebenholz und Gold. Ich forme einen (Rächer) und schicke ihn als meinen Boten zu ihm." Dann formte er ein Krokodil aus Wachs mit einer Länge von sieben Fingern und sprach folgenden Zauberspruch: "Wenn er kommen wird, um in meinem See zu baden, (dann sollst du ihn mir packen, den Mann!)" Dann gab er es dem Aufseher und sagte zu ihm: "Wenn der Mann in den Teich gestiegen ist, wie er es täglich zu tun pflegt, dann wirf das Krokodil hinter ihm her!" Der Gartenaufseher nahm das Krokodil in die Hand und machte sich auf den Weg in den Garten. Wieder gab die Frau Uba-oners ihm den Befehl die Gartenlaube mit Essen und Trinken auszurüsten und sich dann zu entfernen. Am Abend ging der Mann zu dem Teich, um wie jeden Tag ein Bad zu nehmen. Als er in das Wasser stieg, nahm der Gartenaufseher das Krokodil und warf es ins Wasser. Aus dem kleinen Krokodil aus Wachs wurde innerhalb kürzester Zeit ein echtes mit einer Länge von 7 Ellen, das den Mann sofort packte und in die Tiefen des Teiches zerrte. Uba-oner blieb sieben Tage beim König Nekba, während der Mann in der Tiefe des Teichs war, ohne zu atmen. Als die sieben Tage um waren, wollte der König wieder zurück zu seinem Palast, aber Uba-oner hielt ihn zurück und sprach: "(Mit Vergunst, darf ich) etwas sagen? Möge Deine Majestät kommen und sich das Wunder ansehen, das zur Zeit deiner Majestät geschah." Der König war einverstanden und ging mit ihm zu Teich, wo Uba-oner das Krokodil wieder herauf rief. Er kam sogleich mit dem Mann zwischen seinen Zähnen und als Uba-oner ihm befahl zurückzukehren, packte es den Mann erneut und verschwand wieder ins Wasser. Der Pharao war sehr angetan: "Wahrlich, dieses Krokodil ist schauderhaft!" Dann rief Uba-oner das Krokodil wieder, nahm es und es wurde wieder zu einem kleinen Krokodil aus Wachs. Dann erzählte er dem König was zwischen ihm und seiner Frau vorgefallen war. Der König war ernzürnt über den Vorfall und rief dem Krokodil "Hol dir das deine!" zu und es verschwand wieder mit dem Mann und war von da an nie mehr gesehen. Die Frau Uba-oners wurde zum Schindanger im Norden der Residenz geschafft, dort verbrannt und ihre Asche in den Fluss geworfen.
Sieh, ein solches Wunder hat sich zur Zeit deines Ahnherrn Nebka ereignet, eines von denen, die der Oberste Vorlesepriester Uba-oner vollbracht hat. Dann ließ König Cheops tausend Brote, hundert Krug Bier, einen Ochsen und zwei Kugeln Weihrauch für König Nebka, und einen Kuchen, einen Krug Bier, ein Stück Fleisch und eine Kugel Weihrauch dem Obersten Vorlesepriester Uba-oner spenden. Als nächster trat der Prinz Baufre vor und fing an, seine Geschichte zu erzählen:
Eines Tages war es dem Pharao Snofru sehr langweilig und er irrte durch den Palast, mit der Hoffnung ihm würde was Gescheites einfallen. Nach einer ganzen Weile gab er es aber auf und er ließ seinen obersten Vorlesepriester Djadja-em-anch rufen. Vielleicht hätte er ja eine Idee. Und er wusste tatsächlich Rat. All die Schönheiten, welche in den Kammern Eures Palastes wohnen solle er zusammenrufen und auf den See rudern lassen. Snofru fand die Idee großartig: "Also werde ich meine Ruderfahrt