Der ausgezeichnet erhaltene Text stammt aus der Regierungszeit Ramses' V. (etwa 1160 v.Chr., 20. Dynastie) und ist in hieratischer Schrift geschrieben. Er steht im Papyrus Chester Beatty Nr. 1, der sich jetzt im Museum Beatty in Dublin befindet. Zumindest Teile der Geschichte sind bis ums Jahr 2000 v.Chr. zurückzuverfolgen, Gerichtsszene und Krönung Horus sind noch demotisch erhalten. Einflüsse gehen bis Japan. Zum Streit der beiden vgl. 2. Samuel 12, 1-7. Mit iâut - »Amt« - ist ein köstliches Wortspiel in die Erzählung gestreut: iâut heisst auch »Viehherde«, und wenn Isis dem Seth berichtet, dass Horus hinter der iâut her ist, so lockt sie ihn auf falsche Gedanken, er hüte das Vieh. - Mit dem als »Steinschiff« getarnten Holzschiff überlistet Horus seinen Gegner und macht den Seth somit zum Narren. - Viele Anspielungen offenbart der Text nur im Original, aber es bleibt genug an Witz und List, an Spott und Humor, das den Leser belustigen wird. Dabei ist alles, was an Weisheit in dem Mythos ausgesprochen wird, in die simpelste Redeweise gekleidet, unreflektiert als allzu Menschliches mit ein paar Redegebärden, aber breit hingestellt. Die Dichotomie zwischen religiösem Ernst und derbem Humor ist signifikant für die Ramessidenzeit. Die Episode, nach der Isis die beiden in Nilpferde verwandelten Rivalen harpunierte, ist in den ägyptischen Loskalender eingegangen. Der volkstümlich-märchenhaft erzählte Mythos ist eine Göttergeschichte vom Sieg des Rechtes gegen das Unrecht, thematisch vergleichbar mit der Erzählung von Wahrheit und Lüge. Mit menschlichen Schwächen und Launen erscheinen die Götter - leicht ironisiert durch die Erfahrungen der Welt -, die aber bei allem Widerspiel und parteiischem Hin und Her die Ordnung erhalten, indem sie sich schliesslich entscheiden für das Recht. Dabei ist der höchste der Götter, der Sonnengott Re-Harachte, in grösstem Gewissenskonflikt. Als Schöpfer und Hüter der Wahrheit - noch heute bringt es die Sonne an den Tag! - ist er Anwalt des Rechts, aber das Recht bedarf der Macht, um sich durchzusetzen. So kommt Re-Harachte (Atum von Heliopolis und der Allherr) in die Versuchung, die Macht zu begünstigen, zumal er sie braucht. Ganz abgesehen von dem, was der Mythos an Historie in sich aufgenommen haben mag - das tut ein lebendiger Mythos immer -, stellt sich die Göttergeschichte, die auch die Ueberschrift tragen könnte »Recht geht vor Macht«, als kosmisches Ereignis ebenso dar wie das Modell irdischer Thronfolge. Der Sonnengott ist für seine glänzende Laufbahn auf einen klaren Himmel angewiesen und braucht deshalb einen starken Burschen, der ihm die feindlichen Wolken bezwingt. Dieser Kraftheld ist Seth, ein rothaariger Wüstling - ja, er ist ein Wüst-ling und bezieht aus seiner Heimat die Trockenheit, die die Wolken vertreibt - strotzend an potentieller Kraft, aber unschöpferisch, weil ihm der Geist fehlt. Als lüsterner Tölpel vergafft er sich in ein schönes junges Mädchen, aber erkennt in seiner geistigen Blindheit nicht, dass sich hinter der Person seiner Begierde sein Widersacher verbirgt: Isis, die personifizierte Schlauheit. Nur der Schlauheit gelingt es, das Recht in der Person ihres schwachen Kindes Horus durch alle Fährnisse zu retten. Horus, die umfassendste Gestalt des Mythos, ist der nachgeborene Sohn des Osiris, des Gottes, der ermordet wurde und nun als Totenrichter die Unterwelt beherrscht. Dort thront er, unselig getötet, selig wiedererstanden in seinem Sohne. Obgleich schwer getroffen, bleibt er höchste Instanz, indem er den letzten Spruch fällt über Recht und Unrecht und die Böcke von den Schafen scheidet.
Achtzig Jahre bereits stehen die beiden Gegner vor Gericht, als unsere Novelle einsetzt. Horus, der legitime Erbe seines Vaters und seines Reiches auf Erden, gelangt nicht zur Herrschaft, da Seth ihm das Amt streitig macht. Durch brutale Gewalt versucht Seth bis zur Lächerlichkeit und über die Grenzen des Anstandes hinaus, seinen Vorrang zu beweisen, und schickt sich erst, als er bereits in Handschellen vor den Gerichtshof geführt wird. Aber in den Fesseln kommt der Widersetzliche auf Grund des Rechtes, das allein mit Horus ist und diesem auch von Anfang an zugesprochen war. In den verschiedenen Abenteuern, die die beiden miteinander kämpfend bestehen, zeigt sich Horus immer überlegen durch Geist, und wo er selbst aus Schwachheit nicht zu obsiegen vermag, da hilft ihm seine Mutter durch Schläue und Liebe. Das Recht, so sehr es immer wieder bedroht wird und verletzt, es ist nicht umzubringen. Selbst als es geblendet wird - Horus werden beide Augen ausgerissen -, da ersteht es sieghaft wieder als das ewige Licht der Welt. Viel hat Horus zu dulden, aber am Ende trägt er die Weisse Krone auf dem Haupt. Empfindlich ist das Recht, empfindlich auch gegen falsche Gefühle. Als Mutter Isis in einem Anfall von Mitleid ihrem Bruder Seth zuhilfe kommt, schlägt Horus ihr rasch entschlossen den Kopf ab. Am Recht darf kein Tüttelchen geändert werden. Ein weiteres kosmisches Geschehen ist durch vorliegenden Mythos eingefangen: das Vergehen und Werden der Natur. Osiris, Korn-Osiris, ist zugleich Vegetationsgott und wird wie das Saatkorn in die Erde gelegt, um als neue Frucht, d.i. in seinem Reis Horus, wiederaufzuerstehen. Der zarte Keim bedarf der Obhut, wie sie Isis, die Muttergöttin schlechthin und Vorbild unserer Madonna, liebend gewährt. Seth, Herr des Gewitters, vermag den Sprössling nicht zu vernichten. Da Pharao mit Horus identifiziert wird, wiederholt sich im Kommen und Gehen der gekrönten Häupter das kreislaufhafte Erstehen und Sterben naturhafter Ordnung, der Kampf um das Erbe, wenn einer unrechtmässig als Thronanwärter auftritt. Die mitspielenden Götter sind in ihrem Wesen trefflich gezeichnet: Neith, die Ferne, hoch an Rat, verwandten Geistes mit Athena; Ba, der Bock von Mendes, vorsichtig und bedacht; Thot, Herr der Schreibkunst und gewandter Bote, oder Baba, der Ungesittete, der Re aufs Schwerste kränkt. Die Götterneunheit, die den Gerichtshof bildet, zwar durchaus auf seiten des Rechts von Anfang an, ist als Masse stets geneigt, sich zu verschanzen und dem jeweils letzten Redner zuzustimmen mit ihrem »Sehr richtig« oder »Recht hat er«. Re, der Herr dieser Erde und des Rechts, weiss, dass er ohne Macht nicht auskommt, und so nimmt er nach der Erhebung des Horus in den Stand des obersten Herrn den Seth in seine Barke, nimmt ihn als Sohn und gewährt ihm, seine Kraft auszutoben als Donnerer im Himmel; er teilt ihm die Aufgabe zu, den Wolkendrachen, die Schlange Apophis, auf seinem Wege täglich zu töten, wenn er am Himmel entlang seine Bahn zieht.
