„Seit dem Jahr 52 [v.Chr.] ... haben die Völker Westeuropas vergessen, wer sie einmal gewesen sind. ... [sie vergaßen] allmählich, dass sie Söhne [und Töchter] der Kelten und Erben der ... Druiden sind.” Jean Markale (Die Druiden)
Zusammenfassende Übersicht zur Entwicklung des Keltischen ^ - Jungsteinzeit (ca. 5000 – 2500 v.): Übergang vom Sammeln und Jagen im Herumziehen zu Ackerbau, Nutztierzucht und Bergbau (zuerst Kupfer) an festen Plätzen (Neolithische Revolution) => „Kupfer-zeit”. Bildung einer ersten (lebensnotwendigen und identitätsstiftenden, profanen und sakralen) ostalpinen Infrastruktur.
- Bronzezeit (ca. 2500 – 1250 [1000] v. Chr.): Kupfer wird wichtiger Werkstoff und zentrales Handelsgut; forcierte Entwicklung von Bergbau, Metallurgie (Bronze), Technologie (wichtige Zentren im oberen Salzachtal im Umkreis des heutigen Bischofshofen). Herausbildung der unmittel-baren (materiellen, logistischen und kulturellen) Voraussetzungen für das, was später als „das Keltische” angesprochen werden wird.
- Eisenzeit (ca. 1250 [1000] – 15 v. Chr.): Gewinnung von und Handel mit (Gold,) Salz und - nach einiger Zeit - Eisen (Heilige Substanzen). – Neben bzw. vor dem später so wichtigen „Norischen Eisen” war zuerst Salz das wertvollste Produkt und Handelsgut = „Weißes Gold”). Diese (um den Salzbergbau „erweiterte”) Eisenzeit ist „Nährboden” und „Blütezeit” des Keltischen! Größte (und reichste) Zentren durch und für den innereuropäischen Bergbau nach dem „Weißen Gold”, dem Salz - und damit natürlich begünstigte Keimzellen und Drehscheiben der Entwicklung zum Keltischen - entstanden schrittweise:
1. zuerst (schon lange vor der Gründung Roms), durch nahezu „industriellen” Salz-Bergbau: Hallstatt („Hallstatt-Zeit” ca. 1250 - 500 v. Chr. – nach konven-tioneller Rechnung erst ab ca. 750 v.) - Beginn des Salz-Bergbaus in Hallstatt bereits vor 1350 v. Chr.! Die in Hallstatt gefundene älteste Holzstiege der Welt wurde im Jahr 1344 v. Chr. im Bergwerk montiert!
2. später, durch Verlagerung der Salzproduktion: Hallein/Dürrnberg („La-Tène-Zeit” ca. 500 - 15 vor). Die Bedeutung des Norischen Eisens (insbesondere für die Aufrüstung des Römischen Imperialismus bringt im Laufe der Zeit eine wirtschaftliche (und politische) Verlagerung von den norischen Salz-Zentren im Norden des Alpenhauptkammes zu den Eisen-Zentren im Süden desselben.
3. In den Ostalpen entsteht zuletzt ein (lose verbundenes, mit den Römern über Handels-Beziehungen „befreundetes”) keltisches „Königreich” Norikum - das viel-leicht mehr in den „ordnungsliebenden” Köpfen der Römer als in der keltischen Realität bestand.
Neben den wirtschaftlich dominanten Bergbau-Zentren entwickelten sich in der so genannten Eisenzeit spezielle Kult- und Kultur-Zentren von sozusagen mittel-europäischer Bedeutung: Über die gemeinsame Verehrung des Kelten-Heros Belenus (Hauptfest: Beltene, 30.4./1.5.) bildete sich insbesondere eine bedeu-tende Kultachse zwischen Juvavum und Aquileia (Beligna und Grado), dem größten Belenus-Kultzentrum des keltischen Norditalien, eine Art „mythologische Alpen-Transversale” Zentraleuropas, heraus.
- Römerzeit (15 v.Chr. – ca. 500): Roms imperialistischer Griff nach norischem Gold und Eisen (Salz hatten die Römer als Meer-Salz selbst und billiger – wodurch zu dieser Zeit der inneralpine Salzbergbau bald stagnierte) bringt ein halbes Jahrtausend Besatzungszeit.
Romanisierung: „Arrangement” der kelt. Oberschicht mit den (gallo-) römischen Besatzern aus dem ehem. keltischen Aquileia, nun Hauptort der nord-italienischen röm. Provinz „Gallia(!) cisalpina”. Wechselseitige kulturelle Beeinflussung (Bele-nus-Achse) => Röm. Provinzen Rätien, Noricum und Pannonien)
Ab dem Ende des 4. Jh. wird das organisierte Christentum (zuerst byzan-tinischer, dann römischer Prägung) Staatsreligion – alle anderen Kulte sind nunmehr verdammenswert „heidnisch” und bei Todesstrafe verboten. Die Söhne der Provinzaristokratie in den (in fast allen) Provinz-Städten streben, im Sinne der spätrömischen Karriere-Möglichkeiten, danach „christliche” Bischöfe mit staatlichen Befugnissen (Oberste Verwaltungsbeamte) zu werden. => Aus der bislang keltischen wird eine „christliche” Achse Aquileia-Iuvavum.
