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 Von Ra bis Horus
Linoma Offline




Beiträge: 1.500

11.05.2010 15:33
RE: Mumifizierung Antworten

Ursprünge der Mumifizierung

Mit dem Terminus „Mumifizierung“ wird heute weitgehend die ägyptische Einbalsamierungsweise assoziiert. Dennoch waren die Ägypter nicht das erste Volk der Antike, welche sich mit der Erhaltung ihrer Toten beschäftigten. Bereits einige Jahrtausende vor der Hochkultur der Ägypter versuchten sich die Chinchorro, eine Sammler- und Jägerkultur aus den chilenischen Gebieten, mit der künstlichen Bewahrung menschlicher Körper. Die Einbalsamierungsmethoden der Chinchorro waren jedoch bei weitem korrupter und inhumaner als jene der Ägypter. Hier wurden die Leichen Enthauptet, Zerstückelt und Gehäutet, anschließend, nachdem das Gehirn abgeflossen war, wurden die einzelnen Körperteile mit Stöcken erneut zusammengesetzt und bemalt. Dennoch wurde der Name „Mumifizierung“ im heutigen Sinne von der Totenkultur des Volkes am Nil geprägt.

Das Wort selbst entstand auf Grunde eines Irrtums: Besuchern Ägyptens, welche sich Leichen der altägyptischen Menschen betrachteten, vielen sofort die schwarze „Haut“ der Leichen auf. Diese Farbe entstand auf einer Harzbasis und nicht, wie die Besucher vermuteten, durch Pech- oder Bergteereinfluss. Durch die Assoziation mit Bergteer wurde das Wort mummy geprägt, dass mit dem arabischen Wort mummiya (Bergteer) in Verbindung zu bringen ist (Tyldesley 1999). Für die Ägypter selbst, war das Leben nach dem Tode essentiell, so dass die physische Aufrechterhaltung der Toten nur logisch erscheint. Erste Mumifizierungen entstanden auf natürlicher Basis. Die frühe Bevölkerung Ägyptens begruben ihre Leichen im Sand der Wüste, wodurch die Trockenheit eine Verwesung des Körpers verhindern konnte. Die bakterielle Vermehrung konnte so unterdrückt werden, was zwar ein Entweichen des Wassers zur Folge hatte, wodurch die Organe, Sehnen und das Bindegewebe erhalten blieb. Selbst die Haut, welche zu einer harten Membran wurde, die Nägel und die Haare konnten durch die Trockenheit konserviert werden.

Damit der Geist des Menschen, in der ägyptischen Religion der Ka und der Ba (siehe unten), überleben konnte, musste der ganze Körper erhalten bleiben, damit folglich das Überleben des Geistes und der „Seele“ gesichert werden konnte. In den ersten Versuchen der Mumifizierung wurden lediglich viele Schichten eines festen Verbandes um die Leiche herumgewickelt – so exemplarisch bei der Leiche des Königs Djer [(Athothis) E:Jttj Horusname: Dr(j) G: Nj-nbw], eines der ersten Könige der dynastischen Ära (3. Herrscher der 1. Dynastie) (.Lehner 1997).

Die altägyptischen Einbalsamierer versuchten in späteren Zeiten sogar die Gesichtszüge, Genitalien und Glieder der Verstorbenen zu erhalten. Dies wurde mit harzgetränkten Leinen und Futter bewerkstelligt.
Um den Verstobenen mit Osiris in Verbindung zu bringen, wurde manchmal das Gesicht grün angemalt. Grün galt als Farbe der Auferstehung, so wurde Osiris selbst auf vielen Abbildung mit grüngefärbten Gesicht dargestellt (siehe Bild links). Trotz dieser aufwendigen Behandlung der Mumie konnte eine Verwesung in Gräbern, Gruben, Särgen, etc. bis hin zu Grabkammern nicht aufgehalten werden, so dass als logische Folge lediglich ein Skelett übrig blieb.





