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Dieses Thema hat 2 Antworten
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 Von Ra bis Horus
Linoma Offline




Beiträge: 1.500

01.05.2010 21:24
RE: Tierkult in Ägypten Antworten

Ägyptische Götter wurden im alten Ägypten primär in der Gestalt eines Tieres erlebt. Das ist bei mehreren Völkern, nicht nur bei den Ägyptern, der Fall gewesen.

Das hat mehrere Gründe. Der frühere Mensch war sehr viel mehr vom Tier abhängig, als der heutige Mensch. Einerseits war sein Überleben vom Tier abhängig, andererseits wurde sein eigenes Überleben von Tieren bedroht.

Tiere sind auf eine ganz bestimmte Überlebensstrategie ausgerichtet und entsprechend spezialisiert. Das ist beim Menschen nicht der Fall. Diese Überlegenheit bestimmter Tiere brachte die Ägypter dazu, sie zu vergöttlichen, sie also über sich selbst zu stellen. Das zog einen regen Tierkult nach sich.

Die Überlegenheit des Tieres beschränkte sich aber nicht nur auf seine physische Kraft. Dem Tier wurde Wissen unterstellt und damit Geist, denn es wirkte zielorientiert und sicher. Heute bezeichnen wir dieses "Wissen" als Instinkt. Der Instinkt ist dem Tier angeboren. Es kann nicht über sich selbst hinauswachsen. Ein Mensch ist fähig sein Leben lang zu lernen und über sich selbst hinaus zu gehen. Ansonsten würde er den Anforderungen seiner immer komplexeren Umwelt, die er selbst schafft, nicht gerecht werden.

Die Grenze zwischen Mensch und Tier wurden im alten Ägypten anders gezogen, als wir das heute tun. Das Tier zeigt seine Kraft, seine spezielle Stärke. Es offenbart damit sein geheimes Wissen. Entsprechend wurde die Gestalt der ägyptischen Götter primär an bestimmte Tiere geknüpft und entsprechend verehrt.

Die Tier-Darstellungen der ägyptischen Götter sind unterschiedlich

Gerne werden sie mit menschlichem Körper und dem Kopf des entsprechenden Tieres dargestellt. Hier drückt sich womöglich eine religiöse Erfahrung der alten Ägypter aus, die nach reineren Formen der Darstellung verlangt. Z.B. wurde Horus mit dem Kopf eines Falken konstruiert.
Nicht ganz so häufig findet man die umgekehrte Variante vor. Der Kopf wurde menschlich und der Körper in Tiergestalt geformt, z.B. beim Gott Ba (Ba-Vogel).

Ägyptische Götter wurden aber auch in der wirklichen Gestalt des Tieres dargestellt. Es gibt z.B. zahlreiche Falken-Statuen von Horus in reiner Tiergestalt, wenn auch oft mit der Krone Ober- und/oder Unterägyptens.
Auch lebende Tiere wurden als Inkarnation bzw. Ausdruck eines Gottes verehrt. Meistens mussten diese heiligen Tiere ganz bestimmte Merkmale aufweisen, wie z.B. der Apis-Stier.

Anhand der Tiergestalt eines Gottes bzw. das ihm zugeordnete Tier, kann schon vieles über ihn in Erfahrung gebracht werden. Bleiben wir beim Beispiel des falkenköpfigen Gottes: Horus. Der Falke hat mehrere hervorstechende Eigenschaften:
Er ist ein excellenter Jäger - er greift seine Beute zielsicher im Flug an.

Er kann ausgezeichnet sehen, verfügt über Weitblick, was auch übertragen verstanden werden kann: er überblickt die Zukunft.
Aufgrund seiner Perpektive überblickt er das gesamte Land. Übertragen verstanden, sieht er die Welt als Ganzes.
Mit der mächtigen Spannbreite seiner Flügel, umspannt er die ganze Welt und wird daher auch als Schutzgott verehrt, der seine Flügel schützend über die Menschen legt.

___________________________________________________________________

Ein enger Zusammenhang der ägyptischen und griechischen Vorstellungen von den Göttern gilt durch Herodot als erwiesen. Beide Kulturen beeinflussten sich gegenseitig, allerdings erst in der Spätzeit. Herodot fand heraus, welcher griechische Gott seinem entsprechend ägyptischen Äquivalent entspricht. Daher besteht die Möglichkeit, ägyptische Götter griechisch zu unterlegen und zu deuten. Das gilt natürlich auch in umgekehrter Richtung.

[ Editiert von Administrator Linoma am 01.05.10 21:25 ]

Die Wahrheit wiegt meistens schwer.

Linoma Offline




Beiträge: 1.500

01.05.2010 21:26
#2 RE: Tierkult in Ägypten Antworten

Der Tierkult im alten Ägypten

Der Tierkult im alten Ägypten erinnert an die religiöse Praxis primitiver Völker. Die Erklärung dafür ist einfach, denn der primitive Mensch war von dem Tier wesentlich abhängiger, als wir das heute sind. Die Lebensweise des damaligen Menschen war stark von der Anwesenheit wilder Tiere geprägt, auf die er sich einzustellen hatte.

