Kaum jemand hat die Kultur und die Geisteswelt stärker beeinflusst, als der Mann welchen man als den Jesus von Nazareth bezeichnet. Doch schon kurze Zeit nachdem dieser auch heute noch immer geheimnisvolle Mensch gen Himmel gefahren sein soll, entbrannte schon der Streit um seine Person! Wer war dieser Jesus wirklich? Der von den Menschen zu Beginn der Zeitrechnung erwartete Messias, der Sohn des allmächtigen Gottes oder aber- wie selbst in den Schriften des Neuen Testamentes nachlesbar, der Menschensohn?
Versucht man in den Schriften des Neuen Testamentes hierüber etwas zu dieser Frage zu erfahren, findet man sich schnell in den "Irrungen" und "Wirrungen" der sich oftmals widersprechenden Evangelien wieder. Es fällt nicht besonders schwer, ganz im Sinne unseres gewählten Titels einen geteilten Jesus herauszufiltern. Offenbar zwei Personen mit offenbar ganz entgegengesetzten Lehren und Vorstellungen, was nicht nur heutigen Zeitgenossen wie ein Jesus Puzzle erscheint!
Christus vor Christus
Was hier ein wenig geheimnisvoll erscheint, nämlich die Frage nach einem Christus welcher vor Christus existiert haben mag, ist ja spätestens nach dem Fund der mittlerweile weltberühmten Schriftrollen vom Toten Meer, nach ihrem Fundort als die Qumranrollen jedermann geläufig, zum ernsthaft diskutierten Thema von Theologen und Bibelhistorikern geworden. Als der Oxforder Gelehrte und sicher einer der größten Experten auf dem Gebiet alter Schriften des Orients, Prof. John Marco Allegro im Jahre 1957 in einem Interview der britischen BBC im Vorgriff auf sein im Druck befindliches Buch1, die ersten Ergebnisse seiner Entzifferungsarbeiten an den zum großen Teil recht fragmentarischen Rollen präsentierte, öffnete dieser nahezu eine Büchse der Pandora! Was dieser, nach eigener Aussage bekennende Christ, seinen Hörern präsentierte, muss wohl seinen Kollegen im berühmten Rollensaal von Jerusalem wie die Trompeten von Jericho in den Ohren geklungen haben.
Der in diesen geheimnisvollen Schriften immer wieder auftauchende Meister der Gerechtigkeit, auch der Anweisung und der Rechtschaffenheit genannt, hätte so ziemlich alle Bedingungen erfüllt, welche man gemeinhin an den geläufigen Jesus von Nazareth stellen würde. Dies sei umso bemerkenswerter, weil man wohl die Mehrzahl dieser Schriften vor dem Zeitpunkt der Geburt Christi datieren müsse. Doch damit erschöpften sich die Ausführungen von Allegro keinesfalls, seinen künftigen Ruf als eine Art "Qumranjudas" hatte sich der Engländer mit weiteren Ausführungen zu diesem Thema redlich verdient.
"Gerade das Studium der Qumranschriften mache es notwendig, das bisher gnostischste und hellenistischste Evangelium des Johannes neu zu bewerten. Es konnte gezeigt werden, dass gerade dieses Evangelium in die tiefste Evangelientradition gehöre!"
Gerade dieses Zitat sollte neben anderen Ausführungen zur beständig größer werdenden Unbeliebtheit des unerschrockenen, vor allem seinem wissenschaftlichen Fachgebiet verpflichteten Gelehrten führen.
Gerade dieses Johannes-Evangelium wurde erst sehr spät und wohl unter heftigen "Bauchschmerzen" in den Kanon2 des Neuen Testamentes im Zuge des Konzils von Nizäa aufgenommen. Folgt man hier den Berichten eines der wohl bedeutendsten Kirchenväter, dem während des Konzils zur Rechten des Kaisers Konstantin sitzenden Eusebius von Cäsarea3, so gehörte wohl dieses ominöse vierte Evangelium zur "Kompromiss- und Verfügungsmasse" der wohl kaum einigen Teilnehmer. Zusammen mit den mitunter recht widersprüchlichen Briefen des Neuen Testamentes, wie zum Beispiel die an Titus oder den mit Misstrauen beäugten Hebräerbrief des Apostels Paulus, gehört das Johannes-Evangelium zu den auch von Bibelhistorikern als "Stachel im Fleisch" des Schriftcorpus angesehenen kanonischen Bibel.
So ist gerade dieses vierte Evangelium angefüllt mit Exklusivberichten, wie der Hochzeit von Kana, der Erweckung des Lazarus von den Toten oder schlimmer noch, von der geheimnisvollen Tat des römischen Zenturio Longinius, welcher mit seinem Speer die Seite des Gekreuzigten geöffnet haben soll, woraufhin "Blut und Wasser" austraten. Die zu Berichten der sogenannten synoptischen Evangelien4 auch nicht immer passenden Schriften umfassen auch die des "Heidenapostels" Paulus.
"In diesem Zusammenhang", so Prof. Allegro weiter, "scheint es bemerkenswert, dass der Apostel Paulus den Jesus von Nazareth gar nicht zu kennen scheint."
Niemandem, so der Engländer weiter, aus dem doch recht großen in den Evangelien des NT erwähnten Personenkreis schenkt Paulus seine Aufmerksamkeit, auch von den immerhin zwölf Jüngern Jesu erwähnt dieser nur drei. Der gerne als beinahe Augenzeuge apostrophierte Heidenapostel Paulus, welcher gar aufgrund diverser "News" der sogenannten alternativen Theologie mit klammheimlicher Freude unterm Kreuz von Golgatha gesessen haben soll, müßte von wirklich kritischem Winkel her betrachtet werden.
Gerade dieser Paulus als Person und Prophetengestalt lässt sich noch ein gutes Stück schwieriger fassen, als der Jesus von Nazareth als historische Gestalt. Auf der einen Seite steht die Schilderung der sogenannten Apostelgeschichte, nach der der vor Damaskus bekehrte Saulus von den Jüngern in Jerusalem in die ehrenvolle Aufgabe der Verkündigung der frohen Botschaft mit einbezogen wird. Er soll sich um die verlorenen Schafe in der Diaspora rund ums Mittelmeer kümmern, was gleichbedeutend mit dem Imperium Romanum wäre, wenn dieser Paulus tatsächlich im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung gelebt hätte. Anders, völlig anders, klingt das Thema in diversen Paulusbriefen, was uns noch beschäftigen wird.