Der Mythos
Einst wurde Gericht gehalten über Horus und Seth, die geheim sind an Wesen, die Grossen, die mächtigsten Fürsten, die jemals entstanden sind. Es sass ein [Gottes]kind [Horus] vor dem Herrn des Alls [Atum] und klagte auf das Amt seines Vaters Osiris, des schön Gekrönten, des Sohnes des Ptah, der das Totenreich erleuchtet mit seinem Glanze. [Der Gerichtsbote] Thot brachte das heilige Auge [Krone von Aegypten und hier Streitobjekt] dem Fürsten [und Gerichtsherrn Atum] in Heliopolis. Schu, der Sohn des Re, sprach vor dem mächtigen Fürsten in Heliopolis: »Recht geht vor Macht. Handle danach, indem du aussprichst: 'Gib das Amt dem Horus'.« Und Thot sprach zum [Kollegium] der Neunheit: »Das ist gerecht, millionenfach gerecht.« Da stiess Isis einen lauten Schrei aus und freute sich sehr, trat vor den Herrn des Alls und sprach: »Fahr, Nordwind, zum Westen und beglücke das Herz des Wenenofer [Osiris], L.H.G. [Leben, Heil und Gesundheit]«. Dann sprach Schu, der Sohn des Re: »Das Auge dem Horus zu geben, hält die Neunheit für gerecht.« Da aber sprach der Herr des Alls: »Was soll das heissen, dass ihr einen Entscheid allein trefft?!« Da entgegnete Onuris: »Ja, möge er [Thot] den königlichen Namen dem Horus überreichen, und möge man die Weisse Krone auf sein Haupt setzen.« Da schwieg der Herr des Alls eine lange Weile und war zornig auf die Neunheit. Darauf sprach Seth, der Sohn der Nut: »Lass ihn zusammen mit mir hinausschicken, damit ich dir zeige, wie meine Hände seine Hände besiegen vor der Neunheit, wenn man schon kein Mittel weiss, ihm das Amt zu verweigern.« Aber Thot antwortete ihm: »Auf diese Weise werden wir nicht erkennen, wer unrecht hat. Sollte man etwa das Amt des Osiris dem Seth geben, während sein Sohn Horus danebensteht?« Da geriet Re-Harachte in ausserordentliche Wut. Denn es war der Wunsch des Re, das Königsamt dem Seth zu verleihen, der gross ist an Kraft, dem Sohn der Nut. Onuris aber stiess einen lauten Schrei aus angesichts der Neunheit und fragte:»Was sollen wir nur machen?« Da sprach Atum, der grosse Fürst in Heliopolis: »Man rufe Ba, den Herrn von Mendes, den grossen lebendigen Gott, damit er zwischen den beiden Leuten entscheide.« Man holte Ba, den Herrn von Mendes, den grossen Gott, der auf der Insel Setit seinen Sitz hat, und zugleich brachte man Ptah-Tatenen vor Atum, und er [Atum] sprach zu ihnen: »Entscheidet zwischen den beiden jungen Leuten, bringt sie davon ab, sich tagaus, tagein immer weiter zu streiten.« Da beantwortete Ba, der Herr von Mendes, der grosse lebendige Gott, das, was Atum gesagt hatte: »Lasst uns kein Urteil fällen in Unkenntnis der Sache. Lasst vielmehr erst einen Brief senden an Neith, die Grosse, die Göttermutter. Was sie sagt, das wollen wir tun.«
Da sagte die Neunheit zu Ba, dem Herrn von Mendes, dem grossen lebendigen Gott: » Es ist allerdings schon ein erstes Mal ein Spruch über sie ergangen in der Halle 'Einzig an Gerechtigkeit'.« Aber dann sprach die Neunheit zu Thot vor dem Herrn des Alls: »Schreibe doch einen Brief an Neith, die Grosse, die Göttermutter, im Namen des Allherrn, des Stieres von Heliopolis!« Thot antwortete: »Sofort, jawohl, sofort.« Er setzte sich, um den Brief zu verfassen, und schrieb: »Von dem König von Ober- und Unterägypten, Re-Atum, geliebt von Thot, dem Herrn der beiden Länder, dem Gott von Heliopolis, der Sonnenscheibe, die die beiden Länder mit ihrem Glanze erhellt, von dem Nil, gross im Spenden, von Re-Harachte an Neith, die Grosse, die Göttermutter, die das erste Gesicht beleuchtet hat und die lebe, gesund und jung sei. Die lebende Seele des Allherrn, des Stiers in Heliopolis, der vollkommene König von Aegypten, sagt: Ich, dein Diener, verbringe die [ganze] Nacht in Sachen Osiris und berate mich täglich wegen [der Vergabe] der beiden Länder, während [dein Sohn] Sobek bis in Ewigkeit dauert! Was nur, was sollen wir mit den beiden Leuten machen, die nun schon 80 Jahre lang vor Gericht stehen, ohne dass man weiss, wie man zwischen ihnen entscheiden soll, den beiden. Schreib uns doch bitte, was wir tun sollen!« Neith nun, die Grosse, die Göttermutter, sandte einen Brief an die Neunheit des Inhalts: »Gebt das Amt des Osiris seinem Sohne Horus! Schafft nicht solche schweren Fälle von Unrecht, die nicht in Ordnung sind, oder ich werde zornig, und der Himmel wird auf die Erde fallen! Und man sage dem Herrn des Alls, dem Stier in Heliopolis: ' Verdopple dem Seth seinen Besitz, gib ihm Anat und Astarte, deine beiden Töchter, und setze Horus auf den Thron seines Vaters Osiris!« Der Brief der Neith, der Grossen, der Göttermutter, erreichte die Neunheit, als sie in der Halle 'Horus vor den Hörnern' sass. Man übergab den Brief zu Händen des Thot, und Thot verlas ihn vor dem Allherrn und der ganzen Neunheit, und alle sprachen mit einem Munde: »Diese Göttin hat recht.« Aber der Allherr wurde wütend auf Horus und sprache zu ihm: »Du bist schwach an Gliedern, und dies Amt ist zu schwer für dich, du Bübchen mit schlechtem Mundgeruch.« Darüber ergrimmte Onuris millionenfach und ebenso die ganze Neunheit, der Dreissigerrat [des Gerichts]. Und Baba, der Gott, fuhr auf und sagte zu Re-Harachte: »Dein Schrein ist ja leer.« Da aber fühlte sich Re-Harachte durch die Antwort, die ihm widerfahren war, verletzt, er legte sich auf den Rücken und war tief getroffen.
