Das ägyptische Totenbuch
Seit dem Neuen Reich (1500-300 v. Chr.) wurde in Ägypten eine Papyrusrolle, das Totenbuch in den Sarg gegeben. Es bestand aus einer Sammlung Totensprüche, welche u.a. auch in die Mumienbinden eingewickelt wurden, deren Anzahl und Inhalt nicht einheitlich festgelegt war. Zum Teil sind die Handschriften mit sehr schönen bildlichen Darstellungen versehen. Der Inhalt der Texte ist recht unterschiedlich und spiegelt den historischen Kampf zwischen zwei mächtigen Überlieferungen, nämlich den Priestern des Sonnengottes Amun-Re und den Anhängern des Osiris.
Amun-Re überquert den Himmel tagsüber in einer Sonnenbarke, und nachts reist er durch die Unterwelt.
Die Anhänger des Sonnengottes strebten danach, im Jenseits in die Sonnenbarke zu gelangen und Amun-Re in Ewigkeit auf seiner Reise zu begleiten. Hingegen vermeinten die Anhänger des Osiris, die Sonnenbarke trage sie nach Sekhet Aaru, ins Königreich des Sonnengottes, wo sie sich dem Gericht der Göttin der Gerechtigkeit (Maat) stellen (wobei das Herz des Verstorbenen gegen eine Feder der Maat gewogen wird), damit sie für immer im Reich des Osiris verweilen können.
Die alten Ägypter betrachteten ihre Totenliteratur, wie auch die übrigen religiösen Schriften als Werk der Götter. Thot, der Gott der Schreiber und Herr der Gottesworte galt besonders als Verfasser. Diese Totensprüche wurden in Ägypten Pert em hru ("Manifestation in Licht" bzw. "Eintreten in den Tag") genannt.Die Bezeichnung Totenbuch für die Zusammenstellung der meist auf Papyrus geschriebenen Totensprüche des Neuen Reiches stammt von dem deutschen Ägyptologen Richard Lepsius. Dieser veröffentlichte 1842 ein Exemplar des Turiner Museums und führte auch die Einteilung in sogenannte Kapitel ein. Sein Schweizer Schüler Edouard Henri Naville fasste dann im Jahre 1886 alle bis dahin bekanntgewordenen Totensprüche - 1844 an der Zahl, in einem grundlegenden Werk zusammen.
Weitere Gelehrte, wie vor allem E.A.W. Budge, Peter Le Page Renouf, Hermann Grapow, Ch. Maystre und T.G. Allen, haben sich auch um die Übersetzung und inhaltliche Aufhellung des Totenbuches bemüht.
Was wohl niemand ahnte: die alten Griechen waren ebenfalls in die Heiligtümer des alten Ägyptens eingeweiht, hielten dieses Wissen jedoch verborgen. Z.B soll der sagenhafte Orpheus im göttlichen Memphis den "Mantel des Lichts" empfangen haben. Gewisse Autoren des Altertums nahmen an, dass der Dichter der Ilias in Ägypten gelebt hat, wiederum andere glauben, dass er in Theben das Licht der Welt erblickte. Wie wir nachlesen können, gab es da Thales, welcher die Pyramiden vermessen hat, indem er das Verhältnis ihres Schattens zum Schatten des menschlichen Körpers berechnete - Solon reiste nach Saïs und Pythagoras, welchen der Pharao Amasis den Priestern in Memphis empfahl. Pythagoras soll sogar Zutritt zum Adyton - dem Allerheilgsten der Tempel - gehabt haben und ist von den Priestern eingeweiht worden."Er hat unaussprechliche Dinge über die Götter und über die Unsterblichkeit der Seele erkannt, und unter dem Siegel der Verschwiegenheit hat er die Schöpfung der Welt erfahren" (Diogenes Laertios). "
Pythagoras hat in Ägypten mit grossem Eifer die Tempel besucht, bewundert und geliebt von den Priestern, mit denen er Umgang hatte, in allen Dingen mit Hingabe unterwiesen, für jede mündliche Belehrung empfänglich.....Dergestalt, dass er zu allen Priestern gereist ist und aus der Weisheit eines jeden Nutzen zog und sich belehrte. Er verweilte 20 Jahre in den Adytonen Ägyptens und liess sich in alle heiligen Zeremonien der Götter einweihen, bis zu jenem Tag, wo ihn die Soldaten des Kambyses gefangennahmen" (Iamblichos übers. von S. Mayassis)
Das Ritual
Um der Seele des Verstorbenen bzw. seinem "Doppelgänger" während der Reise ins Unbekannte beizustehen, legt man neben der Mumie einen Einweihungs-Papyrus nieder, bevor die letzte Pforte zum Grabmal geschlossen wird. Dieser Papyrus wurde abwechselnd Totenbuch, Buch der Sonnenlitaneien, Buch der verborgenen Wohnung, Buch der Atmungen (in Theben), Buch der Pforten oder auch Buch von dem, was in der Duat ist, genannt. Dieser Papyrus beinhaltet die Gebete, die man bei Anbruch der Nacht hersagen muss, wenn Re seine unzähligen Feinde in der Unterwelt besiegt. Zudem sind noch magische und erlösende Fomeln enthalten. Das erste Totenbuch welches wir kennen ist ein in Pyramidenwände eingehauener Text, der die stolze Anzahl von 453 Kapiteln umfasst.