Doch auch schon in der Apostelgeschichte, von der bekannten Theologin und Tochter eines ehemaligen Bundespräsidenten, Frau Prof. Uta Ranke-Heinemann mit Grimms Märchen verglichen, braucht der bekehrte Paulus immerhin ganze vierzehn Jahre, um sich zu den Brüdern des Herrn nach Jerusalem zu begeben. Der libanesische Historiker Prof. Kamal Salibi5 versucht diesen Umstand eben mit der nicht nur von ihm implizierten Gegner- ja Feindschaft zu erklären. Doch ein Blick in die Apostelgeschichte lässt hier eine recht interessante Neuinterpretation zu, welche auch zur These unseres Titels, von einem Christus vor Christus hinführen wird. Hier ist besonders von Bedeutung die angebliche Rechtfertigungsrede des Paulus im Bereich des jüdischen Tempels von Jerusalem in Richtung der Brüder des Herrn im Beisein großer Volksmassen. Diese Apostelgeschichte schildert ja ein regelrechtes Herbeizitieren wegen der Verbreitung falscher Lehren während der sogenannten Missionsreisen des Paulus in der Diaspora. "Ihr Männer, lieben Brüder und Väter, höret mein Verantworten an euch.
Da sie aber hörten, dass er auf hebräisch zu ihnen redete, wurden sie noch stiller. Und er sprach:
Ich bin ein jüdischer Mann, geboren zu Tarsus in Zilizien, und erzogen in dieser Stadt zu den Füßen Gamaliels, gelehret mit allem Fleiß im väterlichen Gesetz, und war ein Eiferer um Gott, gleichwie ihr heute alle seid." 6 ( Apostelg. 22, 1-3)
In Bezug auf diese angebliche Rechtfertigungsrede wird für uns der Name Gamaliel und die Bezeichnung "Eiferer um Gott" noch von Bedeutung sein. Sie werden uns nicht nur helfen den Urchristus zu finden, sondern auch die Beteiligten am ersten Exodus und dem zweiten desselben.
Gamaliel und Mose
"Erzogen zu Füßen des Gamaliel", so die vom angeblichen Paulus während dessen Rechtfertigungsrede gemachte Aussage hinsichtlich seiner Herkunft und seines Verständnisses von der durchaus eigenständigen Berechtigung das Wort Gottes zu verkündigen. Die spannende Frage an dieser Stelle wäre natürlich die nach der Identität dieses Lehrers Gamaliel.
Eine eher brisante Auskunft erhält man bei einem Blick in das kabbalistische Buch des Sohar.7 Ausgerechnet der zu den bedeutendsten Autoren jüdischer Literatur zählende und angebliche Zeitgenosse Jesu, der zu seiner Zeit im Römischen Reich berühmte Philo von Alexandrien, bezeichnete dieses Buch des Sohar als das für den Gläubigen tatsächlich von Bedeutung seiende Werk. Dieses kaum verhohlene Misstrauen Philos gegen die biblischen Schriften hat Bibelhistoriker schon immer überrascht.
Im Sohar nun treffen wir Gamaliel auch wieder, wobei dieser mit dem Führer der Israeliten aus ägyptischer Knechtschaft, dem sowohl bekannten als auch zugleich unbekannten Mose gleichgesetzt wird. Dieser laut dem Buche Exodus in alle Geheimnisse Eingeweihte, muss ja offenbar über recht große Macht verfügt haben.
So berichtet auch der Kirchenvater Eusebius von Cäsarea, dass Mose am Fuße des Gottesberges einen Christus ernannt habe. Gemäß den Berichten des Exodusbuches ernannte Mose ja als seinen Nachfolger den Josua, welcher schlussendlich siegreich das verheißene Land eroberte. Diese auf den ersten Blick sichtbare Merkwürdigkeit - hier Christus und dort Josua - erhält in der englischen King-James-Bibel eine recht einleuchtende Erklärung. Wenn in diesen Texten von Josua die Rede ist, wird dies mit Jesus erklärt und umgekehrt. In diesem Zusammenhang mag es nicht uninteressant erscheinen, dass sich die Stimmen mehren, welche den Begriff "Jesus" nicht als originären Namen, sondern als einen auf einen bestimmten Sohn bezogenen Titel ansehen. So waren es die mittlerweile zu Weltruhm gelangten englischen Autoren Lincoln, Baigent und Leigh8, welche Jesus vom jüdischen Begriff Ber- Rabbi (Sohn des Vaters) abgeleitet hatten.
Ein sehr hoher und überaus ehrenvoller Titel, welcher laut den gut fundierten Thesen der Autoren in den Schriften der NT- Evangelien zu dem angeblichen Schwerverbrecher Barabbas regelrecht korrumpiert wurde.
Eine recht brisante Aussage, wenn man diese in Beziehung zu sogenannten gnostischen oder ketzerischen Schriften setzt. So berichtet eine im ägyptischen Nag Hammadi gefundene Schrift mit dem Titel "Abhandlung über den großen Seth"9 über die versehentliche Kreuzigung eines Anderen! "Es war ein anderer, Simon von Thyrene, der das Kreuz trug..., ich aber lachte über ihre Unwissenheit". ( verkürzt zitiert)
Auch mit diesem Simon von Thyrene werden wir uns noch zu beschäftigen haben. Doch bleiben wir noch eine Weile bei Gamaliel/Mose am Gottesberg und der von Eusebius geschilderten Ernennung eines Christus. Mittlerweile herrscht Einigkeit zu diesem ansonsten immer heftig umstrittenen Thema, dass der Begriff Christus sich aus dem griechischen Sprachraum herleitet und ursprünglich auch Christos geschrieben wurde. Doch auch diese griechische Bezeichnung ist höchstwahrscheinlich ein aus Ägypten übernommenes Lehnwort, welches sich vom Begriff Messias ableitet, was nichts anderes als der Gesalbte bedeutet. Auch dort war der Name Messias nicht auf eine einzige Person bezogen, sondern bezeichnete den zum Nachfolger des Pharao bestimmten Thronfolger. Dort, im Lande der gewaltigen Pyramiden war dieses feierliche Salben zum Kronprinzen völlig im Gegensatz zu jüdischen Königen durchaus geläufig.