Ausweidung

Die Entnahme der weichen Organe war die logische Folge. Sie mussten schnell nach dem Tod entfernt werden, um die Verwesung aufzuhalten. Um den Rumpf in seinem inneren austrocknen zu lassen wurden Leber, Magen und der Darm, durch Öffnung der Bauchhöhle, entfernt. Das leere Innere wurde mit harzgetränkten Leinen gefüllt, die Öffnung mit Harz zugeklebt und die entnommenen Organe wurden dem Verstorbenen, eingewickelt in Leinen, zusätzlich ins Grab gelegt (weil sie diese in ihrem späteren Leben noch brauchen würden). Reiche Menschen bevorzugten daraufhin eine Bestattung in ausgestreckter Form – oppositär zu der gekrümmten Lage in den Sandgruben – was auch den Balsamierern, durch Erleichterung der Arbeit, zugute kam. Die von Flinders Petrie in einem Meidum-Grab entdeckte Mumie des Ranefer (4.Dynastie) kann hierfür exemplarisch angebracht werden. Ähnliche Beispiele für Mumien des Alten Reiches wurden am „Deshasha-Friedhof“ entdeckt. In späteren Zeiten wurden die Eingeweide in Behältern aufbewahrt, wie beispielsweise im Grab der Hetepheres – der Mutter des Pharao Chufu (Cheops). Bals darauf wurde die Aufbewahrung der Organe in Behältern oder Holzkassetten konstitutiv.





Mumifizierung nach Herodot und Diodorus Siculus

In der Zeit der 18. bis 21. Dynastie erreichte die Mumifizierung ihren Höhepunkt. Es schien als könne man die toten Körper für immer erhalten. Der Grieche Herodot soll nachfolgend die „teuerste“ Methode der Mumifizierung beschreiben, welche angeblich bei Osiris selbst angewendet wurde:

„[...]das ist ihre beste Methode der Einbalsamierung. Zunächst ziehen sie mittels eines Eisenhakens das Gehirn durch die Nase heraus. Wenn sie alles herausbekommen haben, was möglich war, waschen sie den Rest mit einer Infusion aus. Dann machen sie mit einem scharfen Obsidianmesser einen Schnitt auf der Seite. Hierdurch holen sie die Eingeweide heraus.
Die Bauchöle wird mit Palmwein gereinigt und dann mit Gewürzpulver gespült, aber nicht mit Weihrauch, und zugenäht. Danach überhäufen sie die Leiche mit Natron für 70 Tage, aber nicht länger, und dann ist die Mumie fertig. Nach 70 Tagen waschen sie den Leichnam und wickeln ihn in feine Bandagen und tragen darüber Harz auf.[...] Schließlich geben sie den Körper der Familie zurück, die ihn in einen arg legt, bevor sie ihn, aufrecht an die Mauer angelehnt, im Grab einsperrt."



Vierhundert Jahre später beschreibt Diodorus Siculus was geschah, nachdem die Bauchhöhle geöffnet worden war:

„[...] einer von ihnen steckt seine Hand in die Brust der Leiche und nimmt außer Herz und Nieren alles heraus. Ein anderer wäscht jedes Organ mit Palmwein und Weihrauch. Schließlich, nachdem sie den ganzen Körper gewaschen haben, behandeln sie ihn 30 Tage lang sorgfältig mit Zedernöl und anderen Dingen, und dann mit Myrrhe, Zimt und Gewürzen [...]. Dann geben sie die Leiche der Familie zurück und jedes Glied ist so perfekt erhalten, dass sogar die Wimpern und die Augenbrauen noch vorhanden sind. Das ganze Aussehen des Körpers ist unverändert und die Gesichtszüge sind erkennbar.“


Des weiteren beschreibt er eine weniger kostspielige und weniger arbeitsintensive Methode:

„Die Einbalsamierer füllen ihre Spritzen mit Zedernöl auf, und spritzen sie dann in den Unterleib. Sie schneiden den Rumpf nicht auf und nehmen die Organe nicht heraus, sondern spritzen das Öl durch den Anus, der dann zugestopft wird. Dann mumifizieren sie den Leichnam so lange, wie es vorgeschrieben ist, und lassen dann das Öl wieder herausfließen. Dabei werden die Organe in flüssiger form herausgespült.“
(Quelle: Originaltexte aus Tyldesley 1999)