unternehmen. Man hole mir zwanzig goldbeschlagende Ruder aus Ebenholz, deren Griffe aus Sandelholz mit Weißgold beschlagen sind. Dann hole man mir zwanzig Frauen mit makellosem Körper und (junger) Brust und mit Zopffrisur und die noch nicht geboren haben. Man hole mir weiterhin zwanzig Netze und gebe diese Netze den Frauen anstelle ihrer Kleider." Also trommelte man alle schönen Frauen des Harems zusammen, stülpten ihnen ein Netz über und gaben ihnen ein Ruder in die Hand. So bestückt gingen sie hinunter zum See und nahmen in einem riesigen Boot Platz. Der Anblick ihres Ruderns stimmte das Herz seiner Majestät heiter und er war sich sicher, dass das nicht seine letzte Bootsfahrt dieser Art sein würde. Und so lauschte er angetan den Stimmen der Frauen, die zu singen angefangen hatten. Aber plötzlich verstummten sie. Eine feine Dame von besonderer Schönheit hatte aufgehört zu rudern und jammerte, dass sie ihre Haarspange, ein Fischamulett aus Türkis, verloren hätte. Snofru bot ihr an, ihre Spange zu ersetzen, aber sie wollte nur ihre. Und so wurde wieder Djadja-em-anch gerufen und man erläuterte ihm die Situation. Der Vorlesepriester gebot dem Wasser des Sees sich zu teilen und tatsächlich gehorchte es ihm und am Grund des Sees fand man die Spange der feinen Dame in einer Tonscherbe wieder. Nun konnte die Ruderpartie endlich wieder fortgesetzt werden.
Sieh, das ist das Wunder, das sich zur Zeit deines Vaters Snofru, des Seligen, ereignet hat, eines von denen, die der Oberste Vorlesepriester und Buchschreiber Ddjadja-em-anch vollbracht hat. Dann ließ König Cheops tausend Brote, hundert Krug Bier, einen Ochsen und zwei Kugeln Weihrauch für Snofru, und einen Kuchen, einen Krug Bier und eine Kugel Weihrauch für den Obersten Vorlesepriester und Buchschreiber Djadja-em-anch spenden.
Nun erhob sie Prinz Djedefhor und sagte, dass der König bisher nur von Magiern gehört hätte, die schon längst tot waren. Er aber kenne jemanden der vor dem Augen des Pharao noch ein Wunder vollbringen kann. "Es gibt einen Mann mit Namen Djedi", sagte er, "der in der Stadt der Pyramide des Königs Snofru, des Seligen wohnt. Er ist ein Mann von hundertundzehn Jahren, der fünfhundert Brote isst und einen halben Ochsen an Fleisch und der hundert Krüge Bier trinkt, bis auf den heutigen Tag. Er kann einen abgeschnittenen Kopf wieder aufsetzen; er kann einen Löwen hinter sich hergehen lassen, während dessen Strick am Boden schleift; und er kennt auch die Zahl der Naoi des Thot-Heiligtums." Cheops wollte diesen Mann unbedingt kennen lernen und ließ ihn an seinem Hof bringen. "Wie kommt es, Djedi, dass es mir noch nicht vergönnt war, dich zu sehen?" sagte Cheops als er vor ihm stand. "Wer gerufen wird, kommt, o König. Man hat nach mir gerufen, und sieh, ich bin gekommen." Da fragte seine Majestät: "Ist es wahr, was erzählt wird, dass du einen abgeschnittenen Kopf wieder aufsetzen könntest?" "Ja, ich kann es, König, mein Herr." antwortete Djedi ihm. "Man bringe mir den Gefangenen her, der im Gefägnis ist auf dass er hingerichtet werde." rief der König Djedi war mit dieser Grausamkeit aber nicht einverstanden. "Es