Das Totenbuch besteht aus ca. 200 Zaubersprüchen, welche die Ägyptologen Kapitel nennen. Die Kenntnisse dieser Kapitel erlaubt es dem Verstorbenen, sich in der Unterwelt zurechtzufinden. Im Verlauf seiner Reise durch die Unterwelt muss er die 12 Regionen der Duat durchqueren. Es gibt zahlreiche Gefahren auf dieser langen Reise vor denen die Kenntnis der Zaubersprüche den Verstorbenen bewahren.
Das Lesen der Litaneien oblag einem Priester, welcher im Zustand ritueller Reinheit war. Während der Begräbniszeremonie wandten sie sich der Mumie zu. Es war eine Art der Initiation im Schnellverfahren und zwar just in dem Moment, wenn die Seele die Erde verlässt.
Die Kapitel
Die ersten Kapitel I - XIV bereiten die Verstorbenen auf die Begräbniszeremonie vor.
Kapitel XV : die Verstorbenen reinigen ihre Herzen und verherrlichen Re.
Kapitel XVII : ruft die Schöpfung der Welt herauf.
Kapitel XXI - XXX : Formeln um ein neues Gedächtnis zu gewinnen, das nie wieder "verfault und stinkend wird", "die Kräfte seines Mundes in der göttlichen Region der Unterwelt wiederzuerlangen", "dem Zauber der Götter von Heliopolis zu entfliehen, welche miteinander streiten, um ihm das Herz aus den Eingeweiden zu reissen".
Kapitel XXX schildert, was ein erstes Urteil sein wird, welches in Kapitel CXXV entfaltet wird. Dies ist in gewisser Hinsicht die Wiederholung der Seelenwägungs-Zeremonie.
Kapitel XXXI - XLI : den Kampf gegen die acht krokodilsköpfigen Dämonen zu bestehen.
Kapitel XLII - XLVII : Vergöttlichung der Glieder des Toten "Und Seth, er webet in meinem Rückgrat. Mein Phallus, ein Leibesglied von Osiris" (Übersetzung G. Kolpaktchy). Sein Körper darf nicht verfaulen und zerstückelt werden, wie der Leib von Osiris. Er muss ein "geistlicher Leib" sein "fähig sich zum Licht emporzuschwingen"
Kapitel XLVIII + XLIX : Wiederholung der Kapitel X + XI
Kapitel L - LXIII : mit deren Hilfe erlangt die Seele den "Atems des Lebens" wieder
Kapitel LXIV - LXXV : die Seele "erhebt sich zur Sonne", "verjüngt sich am Busen Isis, wie sie im himmlischen Weltenraum wiedergeboren wird, der ihre Mutter ist", und sie darf bei den himmlischen Göttern in Heliopolis verweilen.