Wenn man also die ausschließlich im Evangelium des Johannes beschriebene Salbung des Herrn durch die Tochter des Lazarus folgerichtig nach Ägypten, zu einer sehr viel früheren Zeit obendrein, hinverlegt, müßte auch der Ernennung des Christus durch den Mose, wie von Eusebius berichtet, eine mehr als brisante Bedeutung zugewiesen werden. Dann müßte also dieser Mose entweder Priester oder Pharao oder gar beides in einer Person gewesen sein. Denn auch die möglicherweise ursprünglich aus Ägypten stammenden Qumranschriften, insbesondere die mit großem Interesse betrachtete Kriegsrolle, erwarteten ja immer einen Messias aus priesterlichem und königlichem Hause.
Auch zu dieser möglichen ägyptischen Herkunft der Qumranschriften gab der redliche Prof. John Marco Allegro zum Grimm seiner meist kirchlich abhängigen Gegner seinen "Senf" in besagtem BBC-Interview dazu. Neben seinen auch von erbitterten Gegnern unbestrittenen Fachkenntnissen der Schriften, steuerte der Oxfordgelehrte auch noch archäologische News in seinem Statement mit bei.
"Die Tonkrüge, in denen sich zumeist die Schriftrollen befanden, sind in Palästina ohne Beispiel, nur in Ägypten fand sich Vergleichbares.", so Allegro in prägnanter Weise. Diese Aussage, gewürzt mit noch einigen weiteren Unverträglichkeiten in Hinblick auf allgemein "anerkannte Theorien", wird uns auch im nächsten Teil noch weiter beschäftigen.
Prophet und Zauberer
Wir hatten ja schon in den Mitteilungen der Giordano- Bruno- Gesellschaft10 die für manchen recht spannende aber dennoch kaum wahrscheinliche Theorie angesprochen, dass der uns geläufige Jesus von Nazareth, von den Lehren des erhabenen Buddha inspiriert, die Kreuzigung auf Golgatha überlebt haben könnte und schlussendlich in Indien seine Mission weiter betrieben hatte. Natürlich ist auch die hier aufgestellte Theorie, im Grabtempel von Srinagar wäre in Wahrheit der an den Füßen durchstochene Echnaton begraben, nicht mit absoluter Sicherheit zu beantworten. Dies ist natürlich das Problem mit den heiligen Stätten, wo seit langen Zeiten ein Heiliger seine letzte Ruhe gefunden haben soll. Keine Chance besteht gemeinhin solche Postulate zu überprüfen. Weder eine Öffnung der Sarkophage im Dom zu Köln, wo der Sage nach die Gebeine der heiligen drei Könige sich befinden sollen, noch ein Öffnen des seltsamen Schreins in der Pariser Kathedrale von Notre Dame, worin sich die Windeln befinden sollen in denen das Jesuskind gewickelt worden sein sollte, kommen ernsthaft in Betracht.
Natürlich müsste man in gewisser Weise sogar Verständnis für diese Politik des verschlossenen Schreines aufbringen. Der Glaube kann nicht nur wie in Markus geschildert, "Berge versetzen", sondern sorgt auch für einen willkommenen Spendenfluss. Wobei natürlich immer dann ein ungutes Gefühl auftaucht, wenn aus irgendwelchen "übergeordneten" Gründen der Versuch des Wegerklärens einer möglichen Reliquie gemacht wird. Mit nicht nur fadenscheinigen Argumenten, sogar noch zusätzlich mit der Empfehlung ein offenbar, zumindest laut wissenschaftlichem Ergebnis, als Fälschung enttarntes Artefakt trotzdem noch als Reliquie zu verehren.
Gemeint ist hiermit natürlich das Grabtuch von Turin und die entsprechende Erklärung des für die Altersbestimmung nach C-14 zuständigen Kardinals von Turin. Es sei, so der Kardinal Anastasio Ballestrero, eine Fälschung des Mittelalters, dürfe aber als Reliquie weiterhin verehrt werden. Diese gar seltsame, beinahe kryptische Aussage, des der römischen Kurie nahestehenden Kardinals, findet man eben auch in alten Schriften wieder.
Denn gerade auch bei diesem geheimnisvollen Linnen, welches vom Verfasser an anderer Stelle noch eingehender besprochen werden soll, ist ja seit dem legendären Foto des italienischen Fotografen Secondo Pia aus dem Jahre 1896 die brisante Frage akut, wen denn dieses Tuch zeigt. Wenn dies im Sinne des Jesus von Nazareth als Fälschung bezeichnete Tuch, aber dennoch als Reliquie verehrt werden darf, liegt die Vermutung recht nahe, es eben auch mit einem Heiligen zu tun zu haben.
Wir hatten ja schon in dieser Zeitschrift (s.Anm.10) die immer wieder mit Argusaugen betrachteten alttestamentlichen Textstellen erwähnt, in denen von den Propheten angeblich im Vorgriff auf das Erscheinen des Erlösers spätere Ereignisse geschildert werden. Am Beispiel des angeblich zu Jesus Lieblingspropheten gehörenden Sacharija, hatten wir über die merkwürdig gleiche Schilderung vom Einzug (eines) Jesus in Jerusalem diskutiert. Mitsamt der hier an interessanter Stelle abweichenden Sacharija-Rolle aus dem Wadi Qumran, wo aus dem König der Juden, der König der Könige wird. Wobei, zumindest nach dem allgemeinen Verständnis des doch recht kleinen Judäa, die Bezeichnung König der Könige als Postulat eines Herrschaftsanspruches über die damals bekannte Welt doch recht absurd erscheint.
Es sei denn, wenn man hier einen Propheten diskutiert, welcher zum einen von königlichem Geblüt und zum anderen, zumindest nach seinem eigenen Verständnis die für alle erlösende, dann natürlich priesterliche Botschaft überbringen wollte.
