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 Schamael und Lilif
Linoma Offline




Beiträge: 1.500

19.08.2011 08:54
RE: Rezeptionen Thread geschlossen

Folgende Geschichte zeigt, wie anders manche Menschen mit dem Thema umgehen,
spüren, dass es mehr gibt, als ihnen Jahrhunderte lang erzählt wurde:



Gottes Schöpfung

Traurig sah Luzifer auf sein Reich hinab, auf seine Welt, die er selbst in so mühsamer Arbeit
erschaffen hatte. Er blickte auf die vielen Engel herab, die mit ihm zusammen vertrieben
worden waren und auf all jene, die später hinzugekommen waren und er dachte zurück -
zurück an die Stadt über den Wolken.

In seinen Augen war es gar nicht so lange her, das er geboren - oder besser - geschaffen
worden war. Sein Herr hatte ihn als den ersten und stärksten seiner Sippe gewählt, den
reinsten und mächtigsten aller Engel.

Am Anfang waren sie alleine gewesen. Luzifer erinnerte sich gerne an diese Zeit. Es war eine
Zeit des Lernens und des Erwachens für ihn gewesen. Ständig hatte er Fragen gestellt und der
Herr hatte sie alle beantworten können, sie waren glücklich gewesen.
Wenn Luzifer jetzt, nach all der Zeit zurück dachte, so lagen die Motive des Herrn offen vor
ihm. Der alte Mann war einsam gewesen, in seine Göttlichkeit eingesperrt und zu unendlicher
Langeweile verdammt. Deshalb hatte er Luzifer gebraucht, deshalb hatte er die Engel
geschaffen und deshalb brauchte er auch die Menschen.

Luzifers Blick glitt langsam durch die Reihen der Seinen, um zwischen ihnen ein paar
versprengte Menschen zu finden. Sie wirkten klein und verloren, zwischen all den riesigen
Engeln, doch waren sie willensstark und zu loyal, um ihn in solch schweren Zeiten alleine zu
lassen. Weiter hinten, im Herzen seines Reiches warteten Millionen und Abermillionen
darauf, dass es bald vorbei sein würde, aber hier an der Front gab es nur wenige von ihnen.
Luzifer erinnerte sich, wie sie den ersten Menschen geschaffen hatten. Es war ein Geschenk
des Herrn an seinen ersten Engel gewesen. Was Luzifer für Gott war, sollte Adam für Luzifer
sein, ein treuer Diener. Und so wie Gott Luzifer mit seiner Liebe wärmte, so wärmte Luzifer
den kleinen Menschen. Er brachte ihm alles bei, was er selber gelernt hatte, und er zeigte
Adam wie groß Gott war und wie gütig. Im Nachhinein erkannte er seinen Fehler.
Der kleine Mensch begann Gott zu verehren und zu ihm zu beten. Das Gefiel dem Herrn und
es erweckte sein Interesse. Er schuf einen Garten in seinem Reich und er erschuf Kreaturen,
die Adam zur Unterhaltung dienen sollten. Schließlich erschuf er sogar einen zweiten
Menschen, Eva.

Luzifer hätte damals wissen müssen, worauf der alte Mann hinaus wollte, doch war er blind
gewesen. Gott spielte mit den Kreaturen, wie er mit Luzifer gespielt hatte und er ließ sich
loben und preisen und er genoss seine Größe. Dann kam der Tag der Vertreibung. Adam
pflückte den verbotenen Apfel und er und Eva wurden verbannt.

Luzifer hatte damals stundenlang in Gestalt der Schlange mit Adam diskutiert. Sie hatten
Beide nicht verstanden, warum der Herr ausgerechnet in Adams Garten den Apfel pflanzen
musste. Heute sah Luzifer alles klar vor sich. Wenn er damals das Wissen gehabt hätte, das er
heute hatte, so hätte er gesehen, was unweigerlich geschehen musste.

Die Menschen bekamen eine eigene Welt und in seiner unendlichen Güte erlaubte Gott ihnen
weiter an ihn zu glauben, zu hoffen und zu beten. Doch was nützen einem der Glaube und die
Hoffnung, wenn es keine Angst gibt? Und die Menschen hatten keine Angst, denn sie
glaubten an Gott und an die Erlösung nach ihrem Tod. Was machte Gott einzigartig, wenn die
ganze Welt für die Menschen ein einziges Wunder war?

Am Anfang hatte der Herr sich damit begnügt kleinere und schwächere Engel zu schaffen.
Aber selbst diese waren für die Menschen so groß und mächtig, dass sie den Unterschied
zwischen ihnen und Gott nur schwer erkannten. Also schuf Gott ein zweites Reich, unterhalb
der Erde. Die Hölle.