Kapitel LXXVI - C : Verwandlungsformeln wählen, die ihm gestatten eine Gestalt anzunehmen. Er kann zum Horusfalken oder zum Lichtgeist der kalten Gebiete werden, Wärme oder Licht, Schwingung in der ewigen Weltenschwingung. All dies um eine neue Weisheit zu erlangen, damit die Seele des Toten in den Kreis der Seligen zugelassen wird und in der Sonnenbarke des Re Platz nehmen darf.
Kapitel CI - CXXIV : die geheimen Bücher Thots und die Geheimnisse des Westen kennenlernen, um die "sieben Stufen des Lichts" erklimmen zu können, bevor er das Reich des Osiris betritt.
Kapitel CXXV : das bereits bekannte Kapitel der Seelenwägung, vom läuternden Bekenntnis, Ihrer offiziellen Auferstehung und Aufstieg.
Kapitel CXXVI - CXXXIX : die Läuterung der Seele im Augenblick der Verinigung mit Osiris, wenn sie die letztgültige Vollkommenheit erlangt.
CXC : Zitat nach der Übersetzung von G. Kolpaktchy "Die Vervollkommnung des geheiligten Geistes im Schoße von Ra; es ... erhöht ihn vor Osiris, macht ihn mächtig vor dem Fürsten der Amenti und anbetungswürdig vor den göttlichen Hierarchien... Dieses Buch offenbart die Geheimnisse der verborgenen Wohnstätten von Duat; es kann als Führer für die Einweihungen der Unterwelt dienen... Wenn du dieses Buch rezitierst, laß dich von keinem menschlichem Wesen sehen, mit Ausnahme derer, die dir besonders nah sind, und des Kher-heb-Priesters.... verschließe dich in dein Zimmer, das mit sternengeschmückten Stoffen tapeziert ist. Dann wird die Seele eines jeden Verstorbenen, für welche diese Texte reziert werden, unter den Lebenden im vollen Lichte des Tages herumgehen können; sie wird angesichts der Götter mächtig sein;... wohl aber werden die Götter, anchdem sie jene Seele geprüft haben, in dem Verstorbenen einen Ebenbürtigen sehen ... Wahrlich, dieses Buch ist ein großes und tiefes Geheimnis ..."
Einige Kapitel des Totenbuches:
Kapitel I
Beginn der Sprüche
"Im Tempel Heliopolis´ bring ich die Opfergaben. Priester bin ich im Tempel von Dschedu, den Trankopfern steh ich vor. Am Tag, wo die Erde die höchste Höhe erreicht, enthüllen in Re-Stau sich die Mysterien."
Kapitel IV
Der Durchgang oberhalb der himmlischen Bahnen in Re-Stau (Die Duat)
"Der himmlischen Wasser Abgründe (Milchstraße/himmlischer Nil) durchstreif ich,
die zwischen den beiden Kämpfern Seth u. Horus sich breiten; und zu den Feldern Osiris´(Orion/Duat) gelangend möchte ich walten dort nach Belieben."
Kapitel IX
Nach dem Durchgang durch das Grab
"...Ich eröffne die Bahnen, im Himmel gleichwie auf Erden. Denn dein liebender Sohn, Osiris, bin ich! Geist bin ich geworden, geläutert, geheiligt, mit machtvollen Sprüchen gepanzert...Götter des unermeßlichen Himmels! Göttliche Geister! Ihr alle, schauet mich an! Nun hab ich vollbracht meine Reise und erschein vor euch."
Kapitel XII
Um nach belieben hinein- und hinauszugehen
"Gesegnet dein Name, o Ra, Du, an der himmlischen Pforte der Geheimnisse Hüter, da, wo der Weg sich öffnet zu Geb und zur heiligen Waage der Wahrheit-Gerechtigkeit. Sieh, durch die Erde erzwungen hab ich die Bahn! Könnt ich doch wie ein Kind wieder erstehn zum Leben im Jenseits."
Kapitel XV
Ein Hymnus an Ra
“Sei mir gegrüßt, o Ra! Über dem Horizonte, gleich Tum, steigest du auf und gleich Horus-Khuti (Harachte oder auch "Horus der beiden Horizonte") erreichst du die Höhe am Himmel. Wenn du segelst in deiner göttlichen Barke, mein Körper auf Erden badet im Licht deiner Strahlen. Am Anblick deiner göttlichen Schöne erfreut sich mein Auge, herrschet der Frieden im unermeßlichen Himmel. Sieh, der Wind bläht deine Segel und erfeuet das Herz.”