Einen solchen Propheten, welcher für die "Vielen" des Volkes als eine Art Hoffnungsträger oder auch Erlöser von kaum zu tragenden Lasten erschien, kennt die heilige Schrift selbstverständlich! Wobei die Beschreibung dieses Propheten auch an die des Echnaton in den Mitteilungen der Giordano Bruno Gesellschaft 4/99 erinnert. Hier ist vor allem die Beschreibung dieses Pharao, als ein eher buckliger und wenig schöner König, wie von Immanuel Velikowsky näher ausgeführt, von hoher Brisanz. Im vierten Buch Mose treffen wir auf einen der geheimnisvollsten Propheten des Alten Testamentes, den lahmen Bileam nämlich.
So taucht dieser im vierten Buch Mose auf und reitet gar auf einer sprechenden Eselin. Von einem König Balak gegen Belohnung zur "Verfluchung des Volkes" aufgefordert, beginnt der Herr aus seinem Munde zu reden, woraufhin Bileam das Volk sogar segnet. Hier geht es offenbar um den Feldzug des erwählten Volkes gegen die in dem verheißenen Lande lebenden und alteingesessenen Menschen. Doch dafür, dass der lahme Bileam seinem Gott, welcher aus seinem Munde gesprochen hatte, gehorsam folgend gehandelt hatte, sollte ihn die Strafe der Sterblichen noch ereilen. Bileam wollte ja trotz massiver Drohungen des Balak die wie der Sand des Meeres zahlreichen "Erdstämme" nicht verfluchen. Was im vierten Buch des Mose noch heilig und prophetenhaft erklingt, wird schon im Buche Josua als Verrat und im jüdischen Talmud als Zauberei dargestellt. Hier wird geschildert, wie man mit diesem, nach den Schriften "falschen" Propheten verfuhr.
"Dazu Bileam, den Sohn Beors, den Weissager, erwürgeten die Kinder Israel mit dem Schwert samt den Erschlagenen." ( Josua, 13, 22)
Im jüdischen Talmud findet man hierzu eine noch eingehendere Beschreibung: "Auch den Zauberer Bileam, Beors Sohn? Er war doch ein Prophet. Rabbi Jochanan sagte: Am Anfang war er ein Prophet und am Schluss ein Zauberer. Raw Pappa sagte: Das ist es, was die Leute sagen, von Fürsten und Herrschern stammt sie (Bileams Mutter11) und hurt mit einem Tischlersmann.
Raw sagte: Sie führten an ihm die vier Todesarten aus: Steinigung, Verbrennung, Enthauptung und Erdrosslung." (Talmud, Sanhedrin 106a/106b, verkürzt zitiert)
Diese auf den besagten Bileam bezogene Beschreibung findet sich im Talmud unter der Rubrik "Polemik gegen Jesus" geschrieben. Die Mutter stammt also aus fürstlichem Hause und verband sich mit einem Tischlersmann. Wir finden diese Konstruktion im Neuen Testament auf Jesus bezogen auch tatsächlich wieder. Im Evangelium des Johannes liegt die Theorie gar nicht fern, dass die salbende Maria im Hause des Lazarus mit der Maria Magdalena identisch sein könnte, bei der an anderer Stelle beschriebenen Hochzeit von Kana die Verehelichung beider beschrieben wird. Zum einen wird in beinahe kryptischer Weise gesagt, dass auch die Mutter Jesu anwesend war, welche ihn darum bat für Wein zu sorgen, was eigentlich die Aufgabe der Brauteltern ist. Der im Evangelium nach Matthäus erwähnte (Zieh-) Vater des Jesus wird zwar als Zimmermann dargestellt, zum anderen aber in langer Genealogie des Evangelisten als Abkömmling des Hauses Davids beschrieben.
Was hier im Talmud also auf den Propheten Bileam bezogen zu sein scheint, bekommt bei der Beschreibung der vermutlichen Ehefrau, Maria Magdalena noch zusätzliches Gewicht. Bevor Jesus diese Sünderin "gnädig" aufnahm, so die offizielle Version, trieb er ihr die sieben Dämonen aus. Könnten hier, wenn wir mit einigem Recht den Bileam ins vorchristliche Ägypten verlegen, die sieben Weisen des Pharaonenreichs mit gemeint sein?
Dann könnte die Lösung der Frage nach der möglichen Identität des Bileam, von einer Seite als Prophet angesehen, von der anderen gegnerischen Fraktion als Zauberer bezeichnet, auch zu dieser Zeit, eben den Lebzeiten des Mose zu suchen sein. Indem wir im vierten Teil versuchen werden, die Identität dieses Sohnes einer Fürstin und eines Zimmermannes etwas näher zu beleuchten, gelingt es vielleicht ein wenig Licht in dieses Jesus-Puzzle zu bringen.
Was im dritten Teil dieser Diskussion vielleicht noch ein wenig verwirrend erscheint, auch das Mysterium einer möglichen Ehe des Jesus von Nazareth, lässt sich vielleicht ein Stück weit mit den immer noch geheimnisvollen Qumranrollen erklären.
Die im jüdischen Talmud als Mutter von fürstlicher Abkunft beschriebene Frau wird in der Rubrik "Polemik gegen Jesus" als Mirijam bezeichnet. Der Vater des Jesus, der Zimmermann Joseph, wird auch per Tradierung seiner angeblichen Berufsbezeichnung zu einem von Nazareth. Dabei sollte man sich die Zweifel vor Augen führen, welche Generationen von Theologen und Bibelhistorikern mit dem Namen Nazareth verbinden. Diese in Israel gleichnamige Stadt lässt sich historisch keinesfalls vor dem vierten nachchristlichen Jahrhundert als existent belegen. Folgt man jedoch naheliegenden Besprechungen, dass hier statt Nazareth eben Nazaröer, vielleicht auch Nazarener stehen müßte, kommen wir der Lösung dieses Problems ein wenig näher.
In einer anderen Abhandlung des jüdischen Talmud wird unter direkter Bezugnahme auf das Buch Deuteronomium geschildert, dass man in der Wüste Jesus den Nazaröer gehenkt und ans Holz gehängt habe, weil dieser Zauberei betrieben und Jisrael verführt habe. Ein Szenario, welches eindeutig auf Ereignisse zur Zeit des Mose am Fuße des Gottesberges bezogen ist.
