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 Christentum als machtpolitisches Instrument
Linoma Offline




Beiträge: 1.500

13.11.2010 17:50
RE: Mit Kreuz und Schwert/ der Zwang zur Religion Antworten

Die Christianisierung der Kelten
„Das Böse” kommt in die Welt


Mit der Eroberung der Ostalpen durch die Römer (16/15.v.) wurde den heimischen DruidInnen die weitere Ausübung ihres Berufes verboten, ihr Amt und damit ihre zentrale Funktion für die Interpretation und den Bestand der keltischen Religion und Kultur durch die Besatzer offiziell abgeschafft. Bevor andererseits das Christentum im 4. Jh. zur Römischen Staatsreligion avancierte, fand es seine Verbreitung zuallererst – in scharfer Konkurrenz zum Mithras-Kult – unter den römischen Soldaten. Deren „Missionierung” geschah noch als „Werbung” und „Einweihung”. Das Früh-Christentum war aufgrund seiner einschlägigen Anhängerschaft im Römischen Reich der Spätantike zuerst auf die (wenigen) Garnisons-Städte beschränkt und blühte auch in den Alpen buchstäblich im Geheimen. Die Landbevölkerung der Ostalpen hing, wenn auch (wegen des röm. Berufsverbotes) ihrer religiösen Führer (der DruidInnen) und deren Anleitung beraubt, weiter dem Glauben ihrer keltischen Ahnen an.

Nach Kaiser Konstantin (306-337) wurde das Christentum aus schlauem Kalkül binnen kurzem Staatsreligion des Römischen Reiches – ein äußerst wirksames politisches und ideologisches Instrument der Staatsführung. Alle anderen Kulte waren nunmehr bei Todes-Strafe verboten, ihre Bauten wurden zerstört oder „christianisiert”. Das Stadt-Bürgertum passte sich nicht nur an, sondern profitierte selbst von der politischen Bedeutung der neuen Staatsreligion, die den Zugang zu Ämtern, Macht und Einfluss regulierte. Am Land lebten die keltischen Glaubens-vorstellungen zwar fort, doch mehr und mehr ohne authentische Überlieferung durch geschultes Kultpersonal.


Beamten-Heiliger Severin

In jeder Röm. (Provinz-) Stadt – sicher auch in Juvavum -Salzburg, dem seit keltischer Zeit mit Aquileia eng verbundenen Kultzentrum – war zu dieser Zeit ein röm.-katholischer „Bischof” installiert, der nicht nur oberster Sakral-, sondern auch oberster Zivil-Beamter war. Für die Söhne des Provinzadels war das Amt des Bischofs die Krönung der Staats-Laufbahn, des cursus honorum. Das Christentum existierte somit allerdings nur als urbanes Phänomen, als „Stadt-Christentum”. Von dessen Existenz in Iuvavum berichtet auch die Biographie des Hl. Severin, einem hohen „Beamten-Heiligen”, der gegen Ende des 5. Jh. in der Provinz Noricum im Auftrag Roms die offizielle „Abwicklung” organisierte.

Landbevölkerung hält am alten Glauben fest
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Um über die Städte hinaus die Bevölkerung auf dem Land und in den Gebirgs-tälern zu „missionieren”, fehlten der spätrömischen Administration in den norischen Städten sowohl Motivation als auch Mittel und Methoden. Die Landbevölkerung wird nicht „angeworben”, sie bleibt – sofern sie nicht im Nahbereich einer röm. Villa lebt und für einen römischen Gutsherren arbeiten muss – in religiösen Dingen für die nächsten Jahrhunderte sich selbst überlassen. Ohne das ehemalige, entsprechend ausgebildete, Kultpersonal sinken die keltischen Mythen dabei zu - nach Art der „Stillen Post” überlieferten - Legenden, Sagen und Märchen herab.

Mit dem Zerfall des (West-)Römischen Reiches im 5. Jahrhundert (vgl. Geschichte) bemühen sich – ironischerweise vom ehem. Gallien ausgehend – die Häuptlinge der germanischen Franken, die Merowinger, die den Römern militärische Hilfs-Truppen gestellt hatten und von deren Reichtümern geblendet waren, in die Fußstapfen ihrer ehemaligen gallo-röm. Dienstherren zu treten. Um sich die Landbevölkerung endlich selbst dienst- und ausbeutbar (= katholisch) zu machen (Staatskirche ist ideologische, politische und administrative Macht), setzen die Merowinger auf den seit Römertagen etablierten katholischen Klerus, insbesondere auf ein Bündnis mit dem jeweiligen Bischof (= oberster Beamter) von Rom, der ehem. Hauptstadt des Römischen Imperiums.

Außerhalb der urbanen Zentren zählen die aufstrebenden fränkisch-germanischen Machthaber jedoch auf „Missionare” aus Irland und Schottland, wo jenseits des Einflusses der Römer und aufbauend auf den ehemaligen Fili, die dort zu Abt-Bischöfen avancierten, ein Christentum mit „keltischen Wurzeln” entstanden war, das von der ehemals keltischen Landbevölkerung in Gallien und Mitteleuropa besser verstanden wurde als das abgehobene römische „Stadt-Christentum”. Iro-schottische Missionare keltischer Abstammung „missionierten” in der Folge im Dienste der Merowinger die Landbevölkerung des – gerade dadurch – gegenüber den Nachbarn übermächtig werdenden germanischen Frankenreichs.