“...Die Planetengeister kreisend um dich (unsere Planeten um die Sonne) singen dir Ruhm und wenn du hinter den Bergen des Westens, am Horizonte hinabsteigst, der Fixsterne (?) schütztende Geister neigen sich vor dir und beten dich an.”
Kapitel XVII
Um in die Unterwelt hineinzudringen und daraus hinausgehen zu können
"...Seht, Horus und Seth kämpften!
Das göttliche Auge war beinahe erloschen, dann gab ich ihm seine frühere Kraft zurück und nach dem großen Welteneisturz ordnete ich wieder des Himmels Kreisförmige Bahnen."
Kapitel XXIII
Des Vestorbenen Mund wird geöffnet
"...Möge er meinen Mund mit diesem Werkzeug aus Eisen entsiegeln, welches den Mund der Götter aufzuschließen vermag!
Die Göttin Sekhmet bin ich fürwahr, welche weilt in Gebieten der großen Winde des Himmels. Ich bin Lenker und Leiter des Sternenbilds des Sahu (Orion), inmitten der Geister von Junu..."
Kapitel XXXII
Beschwörungsformel, um die krokodilköpfigen Dämonen zuückzudrängen
"Gefallen, gestürzt die Große Gottheit von einst...(Osiris im Zusammenhang mit dem Welteneinsturz). Sie ruht auf der Seite, gegen die Erde gekehrt ihr Gesicht, während die himmlischen Geister sie aufzurichten eifrig sich mühen. Nun erscheint meine Seele; sie spricht mit ihrem göttlichen Vater (Osiris?) und erlöst ihn von den hinterlistigen Schlingen der acht Dämonen mit Krokodilfratzen. Ich kenn fürwahr diese Dämonen und kenn ihre Namen; und erlös ich den himmlischen Vater von der Macht der Dämonen."
"...Weiche von dannen, Dämon mit Krokodilfratze, du! Ich weiß : im Westen dein Wohnsitz und mit Tierkreis-Zeichen am liebsten ernährst du dich."
Kapitel XXXV
Um nicht von den Schlangendämonen verschlungen zu werden
"Sehet, ihr beide! Du Shu, hier ist Dschedu! Und du Dschedu, hier ist Shu! Der Eine und andre Besitzer der Hathorkrone, ihr Pflegen und Sorgen Osiris geweiht. Gebt acht! Zwei Dämonen schleichen heran und rüsten sich an, mich zu verschlingen. Doch nicht vom Dämon Seksek bemerkt ziehe ich zwischen ihnen vorbei..."
Kapitel XXXVIII
Um durch das Atmen zu leben - Papyrus Nu
"...Den vorgeschriebenen Umlauf hab ich vollbracht und folge den Bahnen nun, auf welchen die Barke Tum´s segelt...
...die Abendstille kommt nun heran... Jetzt prüft meine Sünden der himmlische Vater (Osiris/Orion) und als Richter fällt er das Urteil...
...wahrlich lebe und web ich in Dschedu
Ich lebe nun neues Dasein im Jenseits Ra gleich, der täglich wiedergeboren..."
Kapitel XXXVIII
Papyrus Nebseni
"Gott Tum bin ich. Das Urmeer verlassend druchlauf ich den tiefen Abgrund des Himmels...ein Ort wird mir zugewiesen im Reiche der Toten. Den geheiligten Geistern geb ich Befehle (Deren Wohnsitz verborgen) und den Dienern des doppelköpfigen Löwengottes. Im Boot des Khepra-Gottes (Gott des kosmischen Werdens) durcheil ich den Himmel, bereitet mir dieser Gott Wege und öffnet Geb´s Pforten ...nun in der Barke der Göttin"Wahrheit-Gerechtigkeit" segle ich weiter und steige dann um in des Sonnegottes Boot. An deiner Seite durchsegl´ ich die Häuser um Himmel inmitten des Geistergedränges, das ihn umringt."
http://www.vampyrbibliothek.de/aegypten/totenbuch.htm
Die Wahrheit wiegt meistens schwer.