Das Gesicht zu rufen dient vor allem der Weissagung von vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Ereignissen.
Das Ritual wird am besten bei Vollmond oder zunehmendem Mond nach Einbruch der Dunkelheit ausgeführt, nicht aber bei Neumond. Man sollte sich in einer stabilen psychischen Verfassung befinden; das gilt aber für alle Rituale. Um ruhiger zu werden kann man entspannende Übungen durchführen oder meditieren.
Man nimmt eine mit Wasser gefüllte undurchsichtige Schale (man kann zusätzlich einen Spiegel auf den Boden legen). Sie wird im Schutzkreis (siehe Kleines Pentagrammritual oder Schutzkreis) aufgestellt und eine schwarze Kerze (oder eine Kerze der Farbe, die zu dem Anliegen passt) wird so positioniert, dass man sie gleichzeitig mit seinem Gesicht im Spiegel oder auf der Wasseroberfläche sehen kann. Um die Wirkung zu verstärken kann man blaues Licht verwenden und Meditationsmusik laufen lassen.
Nun setzt man sich vor die Schüssel, schließt die Augen und versucht, an nichts zu denken. Wenn der Kopf frei ist, werden sich die Augen von alleine öffnen. Man sieht seinem Spiegelbild in die Augen und wartet.
Wenn sich das Gesicht verändert und ihr Bilder seht, könnt ihr in Gedanken eure Frage stellen oder euer Anliegen vorbringen. Um ein Bild verschwinden zu lassen bringt man mit dem Finger das Wasser in Bewegung.
Wenn man genug erfahren hat bedankt man sich und löst den Schutzkreis auf.
Bei unseren Vorfahren besassen viele Menschen das sogenannte dritte Auge (Trancezustände, geistige Visionen). Doch je mehr die Menschen der Materie verfielen, desto mehr verkümmerte das dritte Auge. Dieses Auge wurde tief in den Schädel eingezogen. Als Zeugen seines Daseins hinterliess es die Zirbeldrüse (im Hinterkopf, dicht über dem Ansatz der Wirbelsäule).
Bei verschiedenen Schülern taucht die Frage auf: Weshalb sexuelle Selbstbeherrschung eine Voraussetzung der Entwicklung geistiger und magischer Kräfte sei? Wenn wir davon ausgehen, daß das dritte Auge ein körperliches Organ war, das infolge des Schwindens der Geistigkeit und der zunehmenden Zuwendung zum Materiellen verkümmert ist und wir in Betracht ziehen, daß die Sexualität durch eine Wechselwirkung eng mit dem Rückgrat und dem Gehirn verknüpft ist, so ist es unnütz, irgendwelche längere Erklärungen abzugeben.
Der Eingeweihte weiss, daß das dritte Auge unlösbar mit dem Karma verbunden ist. Das Gesetz des Karma wiederum ist unentwirrbar mit den Gesetzmässigkeiten des Kosmos verwoben. Nur das Wissen von dem ständigen Kreislauf des Seins, dem Kreislauf der Notwendigkeit, versöhnt den Menschen mit den scheinbaren Willkürlichkeiten in seinem Dasein.
Die Griechen der Antike betrachteten deshalb die Zirbeldrüse als ein Organ (oder Auge), mit dem man in die nichtmaterielle Welt blicken kann und als den Sitz der Seele. Und tatsächlich ist die Zirbeldrüse enger mit Geist und Seele verbunden, als es die Schulwissenschaften zugeben. Sie ist auch das Organ, das sich in vielen Sagen und Überlieferungen widerspiegelt; z.B. in Sagen von Menschen mit zwei Gesichtern oder von Riesen (Zyklopen) mit nur einem mittleren Auge.
Die Zirbeldrüse entspricht dem göttlichen Gedanken. Der Gehirnanhang ist das Organ des geistigen Planes. Geistiges Schauen wird durch die Molekularbewegung dieses Körperteiles verursacht, das unmittelbar mit dem Sehnerv verknüpft ist, und so das Gesicht beeinflusst und Visionen entstehen lässt.
Sinn und Ziel der runenmagischen Übungen sind es u.a., das verkümmerte dritte Auge des Schülers wieder zu öffnen. Kann man den Fortschritt oder das Resultat selbst festellen? Selbstverständlich. Denn in der Regel vollzieht sich dieser Prozess in drei spürbaren Phasen. Erste Phase: Der Übende spürt einen leichten Druck oder ein Kribbeln im Hinterkopf (Zirbeldrüsen-Bereich). Zweite Phase: Du hast das Gefühl, als wenn in deine Schädeldecke Licht hineinströmt und als wenn du von deinem oberen Schädelteil einengende Fesseln sprengst und du empfindest ein herrliches Gefühl der Befreiung. Dritte Phase: Du hast in deiner Nasenwurzel (zwischen den Augenbrauen) ein ziehendes, knetendes Gefühl = dein drittes Auge öffnet sich!
Die Runenmeister nennen diesen Vorgang nicht: Öffnen des dritten Auges, sondern sagen ganz einfach: die magische Achse (Zirbeldrüse - Gehirn - Nasenwurzel) wurde hergestellt. Wie lange der einzelne Schüler üben muß, um diesen Vorgang zu erreichen, ist individuell verschieden. Aber das Ziel erreichen, kann jeder geistig-seelisch-gesunde Mensch.
Die Entwicklung der Zirbeldrüse führt also zum "Öffnen des dritten Auges" und ermöglicht Tests über die geistigen und magischen Fähigkeiten eines Menschen. Daher muß jeder Schüler u.a. die Öffnung seines dritten Auges erreichen, ehe er die höheren Weihen eines Runenmeisters erhalten kann.