Darauf ging die Neunheit hinaus, und sie schrieen dem Gott Baba laut ins Gesicht: »Hinaus mit dir! Der Frevel, den du angerichtet hast, ist ungeheuer.« Und dann gingen sie zu ihren Lauben. Der grosse Gott verbrachte einen vollen Tag auf dem Rücken liegend in seiner Halle, tief getroffen und ganz allein. Nach einer langen Weile kam Hathor, die Herrin der südlichen Sykomore, trat vor ihren Vater, den Allherrn, und entblösste sich vor ihm. Da musste der grosse Gott über sie lachen [und war versöhnt]. Er richtete sich auf, setzte sich wieder mit der grossen Neunheit zusammen und sprach zu Horus und Seth: »Tragt vor, was ihr zu sagen habt!« Nun sprach Seth, gross an Kraft, der Sohn der Nut: »Was mich anlangt, ich bin Seth, der grösste an Kraft im Kreise der Götterneunheit; ich töte den Feind des Re täglich, während ich am Bug der Barke der Millionen stehe, wozu kein anderer Gott imstande ist. Daher sollte ich das Amt des Osiris erhalten.« Und sie [die Götter] sagten darauf: »Seth, der Sohn der Nut, hat recht.« Doch Onuris und Thot erhoben ihre Stimme und riefen: »Wie, soll man das Amt dem Bruder der Mutter geben, während der leibliche Sohn danebensteht?« Aber Ba, der Herr von Mendes, der grosse lebendige Gott sagte: »Wie, soll man das Amt dem Bübchen geben, während Seth, sein älterer Bruder, danebensteht?« Da sprach der Allherr: »Ja, er hat recht, er versteht es besser, den Schiedsspruch zu fällen, als irgendein anderer Gott.« Da erhob die Neunheit ein lautes Geschrei vor dem Allherrn und sagte zu ihm: »Was sind das für Worte, die du da gesprochen hast und die nicht verdienen, gehört zu werden!« Und Horus, der Sohn der Isis sagte: »Es ist wirklich schlimm, wie ich vergewaltigt werde vor den Augen der Neunheit und wie man mir das Amt meines Vaters Osiris raubt.« Da ergrimmte Isis gegen die [ihr viel zu laue] Neunheit, und sie tat einen Eid bei Gott vor der Neunheit mit den Worten: »So wahr meine Mutter, die Göttin Neith, lebe, so wahr Ptah-Tatenen lebe, der mit den hohen Federn, der die Hörner der Götter niederbeugt: Man wird diese Worte [des Allherrn] dem Atum, dem mächtigen Fürsten in Heliopolis, vorlegen und auch Chepri in seiner Barke [als der höchsten Instanz].« Darauf sprach die Neunheit zu ihr: »Rege dich nicht auf! Man wird dem Gerechtigkeit widerfahren lassen, der im Recht ist, und man wird alles tun, was du sagst.« Als sie diese Worte zu Isis, der Grossen, der Göttermutter, gesprochen hatte, ergrimmte Seth, der Sohn der Nut, über die Götter der Neunheit. Seth sprach zu ihnen: »Ich werde mein Szepter von 4500 Barren nehmen und jeden Tag einen von euch töten!« Alsdann schwor Seth einen Eid beim Allherrn mit den Worten: »Ich werde nicht weiter vor Gericht verhandeln, solange Isis dabei ist!« Da sprach Re-Harachte zu Ihnen [den Göttern der Neunheit]: »Fahrt zu der 'Insel in der Mitte' und entscheidet dort zwischen ihnen, und sagt zu Nemti, dem Fährmann: 'Setze keine Frau über, die der Isis ähnlich sieht!'« Da fuhr die Neunheit zu der 'Insel in der Mitte' hinüber. Sie setzten sich nieder und assen ihr Brot. Nun aber kam Isis, und sie traf Nemti, den Fährmann, wie er nicht weit in seinem Boote sass. Sie hatte ihre Gestalt in die eines alten Weibleins verwandelt, ging ganz gebückt und trug einen kleinen goldenen Siegelring an der Hand. Sie sprach zu ihm: »Ich bin zu dir gekommen, damit du mich übersetzest nach der 'Insel in der Mitte'. Denn ich bin gekommen mit dem Topf Mehl da für den kleinen Buben; er ist hinter einigem Vieh her auf der 'Insel in der Mitte', und zwar seit fünf Tagen, und er hat Hunger.« Er aber antwortete ihr: »Man hat mir geboten: 'Fahre keine Frau über!'« Sie sagte zu ihm: »Man hatte dir das doch wohl wegen der Isis gesagt, was du da sagst?« Darauf sagte er zu ihr: »Was gibst du mir, wenn man dich zu der 'Insel in der Mitte' hinüberfährt?« Isis anwortete ihm: »Ich gebe dir dieses Brot.« Er aber sagte zu ihr: »Was soll mir dein Brot! Soll ich dich etwa zu der 'Insel in der Mitte' übersetzen - indes mir doch geboten ist: 'Fahre keine Frau hinüber!' - für weiter nichts als dein Brot?« Da sagte sie zu ihm: »Ich will dir den goldenen Siegelring geben, den ich an der Hand trage.« Nun sagte er zu ihr: »Gib mir den goldenen Siegelring!