Hildegard von Bingen (1098-1179) ist eine der ungewöhnlichsten Frauengestalten der christlichen Geistesgeschichte. Die Strahlkraft ihrer Persönlichkeit und Spiritualität hält bis heute an. Ihr universales
Weltbild umfasste Theologie, Medizin, Musik, Ethik und Naturkunde/Kosmologie. In der Theologie hat sie maßgeblich daran mitgearbeitet, das strenge Bild Gottes als Richter abzumildern. Als Naturheilkundlerin integrierte sie die Erkenntnisse der arabischen Heilkunde in die abendländische Medizin und übernahm Erkenntnisse bezüglich der Heilwirkung von Pflanzen. Als Musikerin schuf sie mit dem Werk „Ordo virtutum“ ein neues Genre. Sie entwickelte eine neue religiöse Anthropologie, in der sie die Stellung des Menschen im Kosmos neu bestimmte und ein Heilsverständnis für den Menschen entwickelte, in dem seine Leiblichkeit, seine Psyche und der Glaube in einer Ganzheit aufeinander bezogen waren.
Klöster waren für die Menschen des Mittelalters nicht nur ein Ort der religiösen Besinnung und der Einkehr. Meist waren sie auch die einzige Hoffnung auf medizinische Versorgung. Denn hinter den Klostermauern wurde das antike medizinische Wissen der alten Griechen, Römer und Araber bewahrt.
Heute wird diese Klostermedizin wiederentdeckt. Trotz moderner Medizin stehen alternative und sanfte, natürliche Heilverfahren hoch im Kurs. So hat zum Beispiel die Universität Würzburg eine Forschergruppe Klostermedizin gegründet. Die Wissenschaftler wollen die Grundlagenforschung zu medizinisch wirksamen Pflanzenstoffen wieder voranbringen.
Bei dieser Arbeit kommen sie an einer Frau nicht vorbei: Hildegard von Bingen. Erst vor Kurzem hat der Papst die Nonne aus dem 12. Jahrhundert mit einer der größten Ehrungen der katholischen Kirche gewürdigt. Er erhob Sie in den Rang einer „Kirchenlehrerin".
Doch neben ihrer Bedeutung für den Glauben hat Hildegard von Bingen auch Großes für die Medizin geleistet. Sie trug das Wissen ihrer Zeit über die Entstehung und Behandlung von Krankheiten zusammen. Hildegard von Bingen stellte als eine der Ersten Regeln für das auf, was wir heute „ganzheitliche Medizin“ nennen.
Bei der Behandlung von Krankheiten setzte sie auf ausgewogene Ernährung, die Wirkung von Heilpflanzen sowie auf Schröpfen, Fasten und Schwitzbäder. Vieles davon finden wir heute noch – oder inzwischen wieder – in der Medizin.
So bezeichnete Hildegard von Bingen Dinkel als „das beste Getreide“, er mache „frohen Sinn und Freude im Gemüt des Menschen“. Obwohl die Nonne nichts von Vitaminen und Proteinen wissen konnte, geben ihr Ernährungsexperten heute recht: Dinkel ist das beste Getreide.