"Der Frevelpriester drang ein in das Haus seiner Zuflucht und durchbohrte den Meister der Gerechtigkeit." So lässt sich in Kürze die Aussage der Kriegsrolle als Bericht über eine große Freveltat zusammenfassen. In beinahe schon ermüdender Ausführlichkeit prophezeit diese Schrift die Rückkehr des Meisters der Gerechtigkeit, auch als Sohn des Lichtes bezeichnet und die dann angekündigte Wiederaufnahme des Kampfes gegen die Söhne der Finsternis. Nach recht genauen Beschreibungen dieser zukünftigen Schlacht, wird auch beschrieben, wen man denn genau erwartete. Den Messias aus dem königlichen Hause des David und dem priesterlichen Hause des Aaron.
An dieser Stelle beginnt zuerst einmal das große Rätselraten, wie es zum Beispiel auch der Amerikaner Prof. Robert Eisenman12 auf den Punkt brachte. Waren hier zwei Personen gemeint oder war mit dem Messias aus beiden Häusern ein genealogischer Nachgeborener aus beiden Häusern angesprochen? Die Lösung könnte wie gar nicht so selten irgendwo in der "Mitte" liegen. Hier könnte auch der bislang vielleicht zu Unrecht als der den historischen Ereignissen gegenüber angeblich als zu ungenau geziehene Koran, das heilige Buch der Muslime, weiterhelfen.
Denn dort erfahren wir genaueres über Mirijam die Frauenhaarflechterin. So erfährt der Leser, dass Miriam (auch Maryam) die Tochter des Imran, welcher im Buche des Exodus als Amram erwähnt wird, war (Sure 66,13). Dieser Imran war der Vater von Mose und Aaron und eben diese geheimnisvolle Mirijam wird zugleich als die Schwester des Mose erwähnt (Sure 19,29). Darüber hinaus gehörte die Familie des Imran zu den "Auserwählten Gottes", was natürlich wieder an den Meister der Gerechtigkeit aus den Qumranschriften erinnert. Doch nun wird es erst richtig brisant, wenn man sich vor Augen hält, dass alleine den Nachkommen des Aaron die Hohepriesterwürde zustand. Wenn also die Schwester aus dem Hause des Imran stammte, sie zugleich Schwester und Gattin des Mose war, hätten wir die eigentlich übliche Konstruktion ägyptischer Königspaare vor uns.
In dieser, vom Koran beschriebenen Genealogie der Begründer der Priesterdynastien taucht auch der "koranische Jesus", der angeblich mit dem des Neuen Testamentes identische Issa auf.
Nur dass dieser direkt zu dem Hause des Imran in Beziehung gebracht wird, vor allem auch als Hohepriester bezeichnet wird. Als ein geweihter Murraqah wird Issa dort im Koran bezeichnet. Was natürlich direkt die Aufmerksamkeit auf den mit Argusaugen betrachteten Brief des Paulus an die Hebräer lenkt. Dort, ebenso wie im AT- Psalm 110.4, wird Jesus ähnlich beschrieben wie in dem vom Engel Gabriel dem Propheten Muhammad offenbarten Koran.
"Darin ist als Vorläufer für uns eingegangen, Jesus, der ein Hohepriester geworden ist nach der Ordnung Melchisedeks." (Hebr. 6,20)
Nicht der leibliche Sohn des Weltenerschaffers, sondern geweiht und eingesetzt nach der Ordnung eines sterblichen Hohepriesters, des geheimnisvollen Melchisedeks eben. Soweit man über diesen Melchisedek Näheres weiß, soll es sich hier um einen hochgestellten kanaanitischen Priester gehandelt haben. Einem der zahlreichen Völker zugehörig, welche im Zuge der Ankunft des Volkes Israel im verheißenen Land arg bekriegt und meist auf Anweisung von Jahwe beinahe mit Stumpf und Stiel ausgerottet wurden.
Wenn man also den koranischen Issa mit dem im Hebräerbrief des Paulus beschriebenen Jesus gleichsetzt, liegt es auch nicht so ferne den Meister der Gerechtigkeit und den laut Talmud an den Pfahl gehängten Nazaröer Jesus in Übereinstimmung zu bringen. Schauen wir uns deshalb einmal genauer an, was denn über diesen Nazaröer bislang als bekannt angesehen werden kann. So begegnet man diesen Nazaröern ja auch an anderen Stellen des Alten Testamentes. Im Buch der Richter begegnet man dem Nazaröer Samson, welcher vor allem mit seiner Delila zu posthumem Weltruhm gelangte. Dieser Samson, welcher seine Kraft alleine seinen überlangen Haaren zu verdanken hatte, dessen mythologischer Abstammung sich auch die Merowingerkönige des frühen Mittelalters rühmten.
Doch führen Spuren der Nazaröer auch in ein Gebiet, welches schon in den vergangenen Jahren vielfach für Aufregung gesorgt hatte. In einem gleichermaßen umstrittenen wie auch mit großem Interesse diskutierten Buch, verlegte der schon erwähnte Prof. Kamal Salibi13 den Ursprung Israels an das Ostufer des Roten Meeres, in die saudiarabische Provinz Asir. Dort, in den mittlerweile nahezu vergessenen arabischen Tells, will der Gelehrte nahezu alle biblisch erwähnten, aber in Palästina bislang unauffindbaren Orte lokalisiert haben. Auch das ursprüngliche Jerusalem inklusive des von Nebukadnezar zerstörten salomonischen Tempels, soll sich hier befunden haben. Wohl mag die Diskussion über dieses laut Salibi angeblich wahre Land, in dem Milch und Honig fließen sollten, noch nicht abschließend bewertet werden können, doch nordwestlich von Asir, auf der anderen Seite des Roten Meeres, befindet sich ein Ort, welcher wieder auf diese Nazaröer hinzudeuten scheint.