Missionierung für feudale Zwecke
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Das „Merowinger-Modell”, mit dem einem feudalen Herrschaftssystem der Weg gebahnt wird, macht zur Zeit der, aus den keltischen Boiern hervorgegangenen, Bajuwaren (6. – 8. Jh.) schließlich auch in den Ostalpen Schule. Die dazu impor-tierten „Iro-schottischen” Missionare versuchen bei ihrer „Bekehrungsarbeit” die Landbevölkerung davon zu überzeugen, dass das Christentum nur eine „kreative Weiterentwicklung” keltischer Glaubensvorstellungen sei. Sie übernehmen zum „Beweis” dafür die keltische „Sakrale Infrastruktur”. Sie „taufen” die uralten Kultplätze und errichten darauf „christliche” Kapellen und Kirchen. Aus den wichtigsten Zellen der „heidnischen” Eremiten schaffen sie der angestrebten Bajuwarischen Staatskirche im 8. Jh. erste Klöster (z.B. Kremsmünster, Micha-elbeuern, Mattsee, Mondsee) als dezentrale Stützpunkte der Herrschaft auf dem bislang „heidnischen” Land.

Die „ex-keltischen” Missionare aus Irland und Schottland übernehmen die regio-nalen keltischen Bräuche und Rituale, die sich von denen ihrer eigenen Heimat kaum unterscheiden, und deuten sie mehr oder weniger geschickt zu „christlichen” um. Und sie machen aus den bewährten keltischen Schutzgöttinnen und ihren Heroen passende katholische Heiligengestalten, die mit ihren altvertrauten Eigenschaften zu Schutzpatronen der neuen Kultbauten (Kirchen) auf den alten Plätzen erklärt werden, um auf ihre Art weiterhin Licht, Fruchtbarkeit und Heil zu sichern.

Ein letzter, großer iro-keltischer Missionar dieses Typus, der die Weisheit vertrat „Ein heiliger Berg bleibt immer ein heiliger Berg, er wechselt nur seinen Habitus” war Bischof Virgil (+785) von Salzburg, dessen irokeltische Abstammung (als Sohn eines Königs und ausgebildeter Fili) ihm erlaubte, seinen Salzburger „Schäfchen” u.a. ihren Glauben an die keltische „Anderswelt” (z.B. im Untersberg oder im Göll) zu lassen - wofür ihn sein Hauptkonkurent, der Germanen-Missionar Bonifatius (zu „Beltene” [!] 748) prompt beim Papst in Rom denunzierte.

Braven heimischen Historikern von heute blieb es - weil nicht sein kann, was nicht sein darf! - in diesem Zusammenhang fatalerweise überlassen, aus dem Streit für und wider den „keltischen Weg”, eine geradezu typische Meisterleistung kon-formistischer Keltenverdrängung zu gestalten: Sie unterstellten dem Kelten-Spross und Ex-Fili Virgil, er hätte im Angesicht des Untersbergs nicht genuin keltische Religions- und Glaubensvorstellungen seiner „Schäfchen” geduldet, sondern mit der „Anderen Welt” die (an dieser Stelle höchst banale) Kugelgestalt der Erde vertreten, mit den dazu passenden „Antipoden” auf der „anderen Seite” des Globus (Australien und Neuseeland). „Virgil schau oba!”


Bischof Virgil läßt den Salzburger Dom bauen, Sebastian Stief, 1860, Erzbischöfl. Palais Salzburg

Virgil hätte über solch naive Abwehr keltischen Erbes vermutlich noch gelacht. Doch als bei den Franken zur selben Zeit die pippinischen „Hausmei(st)er” ihre Merowinger-Könige stürzten, um selbst an die Macht in Europa zu kommen, war es für keltische Relikte bald tatsächlich „Schluss mit lustig”! Gerade Karl, der angeblich „Große”, setzt zur Förderung seiner Karriere in jeder Hinsicht auf den totalen Machtkampf, auf Gewalt und Unterdrückung. In Rom sitzt zu dieser Zeit auf dem wackligen „Stuhl Petri” ein von Karl völlig abhängiger Papst, der seinen mit Toga verkleideten (Kriegs-) Herrn justament zur Feier von Christi Geburt, zu Weihnachten des Jahres 800 zum neuen - quasi wiederauferstandenen - „Römischen”(!) Kaiser krönt, dessen „legaler” Nachfolger im fernen Byzanz sitzt und sich über den anmassenden „Hausmeister-Spross” und skrupellosen Parvenu Karl ärgert, der zwar herrschergerecht Morden, aber weder Lesen noch auch nur seinen eigenen Namen schreiben kann.

Missionierung als Versklavung
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In der lukrativen „Mission” geben nun, in Kaiser Karls vorwärtsstrebendem Windschatten, germanische „Haudegen” den Ton an, die bei ihrer „christlichen” Arbeit getreu den Staatsprinzipien auf die Gewalt, auf Flamme und Schwert, setzen. Sie kennen nur „Gut” oder „Böse” - und „das Böse” gehört (vom Heiligen Baum bis zu den Göttinnen und Heroen der Kelten) mit Stumpf und Stiel ausgemerzt oder zumindest verteufelt und unterdrückt. Gerade die von Salzburg unter dem neuen Erzbischof und Metropoliten Baierns, Arn(o), ausgehende „Missionierung” der Slawen (von der Steiermark und Kärnten, über Slowenien und Kroatien bis weit in den Balkan) ist dabei ein Musterbeispiel der Versklavung. Sogar der Name Sklave (engl. Slave!) leitet sich aus dem Modell dieser, „Missionierung” genannten, brutalen Unterwerfung und Ausbeutung ab. – In solcher Zeit hatten auch unsere „letzten Kelten” absolut keine Chance mehr! Was von der Kultur und vom Glauben der Kelten blieb, sind (unabhängig von den – noch unzureichend erforschten – Bodenfunden) die Spuren in Berg-, Wasser-, Flur-Namen, Brauch und Sage - und ironischerweise in den römisch-katholischen „Nothelfern” und Heiligengestalten!

Die Wahrheit wiegt meistens schwer.

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