« und sie gab ihn ihm. Da setzte er sie zu der 'Insel in der Mitte' über. Während sie nun unter den Bäumen dahinging, hielt sie Ausschau und erblickte die Neunheit, wie sie dasassen und ihr Brot assen vor dem Allherrn in seiner Laube. Da sah Seth auf und sah sie von weitem herankommen. Sie aber sprach mit ihrer Zauberkraft einen magischen Spruch und verwandelte sich in ein junges Mädchen von schönem Leibe, wie es deren gleiche im ganzen Lande nicht gab. Da wurde er [Seth] ganz krank vor Liebe zu ihr. Seth stand auf vom Essen mit der grossen Neunheit und ging los, um ihr zu begegnen. Niemand aber hatte sie gesehen ausser ihm. Er trat hinter eine Sykomore, rief sie an und sagte zu ihr: »Ich möchte hier mit dir zusammensein schönes Kind!« Und sie antwortete ihm: »Ja gern, mein hoher Herr. Was mich anlangt, ich war verheiratet mit einem Hirten, und ich habe ihm einen Sohn geboren. Mein Mann starb, und der Bub zog hinter dem Vieh seines Vaters her. Schon kam ein Fremder, setzte sich in meinen Stall und sprach zu meinem Sohne: 'Ich werde dich prügeln, werde das Vieh deines Vaters wegnehmen und dich hinauswerfen.' So sagte er zu ihm. Ich möchte dich nun bewegen, sein Streiter zu sein.« Da sprach Seth zu ihr: »Soll man das Vieh dem Fremden geben, während der Sohn des Ehemannes danebensteht?« Darauf verwandelte sich Isis in eine Weihe, flog auf und rief, während sie sich auf den Wipfel eines Baumes niederliess, dem Seth zu: »Schäm dich! Dein eigner Mund hat es gesprochen, dein eigner Verstand hat dich gerichtet. Was willst du mehr?« Da fühlte er sich beschämt und ging dahin, wo Re-Harachte war, [rot vor] Scham. Re-Harachte fragte ihn: »Was hast du schon wieder?«, und Seth antwortete ihm: »Das schlechte Weibsbild hat mir wieder nachgestellt und hat mir wieder einen bösen Streich gespielt. Sie hatte sich vor mir in ein schönes Mädchen verwandelt und hat zu mir gesagt: 'Was mich anlangt, so war ich verheiratet mit einem Hirten. Er starb, ich gebar ihm einen Sohn, der jetzt hinter einigem Vieh seines Vaters herzieht. Eines Tages drang zusammen mit meinem Sohn ein Fremder in meinen Stall ein, und ich gab ihm zu essen. Viele Tage darauf aber sagte der Eindringling zu meinem Sohn: Ich werde dich prügeln, werde das Vieh deines Vaters wegnehmen und es soll mir gehören. So sagte er zu meinem Sohn', sagte sie zu mir.« Re-Harachte fragte ihn darauf: »Und was hast du ihr geantwortet?« Seth sagte zu ihm: »Ich habe ihr darauf geantwortet: 'Soll man denn das Vieh dem Fremden geben, während der Sohn des Ehemannes danebensteht?' So sagte ich zu ihr. 'Man soll das Gesicht des Eindringlings mit einem Stock schlagen und ihn hinauswerfen, und man soll deinen Sohn an die Stelle seines Vaters setzen'. So sagte ich zu ihr.« Da sprach Re-Harachte zu ihm: »Sieh an, du hast dich selbst gerichtet. Was willst du mehr?« Seth antwortete ihm: »Lass Nemti, den Fährmann, herholen und über ihn eine schwere Strafe verhängen mit der Begründung: 'Warum hast du sie übersetzen lassen?' So soll man zu ihm sagen.« Nun wurde Nemti, der Fährmann, vor die Neunheit gebracht, und man riss die vorderen Glieder seiner Beine ab. Da schwor Nemti dem Golde ab - bis auf den heutigen Tag - vor der grossen Neunheit mit den Worten: »Gold sei für mich in meiner Stadt fortan verpönt!« Darauf fuhr die Neunheit zum Westufer über, und sie liessen sich im Gebirge nieder. Als es Abend geworden war, schickten Re-Harachte und Atum, der Herr der beiden Länder, der [Gott] von Heliopolis, an die Neunheit folgendes Schreiben: »Wozu sitzt ihr eigentlich da? Wollt ihr vielleicht die beiden jungen Leute ihr ganzes Leben vor Gericht zubringen lassen? Sobald mein Brief euch erreicht, sollt ihr die Weisse Krone unverzüglich auf das Haupt des Horus, des Sohnes der Isis, setzen und sollt ihn auf den Thron seines Vaters Osiris erheben.« Da ergrimmte Seth ungeheuer, aber die Neunheit sprach zu Seth: »Warum tobst du denn so? Muss man etwa nicht handeln nach der Weisung des Atum, des Herrn der beiden Länder, des Gottes von Heliopolis, und des Re-Harachte?« Und man setzte die Krone auf das Haupt des Horus, des Sohnes der Isis. Darauf brüllte Seth laut ins Angesicht der Neunheit und sprach wütend: »Soll man denn das Amt meinem jüngeren Bruder geben, während ich, sein älterer Bruder, danebenstehe?« Er tat einen Eid und sprach: »Man soll die Weisse Krone vom Haupte des Horus, des Sohnes der Isis, herunterreissen und soll ihn ins Wasser werfen, dann will ich [dort] mit ihm um das Fürstentum kämpfen!« Und Re-Harachte handelte dementsprechend. Dann sprach Seth zu Horus: »Komm, wir wollen die Gestalt von zwei Nilpferden annehmen und ins Wasser tauchen inmitten der grünen Flut. Wer auftauchen wird vor Ablauf von drei vollen Monaten, dem soll das Amt versagt werden.« Und sie tauchten unter, die beiden Leute. Nun sass Isis da in Tränen und sprach: »Seth tötet Horus, mein Kind!