So etwa im Süden der Sinai-Halbinsel befindet sich an der Küste des Roten Meeres ein Ort, welcher in arabischer Tradierung "Ras Nasrani" genannt wird. Dieser Name bedeutet, wie es die mittlerweile recht bekannten Engländer Christopher Knight und Robert Lomas14 während eines Tauchgangs von ihrem arabischen Führer erfahren haben, schlicht und einfach so viel wie "kleine Fische". Mit eigentlich ordentlich fundierten Indizien implizieren die englischen Autoren hier also den ursprünglichen Sitz dieser vielleicht dem Tempelklerus in Gegnerschaft stehenden Nazaröer. Vor allem der den Nazaröern zuzuordnende Begriff "kleine Fische" könnte den Kreis zu unserer Frage nach einem Urchristus, einem sich irgendwie darstellenden Jesus- Puzzle, auch in Richtung Qumran schließen.
Verschlusssache Qumran?
Könnte also diese Sekte der Ras Nasrani die Lösung der vielfältigen Fragen, um die durch die entlaufene Ziege eines Beduinenjungen im Jahre 1948 im öden und tristen Wadi Qumran gefundenen - besser wieder aufgetauchten Schriften - beantworten? Schon die Engländer Knight/ Lomas diskutieren die interessante These, dass die Gemeinschaft der "kleinen Fische" aufs engste mit diesen angeblichen "Qumranessenern" in sehr enger Verbindung stehen müssten. Das Symbol des Fisches war wohl schon seit dem Entstehen der anfangs wohl hauptsächlich im Untergrund existierenden Ur- oder Frühkirche das gemeinsame Erkennungszeichen. Auch die im Matthäus- Evangelium beschriebene Bergpredigt Jesu hätte sich inklusive der Fisch- und Brotvermehrung in Wahrheit im Bereich dieses angeblichen Wüstenklosters zugetragen. Erst in späteren Zeiten hätte man diese Ereignisse an den See Genezareth verlegt, da ein Fischzug im Toten Meer wohl allzu unglaubwürdig klingt. Vor allem war vielleicht die Hinwendung der Gedanken an ein wirkliches "Fischefangen" unverfänglicher als die Aufmerksamkeit auf diese angebliche Sekte zu lenken.
Definiert man jedoch diese Fischzüge im Sinne einer Einweihung, einer Initiation in eine Gemeinschaft, die Tempelrolle aus Qumran gebraucht hier den Begriff "Gerechte Gottes", klingt dies eher nach einer Aufnahme in die Gemeinschaft der Ras Nasrani, den kleinen Fischen eben.
Hier kämen wir natürlich auch wieder zu dem geheimnisvollen Paulus zurück, vor allem zu den doch recht widersprüchlichen Darstellungen im Neuen Testament. Wie ja aus der Apostelgeschichte bekannt, soll dieser als Saulus, mit einer als mittlerweile recht dubios betrachteten Vollmacht des Hohenpriesters vom Tempel in Jerusalem, in Richtung Damaskus gereist sein, um Christen zu verfolgen. Dort, in einer Art Erscheinung, wie sie vielleicht nicht ganz zufällig an den brennenden Dornenbusch zur Zeit des Mose erinnert, soll der Saulus dann zum Paulus bekehrt worden sein.
Eine mittlerweile auch in theologischen Fachkreisen als recht hanebüchene Story betrachtete Erzählung der Apostelgeschichte. Es kann nur schwer vorstellbar sein, wenn man sich die allgemein bekannte Konstruktion der Verwaltung des Römischen Imperiums vor Augen hält, dass ein nur mit beschränkten Befugnissen ausgestatteter jüdischer Hohepriester wen auch immer mit einer Vollmacht in eine Provinz schickt, welche einem anderen Statthalter im Auftrag des Kaisers von Rom übertragen wurde.
Auch die mit der Stadt Damaskus verbundene Beschreibung "Wüste" kann kaum überzeugen. So beschreibt der jüdische Historiker Flavius Josephus die Gegend um Damaskus als "äußerst fruchtbar", das genaue Gegenteil von öder Wüstenei also. Wenn man also, ähnlich wie der Amerikaner Prof. Eisenman und auch der verstorbene jüdische Neutestamentler Prof. Pinchas Lapide15 darauf hinweist, dass in keiner einzigen Rolle aus Qumran weder der Begriff "Qumran" noch die Bezeichnung "Essener" gebraucht wird, könnten wir hier auch eine Art "Burg" der Ras Nasrani vermuten. Immerhin soll ja auch der ominöse Paulus nach seiner Bekehrung drei Jahre in diesem "Damaskus" verbracht haben.
Wenn die angebliche "Bekehrung" des Paulus mit dem Bekanntwerden der Lehren dieser Ras Nasrani, dieser kleinen Fische in Zusammenhang steht, könnten auch die in der Apostelgeschichte diesem angeblichen Heidenapostel zugedachten Begriffe, wie zum Beispiel "Lügenpriester" oder "Lügner von Anfang" an, eine neue und interessante Wendung erfahren.
Die angeblich von Paulus verfassten Briefe zeugen ja, ganz im Gegensatz zu der letztlich auf Harmonie oder besser Unterwerfung implizierenden Apostelgeschichte, eher von Gegnerschaft oder Feindschaft in Richtung der Brüder des Herrn von Jerusalem.
Von falschen Propheten, betrügerischen Arbeitern, welche sich gar als Jünger des Satan zu solchen von Christus verstellen, ist zum Beispiel im zweiten Brief an die Korinther die Rede. Gepaart mit der beinahe apokalyptischen Drohung, dass dessen Ende nach ihren Werken sei. Eine kaum zufällige Anlehnung an die Qumranschrift über die "Werkgerechtigkeit".
Wenn man in diesem Zusammenhang die Mission des Paulus im Sinne einer Verkündigung von einstmals dem gemeinen Volke sehr wohl bekannten Lehren interpretiert, welche von anderen, von Paulus als falsche Apostel bezeichnet, umgedeutet und vielleicht auch korrumpiert wurde, käme dem seltsamen Streitgespräch auf dem Berge des Jerusalemer Tempels eine recht brisante Deutung zu.
"Was ich aber tue und tun will, das tue ich darum, dass ich die Ursache abschneide denen, die Ursache suchen, dass sie rühmen möchten, sie seien wie wir. Denn solche falsche Apostel und trügliche Arbeiter verstellen sich zu Christi Aposteln.