ist doch verboten sowas an der Heiligen Herde (Gottes) zu tun." sagte er und ließ sich eine Nilgans bringen. Dann schnitt er den Kopf ab und man legte den unteren Teil der Gans an der Westseite der Großen Halle, den Kopf an der Ostseite. Djedi sprach ein paar Zauberworte und das Unterteil der Gans richtete sich auf und watschelte auf ihren Kopf zu, der das gleiche tat. Dann setzten sich beide Teile wieder zusammen und die Gans fing an zu schnatterte. Dasselbe führte Djedi mit einem anderen Vogel und einem Rind vor. Auf Wunsch des Königs brachte man ihm auch einen wilden Löwen, der nach ein paar Zauberworten artig, den Strick hinter sich her schleifend, hinter Djedi hertrottete. Dann fragte ihn der König nach der Anzahl der geheimen Kammern des Thot-Heiligtums. Djedi aber antwortete, dass er nicht die Anzahl, wohl aber den Standort wüsste, an dem sich die Rolle mit der Zahl befindet. Sie würde in einer Steinkiste in Heliopolis liegen, in einer Kammer, die "Archiv" heißt. Der König befahl ihm sofort die Kiste zu holen, aber Djedi meinte, dass sie nur der älteste der drei Kinder der Ruddedet bringen kann. Das war dem König auch recht, aber seine gute Stimmung verflog, als ihm Djedi berichtete, dass Ruddedet mit drei Kindern des Res schwanger ist, und dass alle drei mal Könige werden. Der Pharao beruhigte sich etwas, als er ihm sagte, dass aber erst sein Sohn und dessen Sohn König von Ägypten sein würden...
Hier gehn die "Zaubermärchen" über in eine politischen Geschichte, die die Herrschaft der Könige der 5. Dynastie, die sich selbst "Söhne des Re" nannten, legitimieren sollen. Cheops verfolgte die Drillinge noch, aber er schaffte es nicht, die drei zu töten. Das Ende der Geschichte fehlt, genauso wie der Anfang. Man sagt, dass Cheops neun Söhne hatte. Der letzte Rest vom Vorredner Chephren ist uns noch erhalten geblieben, es fehlen also, wenn man glaubt, dass Cheops neun Söhne hatte, fünfeinhalb Wundergeschichten.
Die Geschichte stammt vom Papyrus Westcar (etwa 1700 v.Chr., zur Zeit der Hykosherrschaft) von Berlin und wurde frei erzählt. Nur die wörtliche Rede habe ich von der Übersetzung von Diederichs Märchen der Weltliteratur, "Altägyptische Märchen", erschienen im Rowohlt Verlag, übernommen.
Es war einmal ein Löwe in der Wüste, der stark war an Kraft und gern jagte. Das Wild der Berge kannte die Furcht und Schrecken vor ihm. Eines Tages begegnete er einem Panther, dessen Haut geschunden und dessen Fell zerrissen war; halb tot, halb lebendig, trug er viele Wunden. Da sagte der Löwe: "Wie kommst du in diesen Zustand, in dem du bist? Wer hat deine Haut zerrissen, dein Fell geschunden?" Da antwortete ihm der Panther: "Der Mensch ist es gewesen." Da sagte der Löwe zu ihm: "Der Mensch? Wer ist das?" Und der Panther antwortete ihm: "Es gibt nichts Listigeres als ihn, den Menschen. Mögest du niemals in die Hand des Menschen fallen!" Da wurde der Löwe zornig auf den Menschen und ging von dem Panther weg, um den Menschen zu suchen. Da begegnete der Löwe einem (Haustier-) Gespann, an dessen Zaumzeug (eine Trense) war; ein Gebiss war im Maul des Pferdes und eine Kandare im Maul