« Sie holte eine Portion Garn und drehte daraus ein Seil. Weiter holte sie 100 gr Erz und schmolz es zu einer Waffe für das Wasser. Daran knüpfte sie das Seil und warf sie [die Harpune] ins Wasser an der Stelle, wo Horus und Seth untergetaucht waren. Aber das Erz verbiss sich in den Leib ihres Sohnes Horus. Da schrie Horus laut auf und rief: »Zu Hilfe! Mutter Isis, meine Mutter! Befiehl deinem Erz, sich von mir zu lösen! Ich bin doch Horus, Sohn der Isis.« Da stiess Isis einen lauten Schrei aus und befahl dem Erz: »Löse dich von ihm! Siehe, das ist mein Sohn Horus, mein Kind.« Da löste sich ihre Harpune von ihm. Dann warf sie sie wiederum ins Wasser, und sie verbiss sich in den Leib des Seth. Da schrie Seth laut auf und sprach: »Was habe ich dir denn getan, meine Schwester Isis? Befiehl deinem Erz, sich von mir zu lösen. Ich bin doch dein Bruder von der Mutter her, liebe Isis.« Ihr tat nun das Herz sehr, sehr weh um seinetwillen. Da rief Seth ihr zu: »Liebst du denn den Fremden mehr als deinen Bruder von der Mutter her, den Seth?« Daraufhin befahl Isis ihrer Harpune: »Löse dich von ihm! Siehe, es ist von Mutters Seite her mein Bruder, der der Isis, in den du dich verbissen hast.« Und die Harpune löste sich von ihm. Jetzt aber wurde Horus, der Sohn der Isis, böse gegen seine Mutter Isis. Er kam [aus dem Wasser] heraus mit einem Gesicht, wild wie das eines Leoparden, und mit seinem Messer von eineinhalb kg Gewicht in der Hand. Er schnitt das Haupt seiner Mutter Isis ab, nehm es in seine Arme und stieg ins Gebirge hinauf. Isis aber verwandelte sich in ein Frauenbild aus Feuerstein ohne Kopf. Da sprach Re-Harachte zu Thot: »Wer ist denn das, die da kommt ohne Kopf?« Und Thot sagte zu Re-Harachte: »Mein gütiger Herr, das ist Isis, die Grosse, die Göttermutter. Horus, ihr Kind, hat ihr den Kopf abgeschnitten.« Da stiess Re-Harachte einen lauten Schrei aus und sagte zur Neunheit: »Lasst uns ihm schnell eine strenge Strafe erteilen!« Die Neunheit stieg in die Berge hinauf, um Horus, den Sohn der Isis, zu suchen. Horus schlief jedoch unter einem Schen-uscha-Baum im Oasenlande. Seth indes fand ihn, packte ihn und warf ihn auf den Rücken, oben auf dem Berge. Dann riss er ihm beide Augen aus den Höhlen und begrub sie auf dem Berge. Seine beiden Augäpfel aber wurden zu zwei Knollen und erblühten zu Lotosblumen. Seth ging weg und log Re-Harachte an: »Ich habe Horus nicht gefunden«, obwohl er ihn doch gefunden hatte. Nun machte sich Hathor auf, die Herrin der südlichen Sykomore, und sie fand Horus, wie er im Wüstengebirge lag und weinte. Sie griff sich eine Gazelle, molk sie und sprach zu Horus: »Mach deine Augen auf, damit ich diese Milch hineinträufele.« Er öffnete nun seine Augen, und sie träufelte die Milch hinein, träufelte in das rechte, träufelte in das linke Auge und sprach dann wieder zu ihm: »Mach deine Augen auf!« Und er öffnete seine Augen. Sie schaute ihn an und fand ihn heil. Dann ging sie, um Re-Harachte zu sagen: »Horus ist gefunden! Seth hatte ihn um seine Augen gebracht, aber ich habe ihn wiederhergestellt. Siehe, da kommt er.« Darauf sprach die Neunheit: »Man rufe Horus und Seth her, damit man zwischen ihnen entscheide«, und man brachte sie vor die Neunheit. Nun sprach der Herr des Alls vor der grossen Neunheit zu Horus und zu Seth: »Geht nun fort und hört auf das, was ich euch sage: Esst, trinkt, und lasst uns in Frieden! Lasst ab, jeden Tag so zu streiten!«
[Horus und Seth erproben nun ihre Manneskraft aneinander, und durch eine List der Isis trug Horus den Sieg davon. Die Episode schildert zugleich, wie Seth um seinen Kompfschmuck kommt. Die Neunheit entscheidet sich erneut für Horus mit den Worten:] »Horus hat recht, Seth hat unrecht.« Da wurde Seth abermals sehr wütend und schrie laut, als sie sagten: »Horus hat recht, Seth hat unrecht.« Darauf tat Seth einen grossen Schwur bei Gott mit den Worten: »Man soll ihm das Amt nicht geben, bevor man ihn nicht hinausgeschickt hat mit mir, auf dass wir uns ein Paar Steinschiffe bauen und um die Wette fahren, wir zwei. Der aber, der den anderen besiegen wird, dem soll das Amt des Herrschers gegeben werden.« Horus zimmerte sich nun ein Schiff aus Pinienholz, überzog es mit Stuck und liess es zu Wasser zur Zeit des Abends, ohne dass es irgend jemand im ganzen Lande gesehen hätte. Seth erblickte das Boot des Horus und meinte, es sei aus Stein. Er ging auf den Berg hinauf, schnitt eine Felsspitze ab und baute sich ein Schiff aus Stein von 138 Ellen [etwa 70 m]. Dann stiegen sie ein in ihre Schiffe vor der Neunheit. Das Schiff des Seth aber versank im Wasser. Seth verwandelte sich in ein Nilpferd und brachte das Schiff des Horus zum Sinken. Da aber ergriff Horus seine Harpune und stiess sie in den Leib des Seth. Doch die Neunheit sagte zu ihm: »Stoss sie nicht in ihn!