Der Isis-Kult
Antike römische Matronen, deren Religion so ähnlich wie die der Griechen war, genossen ein Festival, welches an das griechische Thesmophoria erinnerte. Es dauerte allerdings etwas länger als das dreitägige Thesmophoria, denn der Isiskult dauerte zehn Tage. Bei einem Streifzug durch das griechisch-römische Zölibat, kann der religiöse Isiskult nicht übergangen werden. Isis war eine sanftmütige ägyptische Göttin, die ins hellenistische Rom transplantiert wurde. Sie fand enorme Unterstützung bei denen, die Isis mit den spirituellen und körperlichen Aspekten der Liebe gleich setzten. Isis erschien den Menschen routinemäßig in Träumen, um sie zu einem Ritual einzuladen.
Im Isiskult in Ägypten dienten einige Frauen als Priesterinnen und in Griechenland als untergeordnete Priesterinnen. Weit weniger Frauen als Männer waren in den Kultgesellschaften zugelassen, aber die Tempel und Inschriften zeigen, dass in Athen und Rom an den großen Kultplätzen mehr Frauen initiiert wurden als anderswo. Viele wurden von Isis stärker angezogen als von der einheimischen Religion. In Griechenland gab es sogar zwei weibliche Lichtträgerinnen und zwei Traumdeuterinnen.
Der Isiskult hatte eine besonders große Anzahl an Laien-Anhängern, die sich in drei Ebenen unterteilten. Die unterste Ebene bildeten die normalen Gläubigen. Die zweite Ebene bildeten eifrige Anhänger, die den Isiskult sehr intensiv unter der Leitung eines Priesters praktizierten. Die oberste Ebene bildeten diejenigen, deren Funktion so hoch war, dass sie oft mit Priestern gleichgesetzt oder mit ihnen verwechselt wurden. Nur sehr selten diente eine Frau in der höchsten Ebene.
Isis war eine relativ keusche Göttin. Frühchristliche Väter wie der Heilige Clemens (50-97 n.Chr.), der Bischof von Rom, und der christliche Schriftsteller Tertullian (150-230 n.Chr.), lobten ihre keuschen Anhänger und Priesterinnen. Ihr Kult tendierte in eine asketische Richtung, ohne sexuelle Symbole und Anzeichen. Die Haare wurden geschoren und die Leinenkleider wurden züchtig abgesenkt. Die rituellen Prozessionen und Gebete und ihre Aussstattung an Wasser, Weihrauch und Musikinstrumenten waren sehr genügsam.
Die Anhänger lebten zölibatär, Männer ebenso wie Frauen. Eine Rarität in der klassischen Welt. Aber diese Abstinenz war nur kurzfristig. Zehn Tage war die übliche Länge. Die weiblichen Anhänger wurden angehalten, dieses zehntägige Zölibat vor der Initiation (Aufnahmeritus) und danach, in bestimmten Zeiträumen, einzuhalten. Die Isis der hellenistischen Romanzen, schützte die Keuschheit der Liebenden. Frauen, die vor sexueller Nötigung flohen, fanden in ihrem Tempel ein sicheres Zuhause.
Sehr fromme Frauen gaben ihr eheliches Sexualleben auf und wurden, wie Tertullian es bezeichnet, zu selbsternannten Witwen. Sie verweigerten jeden weiteren körperlichen Kontakt mit ihren Ehemännern. Manchmal boten sie ihren Ehemännern sogar neue Frauen an, die sie selbst ersetzen sollten. Einige Frauen vermieden den Kontakt mit den Männern sogar in dem Maße, dass sie sich weigerten, ihre Söhne zu küssen.
Die Literatur offenbarte, wie treu die Anhänger des Isis-Kultes das erforderliche Zölibat beachteten. Im Roman "Der goldene Esel" des antiken Schriftstellers und Philosophen Apuleius (125-170 n.Chr.) sprach ein Initiierter darüber, "wie extrem schwer die Regeln der Keuschheit und Enthaltsamkeit waren." Der römische Dichter Ovid (43 v.Chr. bis 17 n.Chr.), der sich um die Gefälligkeiten seiner Geliebten beraubt sieht, beklagt sich in seinem Buch "Metamorphosen": "Ist dies eine Göttin, die sich an den Tränen des einsamen Geliebten erfreut?" Und hönisch sagt er zu Isis "Während ich hier alleine liege, sehne ich mich nach ihr. O goldene Göttin, muss ich an den heiligen Tagen leiden?"
Der klagende Ton vieler Dichter, mit der gleichen Wehklage, ist eine ironisches Zeugnis von der Stärke und dem Einfluss, den Isis auf ihre Anhänger hatte. Besonders Frauen riskierten den Zorn ihrer Ehemänner oder Geliebten, wenn sie der heiligen Aufforderung zum Zölibat nachkamen. Während dieses zehntägigen Zölibats, reinigten sich die Frauen rituell sehr gewissenhaft und schliefen allein auf sauberer Bettwäsche. Da Isis die Göttin der spirituellen und körperlichen Liebe war, besaß sie eine große Anziehungskraft und wenn sie ein periodisches Zölibat zur Auflage machte, dann akzeptierten ihre Anhänger ihre Weisheit und befolgten es anstandslos. Sie taten es auf Kosten ihrer aufgeregten Männer. Sie hielten sich in einer Gesellschaft, die keinen Wert auf das Zölibat legte, länger zurück, als es die meisten anderen Gottheiten verlangten. Es war ein kleines Zeichen der Unabhängigkeit. Die Freundlichkeit und Güte ihrer keuschen Göttin war ihnen das Opfer wert.
Die Wahrheit wiegt meistens schwer.