des Esels. Der Löwe sprach zu ihnen: "Wer ist das gewesen?" Da sagten sie: "Unser Herr, der Mensch ist es gewesen." Da sagte er: "Ist der Mensch denn stärker als ihr?" Und sie antworteten: "Unser Herr, es gibt nichts Listigeres als ihn, den Menschen. Mögest du nie in die Hand des Menschen fallen!" Da wurde der Löwe zornig auf den Menschen und ging von ihnen fort. Es begegnete ihm nun folgendes mit einem Stier und einer Kuh, deren Hörnerspitzen abgestumpft, deren Nasen durchbohrt und an deren Köpfen Stricke waren. Er fragte sie, und sie nannten ihm wieder den gleichen Grund. Dann begegnete ihm folgendes mit einem Bären, dessen Krallen ausgerissen und dessen Zähne abgestumpft waren. Er fragte: "Ist der Mensch auch stärker als du?" Er sagte: "So ist es. Mir diente ein Diener, und er bereitete mein Futter zu. Da sagte er einmal zu mir: 'Wahrlich, deine Krallen hängen aus deinem Fleisch heraus. Du kannst mit ihnen kein Futter mehr fassen. Deine Zähne sind lose, und sie lassen das Futter deinem Maule nicht mehr schmecken. Lass sie mich herausziehen! Ich hole dir das Doppelte an Futter.' Da ließ ich sie ihn herausziehen, und er nahm meine Krallen und meine Zähne an sich; ich hatte aber keine andere Kraft außer ihnen. Er streute mir Sand in den Augen und lief von mir fort." Da wurde der Löwe zornig auf den Menschen und ging von dem Bären weg, um den Menschen zu suchen. Da traf er einen (anderen) Löwen, der zwischen einem Wüstenbaum (so eingeklemmt war), dass das Holz sich über seine Tatze schloss, so dass er sehr traurig war, weil er nicht weglaufen konnte. Da sagte der Löwe zu ihm: "Wie kommst du in diese schlimme Lage, in der du bist? Wer hat dir das angetan?" Da sagte ihm der andere Löwe: "Der Mensch ist es gewesen. Hüte dich! Trau ihm nicht! Der Mensch, er ist schlecht. Begib dich nicht in die Hand des Menschen! Ich hatte zu ihm (dem Menschen) gesagt: 'Was für ein Gewerbe betreibst du?' Da sagte er: 'Mein Gewerbe ist es, einen alt werden zu lassen. Ich könnte dir einen Talisman machen, dass du nie stirbst. Wohlan, ich will dir ein Stück Holz abschneiden und es dir als Talisman auf deinen Leib legen, auf dass du in Ewigkeit nicht sterben wirst.' Da ging ich mit ihm, bis zu diesem Wüstenbaum. Er sägte ihn ab und sagte zur mir: 'Gib deine Tatze her!' Da legte ich meine Tatze zwischen das Holz und er schloss einen Spalt darüber zu. Als er nun von mir wusste, dass meine Tatze gefesselt war, so dass ich nicht hinter ihm herlaufen konnte, da streute er mir Sand in die Augen und lief fort." Da lachte der Löwe und sagte: "O Mensch, wenn du in meine Hand fällst, dann zahle ich dir das Leid heim, das du meinen Gefährten in der Wüste angetan hast!" Als nun der Löwe auf der Suche nach dem Menschen hinausging, da begab es sich, dass sich eine kleine Maus unter seiner Tatze verlief, zierlich von Aussehen und winzig an Gestalt. Als er im Begriff war, sie totzutreten, sagte die Maus zu ihm: "(Zertritt) mich nicht, mein Herr Löwe! Wenn du mich frisst, wirst du davon nicht satt. Wenn du mich loslässt, so wirst du nach mir nicht weiter Hunger haben. Wenn du mir aber mein Leben als Geschenk