« Darauf holte er die Rudergeräte, brachte sie in sein Schiff und fuhr stromabwärts nach Sais, um Neith, der Mächtigen, der Göttermutter, zu sagen: »Veranlasse du, dass zwischen mir und Seth endlich entschieden werde. Seit achtzig Jahren sind wir nun vor Gericht, ohne dass man zwischen uns zu entscheiden vermöchte. Er hat niemals recht bekommen gegen mich, aber ich habe tausendmal bis jetzt recht behalten gegen ihn Tag für Tag. Aber er kümmert sich mitnichten um das, was die Neunheit sagt. Ich habe mit ihm gestritten in der Gerichtshalle 'Weg der Gerechtigkeit', und mir ist recht gegeben worden gegen ihn. Ich habe mit ihm gestritten in der Gerichtshalle 'Horus vor den Hörnern', und mir ist recht gegeben worden gegen ihn. Ich habe mit ihm gestritten in der Gerichtshalle 'Binsengefielde', und mir ist recht gegeben worden gegen ihn. Ich habe mit ihm gestritten in der Gerichtshalle 'Der See des Feldes', und mir ist recht gegeben worden gegen ihn. Auch hat die Neunheit gegen Schu, dem Sohn des Re, gesagt 'Recht hat Horus, der Sohn der Isis, in allem, was er gesagt hat.'« Währenddessen sprach Thot zu dem Herrn des Alls: »Lasst einen Brief an Osiris senden, damit er zwischen den beiden Burschen entscheide«, und Schu, der Sohn des Re, sagte: »Millionenfach richtig erscheint der Neunheit, was Thot gesagt hat.« Darauf sagte der Herr des Alls zu Thot: »Setz dich hin und schreib einen Brief an Osiris! Wir wollen hören, was er sagt.« Thot setzte sich also, um folgenden Brief an Osiris zu verfassen. »An den Stier: Löwe, der für sich selbst jagt. An die beiden Herrinnen: Der die Götter schützt und die beiden Länder niederbeugt. An den Horus von Gold: Der die Menschen ersonnen hat in der Urzeit. An den König von Ober- und Unterägypten: Der Stier, der in Heliopolis residiert. An den Sohn des Ptah: Wohltäter der beiden Ufer [Aegypten], der erscheint als Vater seiner Neunheit, indem er sich von Gold nährt und allem kostbaren Geschmeide: Leben, Heil und Gesundheit! Schreibe uns, was wir mit Horus und Seth machen sollen! Wir wollen keine Massnahmen treffen in Unkenntnis.«
Einige Zeit darauf gelangte der Brief zu dem König [Osiris], dem Sohn des Re, der die grosse Ueberflutung spendet, an den Herrn der Nahrung. Er aber stiess einen lauten Schrei aus, als der Brief vor ihm verlesen ward, und er schickte seine Antwort auf dem schnellsten Wege dorthin, wo der Herr des Alls sich zusammen mit der Neunheit befand, folgenden Wortlauts: »Warum spielt man meinem Sohne Horus so übel mit? War ich es doch, der euch stark gemacht hat! Denn ich bin es, der Gerste und Weizen geschaffen hat, um die Götter zu ernähren wie auch das Vieh Gottes [Menschen] nach den Göttern. Weder ein anderer Gott noch eine andere Göttin kam auf den Einfall.« Der Brief des Osiris erreichte den Ort, wo Re-Harachte war, der sich inzwischen mit der Neunheit niedergelassen hatte in dem'Weissen Felde' in Xois. Man verlas ihn vor ihm und der Neunheit, und Re-Harachte sprach [zu Thot]:»Schreib mir zu dem Brief schnell eine Antwort an Osiris und sag ihm bezüglich des Briefes: 'Wärst du auch nie entstanden, wärst du auch nie geboren, so gäbe es Gerste und Weizen genau so.'« Der Brief des Allherrn gelangte zu Osiris, und er wurde vor ihm verlesen. Er schrieb nun wiederum an Re-Harachte, und zwar folgendermassen: »Vortrefflich ist ja alles, was immer du machst, und was die Neunheit zu tun für richtig befunden hat. Nur die Gerechtigkeit, die hat man in die Unterwelt versinken lassen. Vergegenwärtige dir die Lage, in der du bist. Das Land, in dem ich mich aufhalte, ist voll von [Todes]boten mit wilden Gesichtern, die nicht Gott noch Göttin fürchten. Wenn ich sie [aus der Unterwelt] hinauslasse, so werden sie mir das Herz eines jeden bringen, der Unrecht tut, und die [Frevler] werden hier bei mir sein. Was bedeutet es [doch für mich], dass ich hier bin, hier ruhe im Westen, indes ihr allesamt draussen seid! Wer unter ihnen ist etwa stärker als ich? Und doch sind sie darauf bedacht, unrecht zu tun. Als Ptah, der Grosse, südlich von seiner Mauer, der Herr des 'Lebens der beiden Länder' [Memphis], als er den Himmel schuf, hat er da nicht zu den Sternen, die darin sind, gesprochen: 'Ihr sollt jede Nacht im Westen zur Ruhe gehen, dorthin, wo König Osiris ist? Und nach den Göttern sollen die Vornehmen wie die Geringen ebenso dorthin zur Ruhe gehen, wo du bist', so hat er zu mir gesprochen.« Einige Zeit darauf gelangte der Brief des Osiris dahin, wo der Herr des Alls mit der Neunheit war. Thot nahm den Brief entgegen und verlas ihn vor Re-Harachte und der Neunheit. Sie sprachen: »Sehr recht hat er mit allem, was er gesagt hat, der die grosse Ueberflutung spendet, der Herr der Nahrung.« Aber Seth sagte: »Begebt euch auf die 'Insel der Mitte', damit ich mich mit ihm streiten kann.« Und er ging auf die 'Insel der Mitte'. Doch man gab Horus [abermals] recht gegen ihn. Atum, der Herr der beiden Länder, der Gott von Heliopolis, sandte an Isis folgende Botschaft: »Bringe Seth her, und zwar gefesselt mit der Handschelle!« Und Isis brachte Seth mit der Schelle gefesselt als Gefangenen.
