Eine Reliquie, die ebenfalls mit den Tempelrittern verbunden wird und seit Jahrhunderten eines der größten Geheimnisse darstellt, ist der Heilige Gral. Der Legende zu folge wird er von einem Gralskönig und seinen Gralsrittern bewacht. Sie hoffen auf einen Auserwählten, welcher das Geheimnis des Grals lüftet und seine Hüter von ihrem Fluch befreit.
In Deutschland wurde die Gralslegende zuerst durch Wolfram von Eschenbach, ei nen deutschen Dichter des 13. Jahrhunderts, publik. In seinem berühmten Epos Parzifal sind es die „Templeisen“, die ‒ inspiriert von den Tempelrittern und ihren Symbolen und Ritualen ‒ den Heiligen Gral bewachen.
Die älteste Gralslegende (Li Contes del Graal) geht allerdings auf das Jahr 1190 zu rück und stammt aus der Feder des altfranzösischen Autors Chrétien de Troyes, dem wohl bekanntesten Sohn der gleichnamigen französischen Stadt, in der auch die Gründer des Templerordens zuhause waren.
Worum es sich aber bei dem Heiligen Gral tatsächlich handelt, darüber streiten sich die Gralssucher bis heute. Es gibt so viele Grale wie es Gralsgeschichten gibt.1 Las sen wir den symbolischen Gegenstand, das Gefäß, den Kelch oder wie immer wir ihn bezeichnen möchten, außen vor, dann verbindet man mit ihm immer auch spirituelle Kräfte. Der Gral soll Glückseligkeit, ewige Jugend und Lebensenergie spenden. Man sagt, dass er sich nur demjenigen offenbart, der reinen Geistes ist. Ewige Energie und reiner Geist aber sind Ausdrucksformen des unendlich lebenden Geistes und einer der Hauptschlüssel der Solomonischen Weisheiten. Und so offenbart sich uns der Heilige Gral im reinen Geist:
Heiliger Gral = reiner („heiliger“) Geist Den Schlüsseln Solomons (und damit dem Heiligen Gral) zufolge existiert der Tod nicht wirklich2, nicht einmal im übertragenen Sinne ‒ er ist nur der Übergang in ein neues Leben. Statt zu sterben steigen wir im Laufe der Äonen (ein Äon ist ein Zeit alter und leitet sich von griechisch αιών aioon ‘die Ewigkeit’ ab) in immer höhere Ebenen des Lebens auf. Das Universum ist unsere Heimat. Wir werden die fernsten Winkel erforschen und das noch vor dem Ende der Zeit. Wir sind sowohl Teil des unendlichen Geistes des Alls als auch von ihm umgeben und unsere Möglichkeiten sind zeitlich und räumlich unbegrenzt.3 Am Ende des großen Zyklus, wenn das All seine Schöpfungen in sich zurückziehen wird, werden wir glücklich dahingehen4, weil wir die ganze Wahrheit des Eins-Sein mit dem All erkennen können. Es ist ein Trugschluss anzunehmen, dass die Erde, die nur ein winziges Element im Weltraum ist, das Universum selbst sei. Es gibt Millionen und Abermillionen ähnliche Welten, die größer sind und es gibt Millionen und Abermillionen Universen innerhalb des un endlichen Geistes des Alls.5 Soweit die Erkenntnisse, die mithilfe einer der sieben Hauptschlüssel Solomons ‒ dem Prinzip der Geistigkeit ‒ gewonnen werden können.
Abb. 21: Stern Antares im Vergleich zur Sonne Und tatsächlich entdeckt die moderne Astro nomie Sterne, die so groß sind, dass unsere Sonne dagegen wie ein Staubkorn erscheint. Der Stern Betagueze im Sternbild Orion (auch Schulterstern genannt) ist etwa so ein Riesen stern, der den 662-fachen Durchmesser unse rer Sonne aufweist (die immerhin 109-mal grö ßer als die Erde ist6) und eine 10 000-mal grö ßere Leuchtkraft besitzt. Noch übertroffen wird Betagueze von Antares. Der hellste Stern im Sternbild Skorpion, misst an seiner stärksten Stelle rund 1 144 Millionen Kilometer. An die Stelle der Sonne versetzt würde er weit über die Umlaufbahn des Mars hinausragen.
Der Name Antares stammt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie „Ares entgegengesetzt“. Aus dem Handbuch der Symbolik der Freimaurer wissen wir aber, dass die Silbe Ar mit dem Licht zusammenhängt und eine zentrale Stellung unseres Daseins einnimmt.
Auch der Name der britischen Sagengestalt König Artus (englisch Arthur), der zwölf seiner besten Ritter zur inzwischen ebenso legendären Tafelrunde zusammenrief, um den Heiligen Gral zu suchen, leitet sich von Arthor ab. In Ar Thor erkennen wir das Licht (Ar) zum Tor der Geistigkeit, das von vielen mit Gott in Verbindung ge bracht wird, so wie auch der Gral eine „göttliche“ Erscheinung sein soll.
Dass ewiges Leben keine Utopie ist, das belegt uns auch die Wissenschaft mit einem ihrer zentralsten Lehrsätze ‒ dem Energieerhaltungssatz. Wenn nach der Physik Energie in einem bestehenden System immer erhalten bleibt (Energieerhaltungs satz), dann gilt das selbstverständlich auch nach dem Tod des Einzelnen, schließlich existiert das All weiter. Wir sind Teil des Ganzen, des Alls. Energie, gleich welcher Art und Höhe, ob mechanische, elektromagnetische, kinetische oder thermische kann nach physikalischem Verständnis in einem bestehenden System nicht ver schwinden, folglich auch nicht die Lebensenergie. Der physische Körper verliert nach dem scheinbaren Tod langsam seine Form, weil der Lebensgeist aus ihm weicht. Der schöpferische Geist formt das Leben, weil in der Lebensenergie Geist steckt. So wie einfache Energie die Materie formt, so formt der Geist das Leben abhängig vom Grad der Schwingung und vom genetischen Code.
Der Gralsbegriff ist nicht vollständig geklärt. Legen wir aber die Mischwesen Bapho met und Sphinx als Träger der Schlüssel Solomons zugrunde, scheint die etymologi sche Herleitung vom griechischen Wort krater für Mischgefäß (lat. crata lis/gra(da)l(is)) in der Tat die sinnvollste Deutung zu sein. Die Solomonischen Wahr heiten über das Universum enthalten eine allumfassende Mischung der sieben höchsten und zugleich grundlegendsten Prinzipien, die auf allen Ebenen und in allen Lehren ihre Entsprechungen finden.
Doch mit dem Untergang des Solomonischen Tempels verschwanden die Schlüssel Solomons und mit ihnen auch das philosophische Verständnis. In den vergangenen Jahrhunderten kam es zu einer Spaltung dieser philosophischen Lehre. Die Abspal tung der Geistigkeit von den sechs materiellen Prinzipien führte nach christlichen Glaubensvorstellungen zu einem paradiesischen Ideal, das, wie der heilige Gral, ewiges Leben beinhaltet.
Legen wir die Schlüssel Solomons zugrunde, dann verstehen wir die alttestamentari sche Erzählung, nach der die Schlange Adam und Eva verführte, vom Baum der Er kenntnis zu essen: „Nun erkannten sie [die Wahrheit, Anm. d.V.], dass es Gut und Böse gibt [das Prinzip der Polarität, Anm. d.V.].“7