gibst, so werde ich auch dir dein Leben als Geschenk geben. Wenn du mich vor dem Verderben bewahrst, so werde ich dafür sorgen, dass (auch) du deinem Unglück entgehst." Da lachte der Löwe über die Maus und sagte: "Was willst du schon tun? Gibt es denn einen auf Erden, der es mit mir aufnehmen könnte?" Da schwur sie ihm noch einen Eid mit den Worten: "Ich werde dafür sorgen, dass du deinem Unglück entgehst an deinem bösen Tage." Der Löwe hielt zwar das, was die Maus zu ihm gesagt hatte, für Scherz, aber er überlegte bei sich: Wenn ich sie fresse, werde ich wahrhaftig nicht satt - und er ließ sie frei. Es war einmal ein Jägersmann mit einem Netz, der Fallen stellte und eine Fallgrube vor dem Löwen aushub. Nun fiel der Löwe in die Fallgrube und geriet so in die Hand des Menschen. Man steckte ihn in das Netz, fesselte ihn mit trockenen Riemen und band ihn mit frischen Riemen. Als er nun traurig in der Wüste lag - es war die Nachtstunde des Herzerfreuens-, da wollte der Schicksalsgott ihren (der Maus) Scherz wahr machen wegen der prahlerischen Worte, die der Löwe gesprochen hatte, und er ließ die kleine Maus vor dem Löwen treten. Sie sagte ihm: "Erkennst du mich wieder? Ich bin die kleine Maus, der du das Leben gegeben hast. Ich bin gekommen, um es dir heute zu vergelten, und will dich aus deinem Unglück erretten, nachdem du (in die Hand des Menschen) gefallen bist. Schön ist es, dem eine Wohltat zu erweisen, der sie selbst getan hat." Da legte die Maus ihren Mund an die Fesseln des Löwen. Sie zernagte die trockenen Riemen und durchbiss alle frischen Riemen, mit denen er gebunden war, und löste den Löwen von seinen Fesseln. Dann aber versteckte sich die Maus in seiner Mähne, und er machte sich an jenem Tage mit ihr auf in die Wüste.
Möge der Hörer lernen aus dem wunderbaren Ereignis, das hier erzählt ist von der kleinen Maus, dem schwächsten Tier in der Wüste, und dem Löwen, dem stärksten Tier in der Wüste. Möge er an den glücklichen Vorfall denken, den der Schicksalsgott hat geschehen lassen, damit sein Heil sich erfülle.
Die Fabel ist ein Teil vom "Mythos vom Sonnenauge", in der Thot versucht, die Sonnenkatze Tefnut von Obernubien wieder zurück nach Ägypten zu holen. Das erweist sich als ziemlich schwierig, denn wenn Tefnut wütend wird, verwandelt sie sich in eine herrische Löwin und als Tochter des Re kann sie über Leben und Tod entscheiden und somit Thot töten. Um sie also gnädig zu stimmen, erzählt er ihr einige Fabeln, darunter auch die vom Löwen und der Maus. Diese Fassung stammt aus römischer Zeit, die Geschichte ist aber schon früher belegt.
Die Autobiographie des königlichen Haremsbeamten und Gefolgsmann Sinuhe aus der 12. Dynastie ist die bekannteste und ungewöhnlichste Geschichte der altägyptischen Literatur. Ungewöhnlich deshalb, weil sie so lebendig und ausdrucksstark geschrieben wurde und Gefühle eine große Rolle spielen. Dies findet man nicht gerade oft in alten Grabinschriften, in denen sich meistens nur trockene und starr erzählte Lebensgeschichten finden, bei der nur die Aufzählung der Titel und die Glanzleistungen, die man verbracht hat, eine Rolle spielen.