Da sprach Atum zu ihm: »Warum sträubst du dich dagegen, dass man rechtlich zwischen euch entscheide, und versuchst, das Amt des Horus an dich zu reissen?« Doch Seth antwortete ihm nun: »Keineswegs, mein gütiger Herr! Lass Horus, den Sohn der Isis, rufen. Das Amt seines Vaters Osiris werde ihm verliehen!« So holte man Horus, den Sohn der Isis, setzte die Weisse Krone auf sein Haupt und hob ihn auf den Thron seines Vaters Osiris. Man sprach zu ihm: »Du bist der vollkommene König von Aegypten! Du bist der vollkommene Herr eines jeden Landes bis zum Ende der Zeiten, bis in alle Ewigkeit!« Dann sprach Isis mit laut erhobener Stimme zu ihrem Sohne Horus: »Du bist der vollkommene König! Mein Herz ist in Freude, da du die Erde erhellst mit deinem Glanze.« Ptah, der Grosse, südlich von seiner Mauer [Memphis], der Herr des Lebens der beiden Länder, sprach darauf: »Was aber soll man jetzt mit Seth machen? Denn siehe, Horus ist auf den Thron seines Vaters Osiris gesetzt.« Re-Harachte antwortete: »Man übergebe ihn mir, den Seth, den Sohn der Nut, auf dass er bei mir weile und bei mir sei wie ein Sohn. Er soll im Himmel donnern, und man soll sich vor ihm fürchten.« Nun kam man, um Re-Harachte zu sagen: »Horus, der Sohn der Isis, ist als Herrscher angetreten!« Da freute sich Re-Harachte, freute sich über die Massen und sprach zur Neunheit: »Huldiget, huldiget im ganzen Lande den Horus, dem Sohne der Isis!« Isis aber sang: »Horus ist als Herrscher angetreten. Die Neunheit ist in Festesfreude, und der Himmel jubelt. Sie bekränzen sich, Wenn sie Horus sehen, den Sohn der Isis, Der angetreten ist als grosser Herrscher von Aegypten. Der Neunheit Herz, es ist im Rausch, das ganze Land frohlockt, Wenn sie Horus sehen, den Sohn der Isis, Der erhalten hat das Amt seines Vaters Osiris, des Herrn von Busiris.« Nachschrift: »Es ist glücklich zu Ende gekommen in Theben, der 'Stätte der Wahrheit'.«
Der vorliegende Text stammt aus dem Buch Altägyptische Märchen; eingeleitet, übersetzt und erläutert von Emma Brunner-Traut.
Isis gelang es, die Truhe aus dem Stamm zu befreien und brachte den Leichnam ihres Gatten zurück nach Ägypten. Seth blieb dies nicht verborgen und er zerstückelte Osiris Körper in 14 Teile und verteilte den Leichnam über das ganze Land. Einer Wiederbelebung durch Isis wollte er somit entgegenwirken. Einer der wichtigsten Abschnitte des Mythos ist die Wiederbelebung des Osiris durch Isis während der sogenannten Totenhochzeit. Isis fuhr in einem Papyrusboot durch die Sümpfe und fand die einzelnen Stücke. Bis auf seinen Penis. Der Phallos stand für Fruchtbarkeit und Lebenskraft, daher schafft Isis einen neuen und erweckt diesen während der Totenhochzeit zum Leben. Osiris ist somit wieder fruchtbar und zeugungsfähig und zum Leben erweckt. Isis setzte Osiris Körper wieder zusammen. Dazu umwickelte sie ihn mit Leinenbandagen. Der Gott Anubis hilft ihr dabei und nähte seine Körperteile wieder zusammen und balsamierte ihn. Osiris wurde dann von Isis und Nephthys wiederbelebt. Und sie zeugten einen Sohn, Horus. Die Zauberkräfte der Isis bewahrten den Leichnam des Osiris vor der Verwesung und Osiris erhob sich und regierte fortan als Gott der Unterwelt. In einer anderen Version heißt es, Seth zerstückelte ihn in 13 Teilen, die er im ganzen Land verstreute. Das vierzehnte Teil, seinen Penis, warf er ins Meer, wo ihn ein Fisch sogleich verspeiste.
Isis machte sich auf den Weg und sammelte alle Körperteile wieder ein, bis auf seinen Penis. Der Versuch, den fehlenden Phallus durch eine Holzkopie zu ersetzen, schlug fehl. So wurde Osiris nicht wiedererweckt, denn der Körper des Gottes war nicht vollständig. Osiris avancierte zum Herrscher über das Totenreich. Da Osiris als erster Gott stirbt, gilt er als König der Unterwelt und wird mit allen Bereichen des Todes in Verbindung gebracht. Gleichzeitig gilt er als Herr der Erde von dem alle Fruchtbarkeit ausgeht. Da Isis hochschwanger war und nicht in der Lage war gegen Seth zu kämpfen, konnte Seth seine Herrschaft über Ägypten weiter ausbauen und herrschte uneingeschränkt über die ganze Welt . Im Verborgenen brachte Isis ihren Sohn Horus zur Welt. Da sie wusste, dass Seth alles versuchen würde, um Horus wie seinen Vater zu töten, legte sie das Baby in einen Korb und ließ ihn auf den Nil hinaus treiben. So wuchs Horus bei Menschen auf, die ihn am Nilufer fanden und Horus hielt sich selber für einen Menschen. Horus wurde zu einem ungewöhnlich starken und schönen Mann. Horus wuchs in Buto auf und erfuhr von seiner göttlichen Herkunft und wer seine Eltern waren. So sann er auf Rache gegen Seth und begann einen grausamen Feldzug gegen ihn. Osiris kam aus der Unterwelt herauf zu Horus und rüstete ihn für den Kampf aus, der ihm bevorstand. Zu Beginn von Horus Krieg hatte dieser noch Verbündete: seine Mutter Isis, deren Schwester Nephthys, sowie die Götter Anubis und Thoth. Die gnadenlose Entschlossenheit von Horus führte aber dazu, dass sich selbst seine Mutter Isis von ihm abwandte. Als Isis Kriegsgefangene ihres Sohnes befreite, reagierte dieser so bösartig, dass er ihr den Kopf abschlug und nur durch die Heilkünste des Thoth verhindert wurde, dass Isis an dieser Verletzung starb. Der Krieg der Götter tobte im Land der Menschen. Endlich aber siegte Horus. Seth wurde gefesselt und der Isis ausgeliefert. Isis duldete keinerlei Bluttaten und wollte eine Verurteilung des Seth durch ein göttliches Gericht.. Seth schlug vor, den Streit außerhalb des Gerichtssaales bei einer Kraftprobe zu entscheiden, was aber von Thot abgelehnt wurde. Für etwa 80 Jahre geschah nichts.