Er lebte von ihnen, wurde aber auch von ihnen bedroht. Tiere wirkten durch ihren Instinkt viel zielsicherer, als ein Mensch. Doch das beschränkte sich nicht nur auf ihre physische Kraft. Sie erweckten den Eindruck über gewisse, dem Menschen überlegene, geistige Kräfte zu verfügen.

So geschah es, dass einigen Tieren ein höherer Status gegeben wurde, als dem Menschen. Demzufolge wurde das Tier wegen seiner geistigen Überlegenheit und seiner göttlichen Kräfte verehrt.

Die tierische Gottesvorstellung gründet also eher in einer allgemein primitiv-menschlichen Bewusstseinslage. Früh ist der alte Ägypter darüber hinausgegangen, indem er die Gottesbilder vermenschlichte (siehe: Ägyptische Götter und Tiere). Dennoch behielten diese Gottesbilder tierische Merkmale, z.B. indem man dem Gott einen Tierkopf gab. Geheiligte Traditionen lassen sich nur schwer verändern, deshalb spielte der Tierkult im alten Ägypten immer eine Rolle, auch wenn er gewisse Veränderungen durch machte.

Tierische Kultsymbole hatten zweierlei Erscheinungsformen:

Ein aus Stein-, Holz- oder Ton-gefertigtes Tier wurde als Idol verehrt.
Ein lebendes Tier wurde verehrt, (welches gewisse Merkmale aufweisen musste). Es wurde als die Inkarnation eines Gottes angesehen.
In der Vorzeit hatte die Verehrung lebendiger Tiere und nicht die Verehrung von angefertigten Statuen überwogen, was sich jedoch im Laufe der Zeit änderte.

Die Folgen des Tierkultes


Tiere, die als Artgenossen eines Gottestieres verehrt wurden, genossen keinen Kult und wurden auch nicht aufwendig bestattet. Doch man sorgte für sie, was auch die eigenen Haustiere miteinschloss, z.B. Katzen, Hunde oder Schlangen. Wenn sie sich in Gefahr befanden, z.B. beim Ausbruch eines Feuers, so setzte man alles daran sie zu retten. Auch wurden sie betrauert, wenn sie starben. Freilebende Tiere, die zur Gattung eines heiligen Tieres gehörten, begegnete man mit einer gewissen Ehrfurcht. Auch für sie wurde gesorgt, indem man Futterplätze einrichtete.

Die Verehrung der Tiere hatte auch Entartungen des Tierkultes zur Folge, z.B. wenn das Tier sehr stark verehrt wurde, so dass man sich selbst im Fall eines tödlichen Angriffs nicht mehr verteidigte. So wurde der getötete Mensch beglückwünscht, da man den Angriff als eine begnadete Tat des entsprechenden Gottes deutete. Der übersteigerte Tierkult hatte auch Glaubenskämpfe zur Folge. Das lag daran, dass nicht im gesamten Ägypten die Gottestiere gleichermaßen als heilig galten. So wurden in einigen Gebieten Hunde geschlachtet, die wiederum in anderen Gebieten Ägyptens als heilige Tiere galten. Solche religiösen Gegensätze wurden mit Waffen ausgetragen.

Der Tierkult war durchgehend zwielichtiger Natur, was zu Konflikten und Missverständnissen führte. Zum einen vergottete der Volksglauben das Tier bis in die letzte Konsequenz.

Zum anderen besagte die Lehre der Wissenden, dass ein Abstand zwischen dem Gott und dem Tier bestehen bleibt und dass das Tier nur ein Zeichen des Gottes darstellt. Dieser Zwiespalt konnte nicht aufgehoben werden, er vertiefte sich eher. Das Tier konnte nicht gleichzeitig Medium und das sichtbare Ziel der Verehrung sein.

Man darf hier nicht vergessen, dass das Tier letztendlich der Mittler des Göttlichen sein sollte.

Die Wahrheit wiegt meistens schwer.

Linoma Offline




Beiträge: 1.500

01.05.2010 21:27
#3 RE: Tierkult in Ägypten Antworten

Das heilige Tier zwischen Mensch und Gott

Das Verhältnis von Gottheit und Tier wurde sehr unterschiedlich erlebt, weshalb sich der Begriff des Tierkultes nicht eindeutig bestimmen lässt. Heilige Tiere stehen in der gleichen Tradition wie Kultobjekte.

D.h. heilige Tiere sind einerseits nicht mehr als ein Medium (Mittel), das sich die Gottheit zum Sitz erwählt hat. D.h. aber, dass die Gottheit und ihr zugeordnetes Tier nicht ein und dasselbe sind. Das heilige Tier ist also nur ein mögliches Mittel, mit Hilfe dessen die entsprechende Gottheit erfahren werden kann. Deshalb konnte man die Gottheit auch als menschliche Gestalt oder als Mischgestalt (Mensch und Tier) darstellen.

Auf der anderen Seite unterscheiden sich die Tiere jedoch von sonstigen Kultobjekten. Denn sie haben einen eigenen Charakter und sind lebendige und empfindsame Wesen. Daraus hat wohl der Tierkult immer seine Berechtigung gezogen.