Aber nun zu der Geschichte:
Eines Tages bringt ein Bote eine Nachricht zum Kronprinzen Sesostris ins Feldlager, in der geschrieben steht, dass sein Vater Amenemhet I. verstorben ist. Sinuhe bekommt dies zufällig mit und gerät sofort in Panik. Den Grund dafür, erfährt der nichtägyptische Leser nicht. Aber der ägyptische Leser kennt den tragischen Tod Amenemhet. Er ist einer Verschwörung zum Opfer gefallen und Sinuhe als hoher Beamter muss befürchten, dass man ihn der Mitwisserschaft beschuldigt. Deshalb flieht er durch unwegsames Gebiet, weit ab der Straßen, nach Palästina. Dort angekommen wird er von einem Fürsten des Landes aufgenommen, der von Sinuhe schon viel gehört hat, denn durch das hohe Ansehen am ägyptischen Hof ist er über die Grenzen hinaus bekannt. Der Fürst gibt ihm seine Tochter zur Frau und schenkt ihm die schönsten Länder seines Herrschaftsgebietes. Als Befehlshaber der Truppen macht Sinuhe Karriere und beendet jeden Feldzug mit einem Sieg und einer reichhaltigen Beute. Aber sein Reichtum und seine Beliebtheit erweckt auch bei vielen Neid. Ein Mann von einem benachbarten Stamm - "nicht gab es seinesgleichen" - fordert ihn zum Kampf auf, um ihn seines ganzen Reichtums zu berauben. Das ganze Land strömte zusammen, um Zeuge dieses spannenden Zweikampf zu sein (die Frauen sind natürlich allesamt für den schönen und starken Sinuhe). Der Kampf beginnt. Der Herausforderer schießt alle seine Pfeile auf Sinuhe, doch der kann jeden geschickt ausweichen. Wütend darüber stürmt der Gegner auf ihn los, doch Sinuhe nutzt die Gunst der Stunde und schießt einen Pfeil direkt in den Hals des Unglücklichen.
Nun kann Sinuhe viele Jahre in Frieden und Wohlstand verbringen, doch die Sehnsucht nach seinem geliebten Ägypten wird immer größer. Ein Brief von Sesostris I. ruft ihn nach Ägypten zurück. Bei einer Audienz, aber der sich die ägyptischen Höflinge über seine asiatische Kleidung und Barttracht lustig machen, läuft er Gefahr die Gnade des Königs zu verscherzen, denn die Gefühle übermannen ihn und er fällt in Ohnmacht. Aber die Königskinder besänftigen den Pharao mit einem Lied und er schenkt Sinuhe ein Hofamt und eine Grabstätte auf dem Friedhof der Residenz.
(Nachdem Amun der Götterneunheit seinen Entschluss verkündet hat, dem Lande Ägypten einen neuen König zu zeugen, beauftrag er Thot, nach der Königin zu suchen. Thot antwortet "Jene ist die Fürstin, Iahmes ihr Name. Schöner ist sie als jede Frau in diesem ganzen Lande; sie ist die Gattin des Herrschers, des Königs Acheperkare (Thutmosis I.), er ist mit Leben begabt ewiglich. Seine Majestät aber ist noch ein Kind. Geh doch bitte (zu) ihr." (Amun wird von Thot zur Königin geleitet, nachdem) er seine Gestalt zu der dieses ihren Gatten, des Königs von Ober- und Unterägypten Acheperkare (gemacht) hatte. Sie fanden sie, wie sie ruhte im Innersten ihres Palastes... Er ging sogleich zu ihr, er entbrannte in Liebe zu ihr; er gab sein Herz zu ihr hin, er ließ sie ihn sehen in seiner Gottestgestalt, nachdem er vor sie gekommen war, so dass sie jubelte beim Anblick seiner Vollkommenheit; seine Liebe, sie ging ein in ihrem Leib... Gesprochen wird aber von der Königsgemahlin und Königsmutter Iahmes zu der Majestät dieses herrlichen Gottes, des Amun, Herrn von Karnak: "Mein Herr, wie groß sind doch deine Bas! Herrlich ist es, dein Antlitz zu sehen. Du hast meine Majestät mit deinem Glanz umfangen, dein Duft ist in allen meinen Gliedern", nachdem die Majestät dieses Gottes alles, was er wollte, mit ihr getan hatte. Gesprochen wird durch Amun, den Herrn von Karnak, zu ihr: "Hatschepsut-Chenemet-Amun (Hatschepsut, die Amun umfängt) ist also der Name dieses deines Sohnes, den ich in (deinen) Leib gelegt habe. Sie wird dieses wohltätige Königtum in diesem ganzen Lande ausüben.
Aus dem Totentempel der Hatschepsut von Deir el-Bahari nach Hellmut Brunner