Vorgang der Mumifizierung

Gräberszenen vermitteln den Eindruck, dass der Leichnam fast sofort nach dem Eintreffen in der Nekropolis in das Reinigungszelt („Ibu“ oder „Ibu en Waab“) gebracht wurde. Nach den Gräberdarstellungen ist das „Ibu“ eine Leichtkonstruktion aus Holzpfählen und Schilfmatten über einem Rechteck mit Durchgängen und Türen an beiden Seiten. Das „Ibu“ kann auch als Ort der Waschung bezeichnet werden. Hier wurde der Körper ausgezogen und gewaschen. Hierzu wurde eine Mischung aus Nilwasser und Natron verwendet, als Symbol der Wiedergeburt. Die gereinigte Leiche wurde in das „Per-Nefer“ (Schönes/ Gutes Haus = Haus der Mumifizierung) gebracht und auf einen Holztisch gelegt.

Normalerweise begannen die Einbalsamierer mit der Entfernung des Gehirns: Die nach dem Tod halbflüssige Konsistenz des Hirns wurde mit einem dünnen, an der oberen Seite leicht geneigten Haken (siehe Bild links) verquirrlt und dann herausgezogen, nachdem ein Meißel durch ein Nasenloch eingeführt und der brüchige Knochen durchbrochen wurde. Der Kopf des Toten wurde anschließend in eine senkrechte Position gebracht, damit das flüssige Gehirn ablaufen konnte. Die dabei erhaltene Masse wurde weggeworfen. Der Grund hierfür ist die Unkenntnis über Funktion und Wichtigkeit des Gehirns. Als weitaus wichtigeres Organ wurde das Herz als Sitz des Intellekts und der Gefühle betrachtet, deshalb blieb es auch nach der Mumifizierung weiter im Körper.
Der entleerte Kopf selbst wurde mit Leinen gefüllt. Anschließend wurden die Organe aus dem Körper entfernt. Anfänglich wurde dies durch einen senkrecht verlaufenden Schnitt links oben durchgeführt, später wurde der Schnitt links unten zwischen Hüfte und Leiste gesetzt ( vgl. Tyldesley 1999). Außer den Nieren, welchen man keine Bedeutung zugemessen hat, und dem Herz wurden alle Organe entfernt. Anschließend wurde der Körper 40 Tage in Natron gelegt. Nachdem die Zeit der Trocknung abgeschlossen war, wurde der Körper in das „Wabet“ überstellt, wo der Körper vollkommen entleert wurde und mit harzgetränkten Leinen, Sägemehl oder Natronkristallen ausgestopft wurde.

Die getrocknete Haut wurde mit Ölen einmassiert, um einen Teil der Elastizität wieder zu gewinnen. Über den Schnitt an der linken Seite wurde ein Horusauge (Udjatauge) geklebt, durch welches der Schnitt magisch geheilt wurde. Ab der 21. Dynastie wurden selbst die Gesichtszüge und die Glieder ausgestopft, damit die Leiche ästhetisch und schön aussieht. Der letzte Schritt der Mumifizierung war das Einwickeln der Mumie in feste Bandagen. Diese Arbeit nahm 15 Tage in Anspruch. Zu guter letzt wurde der Mumie die Totenmaske aufgesetzt, wodurch der Ka und der Ba den Toten erkennen konnte.

Die gesamte Mumifizierung nahm 70 Tage in Anspruch. Diese Zeit hat eine mystische Bedeutung. Sie entspricht genau der Zeit, in welcher der Sirius- oder Sothisstern (Hundesstern) nicht am Himmel zu sehen ist. Nach Tyldesley stellte man so die Verbindung zwischen Tod und Auferstehung des Verstorbenen und Tod und Wiedergeburt des Sterns her.

Da das nebenstehende Messer auf dem Griff oben eine Figur des Totengottes Anubis trägt, wird vermutet, dass es bei der Mumifizierung zum Einsatz kam.