Die Menschen sollten sich fürchten und sie sollte zittern vor dem, was passieren würde, wenn
sie nicht an ihn glaubten. Und dafür brauchte Gott einen Teufel.
Im Nachhinein war Luzifer klar, dass es kein Zufall gewesen war, dass Gott ihn für diese
Rolle auserwählt hatte. Im Nachhinein wusste er, dass Gott gerade diesen Zug am längsten
und besten geplant hatte.

Luzifers Blick wanderte zurück zu den Engeln, die nun ihre Schwerter zogen. Welch ein
Widerspruch, ein Engel mit einem Schwert. Damals hatten sie sich noch nicht solcher
barbarischen Mittel bedient. Damals, vor seinem Sturz. Er konnte sich genau erinnern, wie es
gewesen war.

Gott hatte ihn zu sich gerufen und sie waren spazieren gegangen. Gott hatte ihm sein neues
Reich gezeigt, vom Rande der Wolkenstadt aus, denn wer das neue Reich einmal betreten
hatte, der konnte nie mehr zurück.
Dann passierte es. Gott warf Luzifer von den Wolken und der Engel fiel. Erst hatte Luzifer es
für einen Scherz gehalten. Er hatte seine Flügel ausgebreitet und er hatte versucht zu fliegen.
Gott aber hatte einen Sturm aufkommen lassen, der den Engel in die Tiefe riss. Tiefer und
tiefer hinab.

Es war nicht der Aufschlag, der Luzifer geschmerzt hatte, noch war es der Sturz an sich. Was
Luzifer wirklich wehgetan hatte, war der Gedanke, seinen Herrn erzürnt zu haben und die
Distanz zu ihm. Doch das verging.
Heute an dieser Stelle wusste Luzifer, dass es nicht sein Fehler gewesen war. Er hatte seinen
Herrn nicht erzürnt. Er war ihm, im Gegenteil, nur allzu gut gelungen. Das war es, was ihn
aus der Stadt des Lichts vertrieben hatte.

Die Engel unter Luzifer nahmen Formation an, Seite an Seite mit den Menschen und noch
einmal dachte der Herr der Engel zurück an das, was geschehen war, was er nach seinem
Sturz getan hatte. Es war bestimmt nicht das gewesen, was Gott von ihm erwartet hatte, aber
was hatte er denn erwartet? Gott hatte einen Engel geschaffen, einen gelehrigen Schüler, frei
von Zorn und Hunger nach Rache. Und dieser Schüler tat, was er gelernt hatte. Er verzieh den
Menschen und baute einen zweiten Himmel.

Am Anfang waren es wenige Menschen gewesen, die zu ihm kamen, doch wurden es mehr.
Von Jahr zu Jahr stieg ihre Anzahl und Luzifer wurde klar, dass er alleine die wachsende Zahl
an Seelen, die sein Reich betraten nicht zufrieden stellen konnte und er lernte neue Engel zu
schaffen.

Oben, in der Wolkenstadt betrachtete man sein Werk mit Bewunderung und Wohlgefallen.
Nur der heilige Vater war nicht zufrieden. Er sandte Engel aus, die Luzifer vernichten sollten.
Doch wie konnte ein Engel einen Engel vernichten? Es ging nicht, denn sie waren frei von
Sünde. Also arbeiteten sie zusammen, um eine neue, größere und noch schönere Welt zu
schaffen. Eine Welt, schöner noch als den Himmel selbst.

Da sandte Gott einen seiner Engel herab auf die Erde, um die Menschen von der Boshaftigkeit
Luzifers zu überzeugen, ohne Erfolg. Der Engel brachte zwar den Glauben unter die
Menschen, doch sahen diese ihre Erlösung nicht länger in Gott, sondern im Himmel selbst.
Und Luzifer bot ihnen den Himmel, den sie so sehr begehrten. Adam war nicht länger ein
Geschöpf Gottes, sondern ein freies Wesen, das seine eigenen Wege ging. Und wo war Adam
jetzt? Sein Weg hatte ihn zur Erlösung geführt. Aber diese Erlösung lag nicht bei Gott.
Als der alte Herr dies bemerkte, wurde er zornig und er verbannte auch Jesus, seinen letzten
Engel aus der Wolkenstadt.

Nun war er alleine. Und in all seiner Wut und in all seinem Hass erschuf Gott neue Kreaturen,
die Dämonen, Krieger des Dunklen, Seelenfresser und Engelvernichter. Er schuf die Hölle,
die er für Luzifer vorgesehen hatte in der Wolkenstadt. Und er kam herab, um sein größtes,
sein reinstes Werk zu vernichten. Er kam für Luzifer.
Und Luzifer erwartete ihn, als Heeresführer über Menschen und Engel, um seinen Himmel zu
beschützen.


http://www.charly-bass.de/Kurzgeschichte...sSchoepfung.pdf

Die Wahrheit wiegt meistens schwer.

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