Das Horus-Auge und die Reichsteilung
Zum Ende des langen Kampfes gewann Horus und zerteilte Seth ebenso und verteilte ihn über das ganze Land. Im Verlauf des Kampfes zwischen Seth und Horus wurde Horus ein Auge ausgestochen, das jedoch von seiner Mutter Isis geheilt wurde. Oft ist jedoch auch Thot als Retter angegeben, da es sich bei dem verletzten Auge um das linke und damit das Mondauge handelte. Somit wurde es zu einem Symbol für Heilung und Schutz vor Gefahr. Das Udjat-Auge wurde seit dem Alten Reich als Amulett verwendet.
In einer anderen Version heisst es: Eines Tages entdeckte Seth den schlafenden Horus in einer Oase, riss ihm die Augen aus und begrub sie in den Bergen, wo sie sich in Lotosblüten verwandelten. Seth hielt ihn für tot und verschwieg Re bei seiner Rückkehr Horus gefunden zu haben. Währenddessen fand die Göttin Hathor den weinenden Horus in den Bergen. Sie benetzte seine Augen mit Gazellenmilch und gab ihm durch Zauberkraft sein Augenlicht wieder.
Da sich die Götter nicht darauf einigen konnten, ob Seth oder Horus nun Pharao werden sollte, baten sie die Göttin der Weisheit Neith um eine Entscheidung und sie ernannte Horus - allerdings akzeptierte Seth die Wahl nicht und begann den Kampf erneut. Schließlich wurde Osiris, der mittlerweile die Welt der Toten regierte, um Rat gefragt und er verdammte wütend die Götter, weil sie so lange dem verheerenden Krieg zugesehen hatten, ohne einzugreifen - er verlangte von ihnen, dass sie Neiths Entscheidung akzpetieren sollten. Damit wurde die Welt geteilt. So wurde Horus Regent des Schwarzen Landes - Ägypten -, während Seth das Rote Land - die umgebende Wüste - als sein Reich erhielt. Erst Pharao Menes konnte die Reiche vereinen, weshalb er als erster die Doppelkrone beider Länder auf seinem Haupte trug.
Wie schon im Forum unter Ankündigungen zu finden, werde ich an einigen Stellen Texte richtig stellen. So auch hier:
Die alten Ägypter überlieferten alte Geschichten, oft Erzählungen vom Anbeginn. Sie hatten ihre eigenen Vorstellungen von den Göttern jener Zeit, gaben ihnen Namen wie Isis, Osiris, Horus....... doch einiges was sie weiter gaben, das entspricht nicht den Tatsachen.
Nun -
Horus hat nie in der Form gegen Seth gekämpft, wie es die Ägypter in Mythen packten. Es war Isis, die den Tod ihres Mannes Osris rächte, Seth nicht nur kastrierte, weil er nicht aufhörte sie sexuell zu belästigen, sondern ihn sogar hernach töte, um zu verhindern, dass er nachdem er Osiris getötet hatte, noch weitere Vertraute der Isis umbrachte. Hierzu wird mehr unter der Rubrik "Herryus" zu finden sein.
Horus war auch nie der Sohn des Osiris und der Isis, beide hatten nie Kinder, denn dazu konnte es nie kommen, da Seth Osiris zuvor tötete.
Die Ägypter überlieferten aber dennoch teils richtig, denn dadurch das Isis den Tod ihres Mannes rächte, konnte er zu einem Schatten werden, einer Art sehr starkem Geist. Der so, wohl zunächst nicht mehr in fester Gestalt, weiter existieren konnte. So ist dann auch sein weiteres Wirken über seinen Tod hinaus zu verstehen. Aber wie gesagt hierzu wird in unter "Herryus" mehr zu finden sein.
Horus Kampf gegen Seth ist anders zu verstehen, denn er war auch ein Gott des Anbeginns und wehrte sich genau wie andere mit Isis eng verbundene Götter gegen Seth. In späterer Zeit kehrte er dann als Jesus Christus zur Erde zurück und auch da wurde vieles sehr falsch überliefert oder absichtlich verdreht.
Die Christen übernahmen dann von den Ägyptern die Darstellung der Isis mit dem Horus-Knaben, machten sie zu Maria mit dem Jesus-Kind. Da die Ägypter es schon falsch überliefert hatten, wurde das falsch überlieferte noch mehr verändert und verzerrt, richtig ist, das Isis, die ja nie mit Osiris einen Horus Sohn hatte, in Gestalt der Maria Magdalena neben Jesus weilte! Sie war nicht die Mutter Jesus, so wenig wie Isis die Mutter des Horus war.
So und nun möchte ich zum Schluss hier noch einige Namen richtig stellen, wobei Namen an sich nicht wichtig sind, sondern das Wesen und Sein jener Götter. Isis entspricht der Göttin Lilith, so wie Osiris dem Gott Schamael auch als Iblis, Samael usw. bekannt und Seth, dessen Aspekte auch in dem ägyptischen Gott Ra zu finden sind, ist niemand anderes als Herryus, auch als Jahuchwa bekannt, jener Gott, der von den Christen angebetet wird.