Und das ist auch kein Wunder; denn er selbst, der Satan, verstellet sich zum Engel des Lichtes.
Darum ist es nichts Großes, ob sich auch seine Diener verstellen als Prediger der Gerechtigkeit; welcher Ende sein wird nach ihren Werken." (2.Kor. 11, 12-15)
"Sie sind Ebräer, ich auch. Sie sind Israeliter, ich auch. Sie sind Abrahams Same, ich auch." (2.Kor.11, 22)
Gerade diese hier als Beispiel angeführten Textstellen aus den Paulusbriefen - es gibt noch einige mehr davon - lassen die Frage nach der wahren Identität des Paulus als Nabel der bisher gestellten Fragen erscheinen. Wenn die zuvor angesprochenen Thesen stimmen, dieser Heidenapostel hätte direkt und zentral mit den Problemen der Qumranschriften zu tun, dann klingen oben zitierte Vorwürfe gegen die Apostel des Herrn wie eine nur schwer zu überbrückende Gegnerschaft des Paulus zu jenen.
Hierzu bietet sich eine nähere Betrachtung der "allgemein akzeptierten Theorien" zu diesem geheimnisvollen Apostel an, welcher ja gemäß überkommener Betrachtung vom Saulus - als möglicher Abkömmling des jüdischen Priesterhauses Saul - eben zum Begründer von Christentum und Urkirche geworden sein soll. Eine völlig andere, gleichsam jedoch so manche Ungereimtheit erklärende Theorie lieferte vor einigen Jahren die sogenannte holländische Radikalkritik. Dort wird nicht ein Saulus zum Paulus, sondern hier ist von einem Schaulus die Rede, wobei die beiden zusätzlichen Buchstaben von Brisanz erscheinen. Diese nämlich in "Saulus" eingefügt, ergeben in der Übersetzung die Bedeutung "Der Bucklige"!
Paulusbriefe ohne Paulus
Die ältesten Schriften des Neuen Testamentes sollen gemäß anerkannter Lehrmeinungen die Briefe des Apostels Paulus sein. Zählt man den eigentlich schon immer mit spitzen Fingern angefassten Brief an die Hebräer hinzu, so erhält man die Zahl vierzehn. Doch nicht erst seit einigen Jahrzehnten, sondern über nahezu zwei Jahrhunderte hinweg, gibt es Streit um diese Briefe. Nur recht wenige Bibelhistoriker mögen alle diese Briefe als echt und authentisch anerkennen. Je nach dem Stand der Diskussion galten immer einige dieser vorgeblich apostolischen Sendschreiben an die Gemeinden in der Diaspora mal als echt, dann als nicht echt und letztlich dann vielleicht ein "bisschen" echt.
In einer Art "Tabula Rasa"-These bezeichnete ein Berliner Pastor und Theologe in einem sehr umstrittenen Buch16 schlicht und einfach sämtliche Paulusbriefe mitsamt dem Apostel rundweg als falsch. Mit einer Reihe von interessanten Indizien und zum Teil mit Anlehnung an die sogenannte holländische Radikalkritik.17
Paulus sei keineswegs ein bekehrter Saulus aus dem Königshause Saul gewesen, selbst die Frage nach seiner Abstammung im engeren Sinne von jüdisch wird nachhaltig in Frage gestellt.
Auch nicht diverse und vor allem mehrere Missionsreisen hätte dieser Paulus gemacht, sondern eine einzige, welche mit seinem persönlichen Desaster in Rom endete.
Was in der Apostelgeschichte nach Lukas wie eine mehr oder weniger intellektuelle Auseinandersetzung in Rom um die rechte Verkündigung zwischen Petrus und Paulus dargestellt wird, war tatsächlich, so Dr. Detering weiter, die ebenfalls dargestellte Auseinandersetzung zwischen Petrus und Simon Magus.
Dieser Simon Magus soll selbst in der Hauptstadt des Imperium Romanum eine mehr als schillernde Persönlichkeit gewesen sein. Selbst in diesem Schmelztiegel, gewiss nicht arm an Göttern und Zauberern aus allen Himmelsrichtungen des Reiches, war dieser Simon schon etwas besonderes. So soll er den Berichten des ersten Bischofs von Rom, Clement, zufolge, gar vom Boden abgehoben und im Angesicht einer großen Menschenmenge geflogen sein. Überhaupt für eine reichliche Menge Aufruhr soll Simon vor allem unter der Masse des Volkes gesorgt haben. Zu guter Letzt wäre man dieses Unruhestifters habhaft geworden und hätte ihn öffentlich enthauptet. Doch damit waren weder dessen Mission und vor allem nicht seine Lehren vergangen und vergessen. Ganz im Gegenteil.
Die sogenannten Kirchenväter bezeichneten Simon als den Begründer des Erzketzertums, als den Verantwortlichen der gefährlichen Häresien schlechthin. Noch im Mittelalter, in der Zeit der berüchtigten heiligen Inquisition war der Vorwurf der simonitischen Häresie eine der schlimmsten Anklagen gegen Andersdenkende schlechthin. Noch vor vierhundert Jahren machte man diesen Punkt zum Anklagepunkt gegen Giordano Bruno, dessen Feuertod stellvertretend für alle "Ketzer" noch heute die Gemüter bewegt.
Um jedoch die Thesen dieses, wie auch in der Apostelgeschichte formuliert, "bösen" Menschen für die Nachwelt zu erhalten, bedurfte es wohl der Hilfe eines weiteren "Ketzers", welcher laut Detering gar für die "Verewigung" von Simon Magus Lehren verantwortlich war. Ein solcher "Ketzer", auch mit dem Prädikat "Erzketzer" belegt, war Anfang des 2.Jahrhunderts der Großreeder Markion oder auch Markarion. Geboren wurde dieser am Südrand des Schwarzen Meeres, ziemlich genau dort, wo sich der Riegel des Pontos-Gebirges am weitesten nach Norden ins Meer vordrängt. Dort lag und liegt Sinope (heute Sinob), Markions Vaterstadt.