- Bajuwarenzeit (ca. 500 – ca. 800): Tradierung wichtiger Teile und unübersehbarer Nachhall keltischer Kultur. (Anknüpfung bei Klostergründungen, Kirchenbauten, Bildender Kunst, Ritualen usw. an keltischen und vorkeltischen Wurzeln!) Die römische Oberschicht geht (teilweise) zurück nach Aquileia. Die Kelten arrangieren sich in den Ostalpen mit der süddeutsch-böhmisch-keltischen Bajuwaren/Boier-Oberschicht.
Enge Verbindung der ostalpinen Bajuwaren zu den (ebenfalls stark keltisierten) oberitalienischen Langobarden (die auch von Böhmen bis nach Aquileia kommen). Gemeinsam bedroht werden Bajuwaren und Langobarden bald von den – am ehem. Römischen Imperialismus orientierten – barbarischen „germanischen” Franken, deren traditionell skrupelloser („römisch-katholischer”) Teilhäuptling Karl sich schließlich in Konkurrenz zum Ost-Römischen Kaiserreich West- und Mitteleuropa unterwerfen und neuer Cäsar (=Kaiser) werden will.
- Frankenherrschaft (ab dem 8. Jh.):
Auf die Bühne der europäischen Politik tritt im 8. Jh. ein später heilig gesprochener Held Namens Karl, Nachkomme der ehem. Hausmeier der Merowingerkönige, ganz nach Väterart großer Schlächter seiner Verwandten und Konkurrenten - und ganzer Völker! Dieser Charlie räumt auf und macht sich dabei auch die Bajuwaren Untertan. Unter Karls Diktat erfolgt die end-gültige Liquidierung des „Keltischen” durch eine bis in den Balkan reichende „Missionie-rung mittels Flamme und Schwert” (= ideologi-sche Absicherung des fränkischen Ost-Feldzugs) im Sinne eines erstrebten fränkischen Welt-Reiches. Die Schritte auf Karls blutigem Siegeszug durch Europa sahen folgend aus:
774 Frankenhäuptling Karl unterwirft unter dem Applaus des päpstlichen Rom die Langobarden in Oberitalien => Ende des mit den Bajuwaren verschwägerten und verbündeten Langobardenreiches.
785 Karl interveniert in Baiern und setzt seinen Günstling Abt Arn(o) als Nach-folger des (irokelt.) Bischofs Virgil in Salzburg ein => verschärfte „Ost-Mission” Richtung Slowenien und dem Balkan (=„Südost-Europa”)!
788 Fränkische Besetzung Baierns. Der mächtige letzte Bajuwaren-Herzog Tas-silo III. kommt ins Visier des angehenden Weltenherrschers Karl und ver-schwindet in „Klosterhaft” => Baiern wird fränkische „Grafschaft”!
798 Karl lässt Arno zum Salzburger Erzbischof und zum Metropoliten der Baierischen Kirchenprovinz erklären. Hintergrund: Vom organisatorisch darauf ausgerichteten neuen Erzbistum und Missionsbollwerk Salzburg aus sollen die benachbarten Slawen bis tief in den Balkan hinein für Karls Imperium versklavt werden! (Das Wort Sklave geht unmittelbar auf dieses erfolgreich umgesetzte „Missionswerk” unter den Slaven zurück! - Vgl. engl. slave!);
800 Karl lässt sich in der ehemaligen Cäsaren- (=Kaiser) Stadt Rom in plumper Verkleidung („Toga”) von seinem Marionetten-Papst Leo III. zum („Römischen”) „Kaiser” krönen, tritt damit in unmittelbare Konkurrenz mit den regierenden römischen Kaisern in Byzanz und erhebt auch formal Anspruch auf das Haupterbe des Römischen Reiches!
811 Karl legt die Organisation der „römisch-katholischen” Kirche europaweit neu fest und drängt den uralten kulturellen Einfluss Aquileias auf die Ostalpen und das Gebiet bis zur Donau hinter die Drau zurück!
=> Keltische Glaubensvorstellungen und Kultur werden endgültig in den Untergrund abgedrängt, verbannt und verteufelt! Ihre Hinterlassen-schaften leben aber besonders „greifbar” in Sagen und Mythen und im Brauch-tum – auch im religiösen – bis zu ihren verkleideten mythologischen „Bot-schafterInnen”, den röm.-katholischen Heiligengestalten der Ostalpen, weiter!
