Wichtig zum tieferen Verständnis ist auch folgendes Ereignis aus dem rabbinischen Lilith-Mythos:
Als nach ihrer Weigerung, sich zu unterwerfen, der patriarchalische Gott von Lilith verlangte, sich zu fügen, verweigerte sie dieses. Und: Sie erhob sich durch die Macht des geheimen Namens Gottes, den sie aussprach, in die Lüfte der Welt und entschwand ... Bemerkenswert ist dabei: Der "geheime Name Gottes" ist in der jüdisch-christlichen Tradition JHWH, das Tetragramm. Dieser geheime Name Gottes ist so heilig, dass er für einen gläubigen Juden niemals ausgesprochen werden darf ... Er wurde in der biblischen Geschichte auch erst Jahrtausende später von Gott selbst offenbart, nämlich dem Mose, als dieser den Dornbusch sah, der brannte, aber nicht verbrannte, und von der Stimme Gottes angeredet wurde. Diese trug ihm auf, das Volk Israel aus Ägypten zu befreien und durch die Wüste ins Gelobte Land zu führen. Die Bedeutung dieses Namens Jahwe ist: "Ich bin der Ich-Bin", wörtlich eigentlich sogar: "Ich sein, der ich sein" - also ohne zeitliche Begrenzung, gleich gültig für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Man könnte auch sagen: Der Name Gottes ist - das Sein selbst ...
Diesen "geheimen Namen Gottes" also - den dieser selbst ja noch lange noch nicht offenbart hatte !!! - sprach Lilith aus. Das stellt in der jüdischen Orthodoxie ein Sakrileg dar. Aber viel interessanter ist: Wie konnte sie ihn überhaupt kennen ?
Offensichtlich aber kannte sie ihn und war also in der Lage, die Macht dieses geheimen Namens anzuwenden, sogar gegen den Willen des patriarchalischen Gottes selbst ... Oder war es sein geheimer Wille, was sie tat ... - ?
Jedenfalls wird daraus auch verständlich, dass in der jüdischen Mystik der Kabbala von Lilith gesagt wurde, dass sie tiefstes Wissen um die Wirklichkeit Gottes, tiefste mystische Erkenntnis in sich trägt, ja geradezu mit dem "schattenlosen und unerschaffenen Licht der Gottheit selbst" verbunden, in gewissem Sinne diesem sogar gleichzusetzen ist.
Dass Lilith andererseits im jüdischen Volksglauben als kinderfressende Dämonin verschrieen ist, gegen welche man Neugeborene mit einem Amulett schützen muss, zeigt meiner Ansicht nach, wie sehr innerhalb der patriarchalischen Tradition (und natürlich ist die Bibel insgesamt ungeheuer patriarchalisch und damit einseitg ... - !) das verborgene mystische Wissen der Weiblichkeit ! - also des Yin -Prinzips abgewertet, verzerrt und sozusagen "ver-teufelt" wurde. Nicht von ungefähr gibt es auch eine Tradition, welche sagt, Lilith sei später die Schlange im Paradies gewesen - die aber bekanntlich Recht hatte ! Denn Eva und Adam starben tatsächlich nicht, als sie vom Baum der Erkenntnis gegessen hatten. Und dass sie begannen, "Gut und Böse zu erkennen", bestätigt sogar der patriarchalische Gott selbst in derselben Geschichte (kann man nachlesen !).
Lilith bedeutet also nicht weniger als die dunkle Seite des Göttlichen, die Macht der Weiblichkeit, die Intuition, weshalb sie auch für spirituelle Einweihungserfahrungen steht. Dass das kein "Zuckerschlecken" ist, ist klar ... Dass es ebenso verlangt, mit den einseitigen und einengenden Traditionen und Wohlanständigkeiten zu brechen, auch - oder ... - ?