Mumifizierung und Jenseitsvorstellungen


Die Mumifizierung implizierte neben der Erhaltung des Körpers auch religiöse Vorstellungen. Bei der Einbalsamierung des Körpers handelte es sich gleichsam um eine Art rituelles "Theaterspiel", bei welchem nicht nur der Verstorbene die Rolle des Protagonisten einnahm, sondern ebenso die Balsamierer und Priester. Letztere übernahmen den Part der Götter durch die Personifikation der selbigen. Der Verstorbene wird durch die Mumifizierung zu Osiris, damit auch ihm dessen Schicksal - Tod und Wiederauferstehung - zu Teil werden kann. Als die Leiche des Toten gewaschen wurde, "verwandelten" sich die beteiligten Priester in die Reinigungsgötter Horus und Thot. Der oberste der Totenpriester wurde durch das Anlegen einer Schakalmaske zu Anubis, dem Totengott - welcher dem altägyptischen Glauben nach für die ordnungsgemäße Mumifizierung und Beisetzung des Toten verantwortlich war.

Der Körper des Toten musste auch wegen seiner Seelen erhalten bleiben, welche in verschiedenen Erscheinungsformen die Mumie wiedererkennen mussten. Der Grund hierfür lag in dem altägyptischen Glauben, nach welchem der "Ba" in Gestalt eines Vogels das Grab am Tage verlassen konnte um das Sonnenlicht zu schauen und abends wieder in das Grab zurückkehrte. Er konnte nur überleben, wenn der Körper des Toten intakt blieb.
Die Ba-Seele des Toten ist bildlich und antropomorph in nebenstehender Darstellung aus dem Grab des Paser (19. Dynastie) abgebildet. Auf diesem Bild erkennen wir Anubis, den schakalköpfigen Totengott, den Verstorbenen und eine Art Vogel mit Menschengesicht, welcher die Ba-Seele darstellen soll.

Neben dem Ba gab es auch noch die "Ka"-Seele, welche Schutz und Lebenskraft spendete. Wir würden heutzutage sagen: der Ka war genetisch (Lehner 1997), da er mehrere Generationen durchlief. Den Ka eines Menschen konnte man demnach zurückverfolgen bis zum Schöpfergott, welcher seinen Ka den Göttern übertragen hatte. Nach den Begräbnisritualen wurden der Ka und der Ba gemeinsam zum "ach" der endgültigen Verwandlung des Toten. Der "ach" kann in etwa mit dem geistigen Zustand oder dem Geist verglichen werden (ebd.).



"Horus nimm ihn in seine Hände, auf dass er reinige

diesen Unas im Becken des Schakals [Anubis];

Er wird befreien das ka dieses Unas im Morgenbecken;

Er wird das Fleisch des ka von seinem Körper wischen;

Er führt das ka dieses Unas und seines Körpers zum Großen Hause."

Pyramidenspruch 268



Aufbewahrung der Eingeweide

Die dem Körper entnommenen Organe wurden ebenfalls gewaschen, getrocknet, gesalbt, mit Harz übergossen und in Leinen eingewickelt. Die schlichten Behälter oder Kassetten des Alten reiches wurden durch verzierte Stein- oder Tongefäße ersetzt. Diese waren mit Menschenkopf-Stopfen verschlossen. Diese Behälter werden heute „Kanopenkrüge“ (siehe Bild unten) genannt. Der Terminus „Kanope“ ist von „Canopus“ abgeleitet, dem Steuermann des Menelaos, der später in Ägypten in der Gestalt eines Kruges verehrt und mit Osiris assoziiert wurde. Zur Zeit der Meresanch III (Enkelin des Cheops und Gemahlin des Chephren) wurden erstmals die Eingeweide in vier verschiedene Krüge gelegt. Diese Kanopen wurden später selbst noch einmal in Kanopenkassetten gelegt.

In der 19. Dynastie wurden die (oben genannten) Stöpsel durch die Köpfe der vier Horussöhne ersetzt:

Imsety (der menschköpfige Gott der die Leber beschützte)

Hapi (der pavianköpfige Beschützer der Lungen)

Qebsenuef (der falkenköpfige Beschützer der Gedärme)

Duamutef (der hundgestaltige Beschützer des Magens)

Ab der 21. Dynastie wurden die Eingeweide in verpackten Päckchen dem Toten in die Bauchhöhle gelegt, und ab der 26. Dynastie wurden dieses Päckchen zwischen die Beine gelegt. Die Kanopen dienten somit nur noch der symbolischen Bedeutung.

http://www.meritneith.de/urspruenge_der_mumifizierung.htm

Die Wahrheit wiegt meistens schwer.

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