Das „Keltische” ist natürlich keine rein „österreichische” Erfindung. Nach einer verblüffend einfachen Formel, die auch für den menschlichen „Fortschritt” gilt, verlaufen unter ähnlichen Bedingungen ähnliche Entwicklungen. Doch die Gunst optimaler Grundlagen und Rahmenbedingungen tritt nicht überall zeitgleich zu Tage. Die einen sind aus bestimmten Gründen früher dran, die anderen halt später. Diesbezüglich hatten im Europa der Eisenzeit unsere Vorfahren zwischen Hohen Tauern und Hallstättersee – ähnlich deren Vorfahren im Salzachtal der Kupfer- und Bronzezeit – besonderes Glück. Mutter Erdens Schätze (Kupfer, Salz, Eisen – und Gold!) traten hier in besonderer Güte zu Tage. Sie wurden bereits vor Ort weiter verarbeitet und „veredelt”.
Und sie waren deshalb im europäischen Umfeld sehr begehrt, brachten bedeutenden Wohlstand mit sich, und der rege Kontakt mit den überregionalen Abnehmern forcierte umgekehrt die weitere materielle, technologische, logistische, geistige und kulturelle Entwicklung hierzulande. Schließlich nutzten unsere cleveren Ahnen ihre optimalen Chancen in diesem ostalpinen Füllhorn und Schmelztiegel, um (viel früher als die meisten ihrer Nachbarn) bewusst oder unbewusst beachtliche Vorreiter des Keltischen, der ersten zen-traleuropäischen Hochkultur und ihrer Verbreitung über fast ganz Europa, zu werden!
Als es mit der gewaltsamen Ausdehnung des Römischen Imperiums nach Norden zum Untergang der Kelten als eigenständige Akteure der Geschichte und Kulturträger kam, hatten sie selbst eine erstaunliche Geschichte hinter sich, eine Periode der Entwicklung und Ausbreitung, die sie bzw. „das Keltische” lange vor den Römern nach West und Ost bis an die äußersten Ränder Europas gebracht hatte, von Portugal und Spanien bis ans Schwarze Meer, von Irland und Schottland bis hinein nach Kleinasien. Trotz aller Abenteuer- oder Wanderlust der Kelten waren es aber nicht große Menschenmassen gewesen, die sich im Verlaufe des „Keltischen Jahrtausends” flutartig ausgebreitet hatten, auch nicht bestimmte als „keltisch” zu identifizierende Gene. Es war wie gesagt eine bestimmte, sich zu beachtlicher Höhe entwickelnde Kultur, in allen ihre materiellen und ideellen Aspekten!
Die Kelten sind nicht zugewandert! ^ Wie die Italiener in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts endlich(?) die bis dahin fixe Idee aufgaben, dass die „vorrömischen” Etrusker, die Repräsentanten der ersten Hochkultur auf der Apenninhalbinsel – die offensichtlich in engem Kontakt zu den Kelten der Alpen standen – „Zugereiste” aus Griechenland, Kleinasien oder sonst wo her gewesen sein müssten, so ist es auch für uns Österreicher langsam an der Zeit, der unbestreitbaren Tatsache ins Auge zu blicken, dass „unsere” Kelten von nirgendwo her zugewandert sind, sondern sich bruchlos aus den vorangegangenen Generation der Bewohner der Ostalpen seit der Steinzeit entwickelt haben!
Auch im Falle der Kelten war da eben kein „Volk ohne Raum”, das schließlich in unserer Bergwelt fündig geworden wäre, sondern eine stetige, auf den vorherigen Stufen aufbauende menschliche Entwicklung, die besonders gefördert wurde durch bestimmte „natürliche” Bedingungen einerseits und durch kreative Naturverbundenheit, durch Geschick und praktischen Erfindergeist andererseits.
Etruskerin, Tempelzierde aus Portonaccio/Roma
Schließlich ergab sich mit der Aus-weitung der Beziehungen, dass diese Entwicklung auch von anderen hoch-stehenden Kulturen beeinflusst und weitergetrieben wurde. Von diesen weit entwickelten Kulturen wollen wir gerade die aus dem antiken Etrurien bzw. aus Oberitalien besonders her-vorheben, weil sie auch im Austausch mit unseren eigenen keltischen Vorfahren immens fruchtbar waren – bevor sich die raffgierigen Römer tödlich einmischten, deren eigene Kultur im Grunde unmittelbar auf die Etrusker zurück ging! So oder so: Es ist höchst an der Zeit, die alten Geschichten, die hierzulande über „die Kelten” kursieren und über (Professoren-) Generationen weitergegeben werden - obwohl (oder gar weil) sie zumeist auf propagandistischen Machwerken zweifelhafter „Gewährsleute” aus der Zeit des Römischen (oder gar des Dritten) Reiches basieren - passenderweise nicht mehr unseren Schülern und Studenten vorzusetzen, sondern endlich dem historischen Orkus zu übergeben!
Es ist schon lange „notwendig”, sich an Stelle der alten Geschichten endlich ein realistischeres, für uns und unsere eigene Geschichte stimmigeres Bild, davon zu machen, wie „das Keltische” tatsächlich in die Welt und zu uns gekommen ist - und sich mit seiner angehenden „Hochkultur” mittels ihrer in den Ostalpen entstandenen „Drehscheibe” über einen großen Teil der angeblich „alten” Welt ausbreitete, ehe es von „Römern, Christen und Germanen” weitgehend abgemurkst wurde!