Später wurde er auch wegen der Lage seines Geburtsortes der "Pontier" genannt. Hineingeboren in eine Kauffahrerfamilie, baute er die Handelsflotte seines Vaters weiter aus und gelangte bald zu einem mehr als ansehnlichem Vermögen. Eine Art antiker Onassis, der mit seinen Schiffen jahrzehntelang den Hellespont und die Ägäis befahren haben soll. Einer seiner vehementesten Gegner, dem er auch die Bezeichnung "Erzketzer" zu verdanken hatte, war der Bischof Tertullian.
Dieser berichtet der Nachwelt, dass Markion nicht auf der Grundlage des Rhodischen, sondern des Pontischen Seerechtes seine Geschäfte machte. Dieses pontische Seerecht soll laut Tertullian alleine die Reederei Markion für sich in Anspruch genommen haben.
Auf einer seiner Kauffahrten gelangte Markion wieder einmal nach Smyrna (heute Izmir), wo er mit dem damals dort residierenden Bischof Polykarp zusammentraf. Nach dem Abschluss seiner Geschäfte schied er in Freundschaft von dem Kirchenfürsten und segelte nach Rom. Dort hätte er als Kauffahrer und Handelsmann eigentlich nichts zu suchen gehabt, galt doch in Rom das rhodische Seerecht und nicht das pontische. Das heißt, um hier Handel zu treiben, fehlte Markion die Lizenz.
Doch offensichtlich war er nicht nach Rom gesegelt, um sein Vermögen zu vermehren, ganz im Gegenteil. Möglicherweise von Polykarp inspiriert, verteilte er gar seinen gesamten Besitz an Arme und Bedürftige der ewigen Stadt Rom. Markion, zu diesem Zeitpunkt laut Tertullian schon ein älterer Mann über die Sechzig, wurde in Rom mit offenen Armen empfangen. Ganz Überzeugungschrist (Geben denn seliger denn Nehmen) hatte er seine Reederei für stolze 200000 Sesterzen verkauft, um eben diesen Erlös unter die Armen zu verteilen. Sein großes Vorbild wurde sichtbar, schreibt Prof. Werner Hörmann in seinem Kommentar zu seinen Übersetzungen gnostischer Schriften18, es war der Apostel Paulus.
Nach seiner spendablen Großtat, so Dr. Detering weiter, hatte wohl dieser Markion rund ums Mittelmeer noch weitere und vor allem zahlreiche Gemeinden begründet. Auch soll er noch mehrere Schriften verfasst haben, welche meist verschwunden sind, zumindest nach offizieller Lehrmeinung.
Einige dieser "erzketzerischen" Schriften jedoch, sollen die geheimnisvollen Tempelritter im 12. Jahrhundert gefunden haben und immerhin 80 Jahre nach Gründung ihres Ordens das bisher gebräuchliche Profankreuz in das späterhin berühmte Tatzen oder Templerkreuz umgewandelt haben.
Das "Ketzertum" des späterhin verteufelten Markion soll nun darin bestanden haben, in seinen Schriften die Gedanken des Petrus-Gegners und Zauberers Simon Magus verbreitet zu haben. Das heißt, folgt man Detering an dieser Stelle, die vor allem aus Sicht der Mächtigen verderblichen Lehren, welche vor allem die Freiheit des Einzelnen und die Gleichheit vor Gott zum Thema hatten. Diese als endzeitlich zu bezeichnenden Vorstellungen muss man auch als das Thema der Verfolgung von Ketzern und Katharern und anderen Ungläubigen ansehen. Der mittels langer Blutspur nachzuzeichnende Versuch, solch verderbliche Lehren auszumerzen kann durchaus auch mit den sehr fremden Vorstellungen des Pharao Echnaton in Zusammenhang gebracht werden.
Dieser geheimnisvolle König, von einem ägyptischen Oxfordgelehrten mit dem biblischen Mose gleichgesetzt, könnte den Schlüssel für solche Mysterien darstellen.19 Hier findet sich nicht nur das Thesengebäude eines "Christus vor Christus", sondern auch die Wurzel aller bekannten Religions- und Glaubenskriege bis zum heutigen Tage.
Wenn der jüdische Historiker Flavius Josephus in seiner Schrift "Gegen Apion" von einem falschen und einem echten Mose spricht, so liegt es nahe, auch zwei Ereignisse des damit verbundenen Exodusthemas mit zu verbinden. Dann müßte es, um mit dem Duktus des Koran die Problematik zu betrachten, auch zwei hochheilige vorislamische Propheten mit der Bezeichnung Mussa gegeben haben. Doch dies und noch einiges mehr, soll einer Fortsetzung dieser Arbeit vorbehalten bleiben.
"Nichts ist so verborgen, dass man es nicht erfahren kann, oder so geheim, dass es nicht ans Tageslicht kommt.
Sprecht im Licht der Sonne von dem, was ich euch beim Schein des Mondes sage. Und das, was man euch ins Ohr flüstert, sollt ihr laut von den Hausdächern verkünden."
Jehoshua ben Joseph, auch bekannt unter dem Namen Jesus Christus.
Literatur und Anmerkungen
1.) "Wer schrieb die Rollen vom Toten Meer?" John Marco Allegro, Oxford 1957.
2.) Kanon oder kanonische Schriften sind solche, welche aus der vorhandenen Auswahl von über 80 Evangelien, als einzig sakrosankt für die heute bekannte heilige Schrift zugelassen wurden.
3.) Eusebius von Cäsarea, Kirchengeschichte. Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1997.
4.) Synoptische Evangelien, etwa gleichlautend.
5.) "Die Verschwörung von Jerusalem", Kamal Salibi, Goldmann 1994 München.
8.) Siehe in: "Der heilige Gral und seine Erben", Lincoln, Baigent und Leigh, Bastei TB.
9.) Ausführlicher in: " An den Grenzen unseres Wissens Band !", im Beitrag: "Biblische Geschichte neuinterpretiert", vom Verfasser dieser Arbeit, CTT- Verlag 1997 Suhl.
10.) In Nr. 4/99, "Lebte Jesus in Indien?" vom Verfasser.
11.) Klammer durch den Autor.
12.) "Jesus und die Urchristen", Prof. Robert Eisenman und Prof. Michael Wise, München 1993.
13.) "Die Bibel kam aus dem Lande Asir", Kamal Salibi, Reinbek 1985.