Eine Folge des lebendigen Tierkultes war, dass das entsprechende, vergöttlichte Tier besondere Merkmale aufweisen musste. Dennoch betrachtete man dieses Tier nicht isoliert von seinen Artgenossen. Oft leben Tiere in Rudeln oder Herden zusammen. Insofern hatten auch seine Artgenossen eine gewisse Sonderstellung, z.B. wurden sie als die Gefährten des ausgewählten Tieres angesehen. Der Tierkult tendierte also dazu, einer ganzen Gattung eine Sonderstellung zu geben. Man unterschied noch weiter. Heilige Tiere wurden von Tempeltieren unterschieden. Letztere nahmen einen höheren Status ein, d.h. nur in ihm wurde der entsprechende Gott verehrt.

Ein bekannter Tierkult, der durch die lange altägyptische Geschichte fortlebte, war der Apiskult (siehe: Apis - Kult des Stieres) und der Kult des Widders von Mendes. Hier lebte die Tradition unverändert fort, d.h. die besonderen Tiere beider Kulte blieben die Manifestation eines Gottes, der in ihnen allein seinen Sitz hatte. Damit hatte man die Gottestiere gegenüber anderen Tieren klar abgegrenzt.

Im Gegensatz dazu hielt man manche heilige Tiere, jedoch ohne sie selbst zu vergöttlichen. Das war z.B. bei den heiligen Kühen, die man der Göttin Hathor zuordnete, der Fall. Man nannte sie z.B. "Lieblinge der Hathor". Sie dienten ihr zur Freude und waren keine gotthaften Wesen. Dennoch brachte man ihnen Opfer dar, verehrte und sorgte für sie.

Die Wurzeln des Tierkultes gründeten tief im Glauben des Volkes. Der Tierkult brachte das Göttliche dem Volk so greifbar nahe, dass der Kult so lange überleben konnte. Das Volk hielt an den noch vorhandenen Gottestieren fest, die sich bis in die Spätzeit behaupten konnten. Hier erfuhr der Tierkult eine noch größere Blüte. Man begann z.B. prunkvolle Tiergräber zu bauen.

Die Laufbahn eines heiligen, göttlichen Tieres

Heilige Tiere mussten besondere Merkmale bzw. Zeichen aufweisen, d.h. ihre Abstammung war völlig unwichtig. Die Gottestiere mussten also gesucht und gefunden werden. Dann unterzog man sie einer genauen und strengen Prüfung. Das war nicht ohne Schwierigkeiten zu bewerkstelligen. So suchte man einmal 3 Monate lang nach einen Apis-Stier. Es wurde sogar eine Belohnung ausgesetzt, für denjenigen, der ihn fand.

Wenn ein Tier, das in Frage kommt, gefunden wurde, so nahm man es mit der Prüfung sehr ernst. Die Schriftgelehrten und Priester des Lebenshauses waren für die Untersuchung des Tieres zuständig. Wenn das Tier alle Kriterien erfüllte, so wurde der König dazu veranlasst, es "auf seinen Thron zu setzen". Diese Inthronisation wurde im großen Stil gefeiert. Die alten Ägypter bejubelten das heilige Tier, welches in den Tempel geleitet wurde. Solche Feiern konnten bis zu vier Tage dauern. Man machte bei der Inthronisation zwischen einem irdischen Herrscher und einem Gottestier keinen Unterschied. Das fand man anhand von Inschriften heraus, z.B. wurden seine Jahre gezählt und aufgeschrieben.

Dass diese Gottestiere oder heiligen Tiere in den Tempeln selbst lebten, war kaum der Fall. Denn der Tempel eignete sich nicht für die Tierhaltung. Das Gleiche galt für das Allerheiligste im Tempel.

Man achtete darauf, auch heilige Tiere ihrer Art entsprechend zu halten. Sie erhielten oft in Nebengebäuden ihre eigenen Stallungen und konnten dort von den Besuchern betrachtet werden. Auch wurde ihr Verhalten als Orakel gedeutet.

Wir wissen heute leider nicht viel vom Leben und Kult der heiligen Tiere. Die Schriften erzählen primär davon, wie sie gefüttert werden mussten und wer sich um sie sorgte.

Wenn ein Gottestier starb, so wurde es wie ein irdischer Herrscher bestattet, d.h. mit Einbalsamierung, Mumifizierung, etc. Wie der Mensch, so wurden auch diese Tiere zu einem Osiris. So spricht man in den alten Schriften von dem Osiris-Apis, Osiris-Mnewis usw. Doch im Unterschied zum Menschen bedeutet diese Osiriswerdung nicht, dass heilige Tiere erst nach dem Tod ihre volle Göttlichkeit erlangen. Die hatten sie als Gottestiere schon zu ihren irdischen Lebzeiten. Doch Götter sind nicht per se unsterblich. Wir wissen aus verschiedenen mythischen Erzählungen, dass auch ein Gott dahin siechen, schwach und alt werden kann, z.B. Re (siehe: Die listige Isis) oder gar sterben können, z.B. Osiris (siehe: Osiris und Seth).

Die Wahrheit wiegt meistens schwer.

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